Belgien

Parlament diskutiert über Kopftuchverbot für Abgeordnete

Wie neutral müssen Abgeordnete im Plenarsaal auftreten? Der Eid einer Muslimin mit Kopftuch und eines Juden mit Kippa vor dem Parlament sorgt in Belgien für Diskussionen.

27
07
2019
Trikolore Belgien Flagge © by BernieCB auf flickr, bearbeitet iQ

Wie neutral müssen Abgeordnete im Plenarsaal auftreten? Diese Frage spaltet die Belgier. Ende Mai hat Belgien ein neues Parlament gewählt. Anfang Juli beantragte der liberale Minister für gesellschaftliche Integration, Denis Ducarme (45), alle religiösen Zeichen im Plenarsaal zu verbieten. Doch gegen seinen Vorschlag regt sich Widerstand. Die muslimische Grünen-Abgeordnete Farida Tahar (42) sieht darin ihre Religionsfreiheit eingeschränkt. Der orthodoxe Jude und Abgeordnete der rechtsnationalDiskussion über Abgeordnete mit Kippa und Kopftuch en NVA, Michael Freilich (38), unterstützt den Vorschlag.

In Belgien ist die Neutralität des öffentlichen Dienstes ein Verfassungsgrundsatz. Sie gilt etwa für Lehrer, Richter und Polizisten. Das Problem: Es gibt keine präzise Definition, ob dieser Grundsatz auch für Parlamentsabgeordnete gilt. Jedenfalls wurde 1995 das Verbot einer Kopfbedeckung im Parlament abgeschafft.

Erster jüdische praktizierende Abgeordnete im Parlament

Michael Freilich aus Antwerpen ist nun nach eigenen Angaben der erste orthodoxe praktizierende Jude im Parlament. In der flämischen Stadt lebt die größte jüdisch-orthodoxe Gemeinschaft Europas. Seit vielen Jahren engagiert er sich dort in der jüdischen Gemeinschaft. 2007 gründete er die Monatszeitschrift „Joods Actueel“. Jede Woche suchte er nach Interviewpartnern zu relevanten jüdischen Themen; sei es die Sicherheit jüdischer Schulen oder das Schächtverbot. Dabei war er viel mit Politikern in Kontakt; „doch irgendwann wollte ich nicht nur über Politik schreiben, sondern sie selbst gestalten“, sagt er. Der Vorsitzende der rechtsnationalen NVA und Antwerpener Bürgermeister Bart de Wever (48) bot ihm einen Listenplatz an. Freilich sagte zu.

„An meinem ersten Tag, als ich den Eid im Parlament ablegte, habe ich ganz bewusst die Kippa getragen“, berichtet Freilich. Es sei der vierte Todestag seines Großvater gewesen. Für ihn ist es „ein wichtiges Signal, dass ich als Enkel eines Juden, der im Zweiten Weltkrieg vertrieben wurde, nun Abgeordneter bin“. In den künftigen Sitzungen im Plenarsaal will er seine Kippa nicht mehr tragen. Grund dafür könnte auch die Debatte sein, die er unter den Abgeordneten angestoßen hat. Auch einige NVA-Abgeordnete sehen die religiösen Zeichen kritisch.

Als die muslimische Grünen-Abgeordnete Tahar Anfang Juli ihren Eid im Plenarsaal ablegte, trug sie ihr Kopftuch. „Wenn es einen Ort gibt, an dem Ideen und Überzeugungen zum Ausdruck gebracht werden können, dann ist es das Parlament!“, twitterte sie damals.

Islam ist zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Belgien

Der Islam ist die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Belgien nach der katholischen Kirche. Sieben Prozent der Belgier sind Muslime. Die belgisch-türkische Abgeordnete Mahinur Özdemir (36) war 2009 die erste Abgeordnete mit Kopftuch in einem belgischen Parlament. Bereits damals hatte der Liberale Ducarme versucht, das Tragen religiöser Symbole für Abgeordnete im Plenarsaal zu verbieten, aber keine Mehrheit gefunden.

In Belgien werden die Beziehungen zwischen Staat und Kirche immer wieder debattiert. Die französischsprachige Gemeinschaft, zu der auch Ducarme gehört, blickt ins Nachbarland Frankreich, wo Staat und Kirche strikt getrennt und religiöse Zeichen in den Schulen verboten sind.

Die flämische Gemeinschaft ist traditionell katholisch geprägt. Staat und Kirche sind enger verknüpft, ähnlich wie in Deutschland. Der orthodoxe Jude Freilich sieht keinen Grund, das derzeitige Spannungsfeld zu reformieren. Er finde, „dass wir nach vielen Jahren eine gute Balance zwischen Religion und Staat gefunden haben“. (KNA/iQ)

Leserkommentare

Kritika sagt:
L.S. Wenn ein Parlamentarier mit Kopftuch für eine Ideologie wirbt, welche in ihrem Einflussgebiet nur die Allah/Muftie Diktatur duldet, dann verhöhnt sie damit die Parlamentarische Demokratie. IslamPropaganda in's Parlament sollten Belgiens Demokraten schnell und demonstrativ abstellen. Gruss, Kritika Und weiter bin ich noch der Meinung: Ohne Islam wäre Deutschland für Frauen wesentlich sicherer. Ohne Islam wäre die Welt wesentlich friedlicher.
29.07.19
22:10