Zwei Leipziger Kindereinrichtungen wollten auf Schweinefleisch verzichten. Daraufhin entbrennt eine deutschlandweite Diskussion. Die KITA-Leitung und Eltern können die Reaktionen nicht nachvollziehen.
Nach Diskussionen um die Änderung des Speiseplans in zwei Leipziger Kitas hat sich die Polizei eingeschaltet. Um mögliche Gefahren abzuwehren, stehe ein Polizeiauto vor den beiden benachbarten Einrichtungen, sagte ein Sprecher am Dienstag. Hintergrund ist, dass in den Kitas kein Schweinefleisch mehr angeboten werden soll. Vor etwa zwei Wochen habe er ein entsprechendes Schreiben bekommen, sagte ein 37 Jahre alter Vater, der am Dienstagnachmittag seinen zweijährigen Sohn abholte. „Wir finden die Entscheidung prinzipiell gut“, sagte der 37-Jährige.
In einer multikulturellen Kita sei der Verzicht auf Schweinefleisch ein Zeichen von Respekt gegenüber anderen Kulturen. „Man wird meinen Sohn nicht vom Wienerle wegbekommen, aber das bekommt er dann eben zuhause“, so der Vater. Die Mutter einer Vierjährigen bezeichnete die Debatte als „absurd“. Es gebe dringlichere Probleme. Ihre Tochter merke nicht, ob sie Schweinefleisch esse oder nicht.
Die Polizei steht nach eigenen Angaben in Kontakt mit der Leitung der Kindertagesstätte und des benachbarten Kindergartens, die ein freier Träger betreibt. Weitere Maßnahmen seien zunächst nicht geplant gewesen, so der Polizeisprecher.
Über die Entscheidung hatte die „Bild“ am Dienstag berichtet. Am Dienstagvormittag landete das Thema unter dem Hashtag „#Schweinefleisch“ deutschlandweit auf Twitter zeitweise auf Platz eins der am meisten diskutierten Themen.
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, die selbst Muslimin ist, twitterte: „Wenn Kitas, Schulen und sonstige Einrichtungen lieber vegetarisch statt Fleisch servieren – fine with me. Ich bin nur dagegen, wenn es heißt: aus Rücksicht auf Muslime.“ Gleiche Chancen und „ein Leben ohne Rassismus – das wünschen sich Muslime. Nicht Kitas ohne #Schweinefleisch“, schrieb sie. Schweinefleisch- oder Gummibärchenverbote sind nach Cheblis Einschätzung ebenso überflüssig wie die Bezeichnung Wintermarkt statt Weihnachtsmarkt oder Festtagsgruß statt Frohe Weihnachten: „Liebe Alle: Ist nett gemeint, aber lasst es bitte! Tut es nicht für die Muslime. Ihre Seele wird damit nicht geheilt.“
CDU-Generalsekretär Alexander Dierks erklärte: „Selbstverständlich soll & kann niemand gegen seinen Willen gezwungen werden, etwas Bestimmtes zu essen. Aber ein Verbot ist der falsche Weg.“
AfD-Vize Georg Pazderski twitterte mit Blick auf den „Bild“-Bericht: „Die #Unterwerfung der Deutschen nimmt immer groteskere Züge an. Anstatt auf alle Kinder Rücksicht zu nehmen, wird wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.“
In Folge dieser hitzigen Debatte hat der Träger der beiden Einrichtungen seinen Beschluss künftig auf Schweinefleisch auf dem Speiseplan zu verzichten vorerst ausgesetzt. Der Leiter der Kitas, Wolfgang Schäfer, begründete das am Dienstagabend mit der medialen Aufregung nach dem Bekanntwerden seines Beschlusses. Im kommenden Kindergartenjahr – das Mitte August beginne – wolle er das Thema bei Elternabenden nochmals ausführlich diskutieren, sagte Schäfer der Deutschen Presse-Agentur.
Die Aufregung um die Entscheidung, auf Schweinefleisch und tierische Gelatine zu verzichten, könne er nur schwer nachvollziehen, sagte Schäfer. Er habe den Eindruck, dass Kindergarten-Speisepläne insgesamt immer weniger Gerichte mit Schweinefleisch vorsähen. Die Mehrheit der Eltern habe die Entscheidung begrüßt. Aus der Politik und im Netz erntete Schäfer allerdings zum Teil scharfe Kritik. „Wir sind überwältigt von der ganzen Sache“, sagte Schäfer. (dpa/iQ)