Der Übergang von Hinterhofmoscheen zu repräsentativen Moscheebauten kann in der Mehrheitsgesellschaft zu Konflikten führen. Diese helfen wiederum einander besser kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Ein Gastbeitrag von Ibrahim Yazıcı.
In Ländern mit muslimischen Minderheit befinden sich die meisten bestehenden Moscheebauten und Gebetsräume in gemieteten oder gekauften Gebäuden, häufig in der Nähe von Industriegebieten. Kultur- und Sozialanthropologen bezeichnen diese Orte als sogenannte „Hinterhofmoscheen“. Mit der wachsenden muslimischen Gemeinschaft und dem daraus folgenden Bedarf an größeren Räumlichkeiten reichten die Hinterhofmoscheen nicht weiter aus. Für immigrierte Muslime, die in dem Land, in dem sie leben, bereits ansässig sind und ein Mitspracherecht haben, haben diese Bauten auch einen gewissen Druck in sozial-psychologischer Hinsicht erzeugt. Dieser Druck ergab sich dadurch, dass Orte, an denen Gottesdienste ausgeführt werden und die einen täglichen Treffpunkt darstellen, keine ausreichende Funktion haben, um den Islam zu repräsentieren.
In Ländern, in denen Nichtmuslime in der Mehrzahl sind, ist die Zahl der Moscheebauten, die die Muslime und den Islam repräsentieren und durch islamische Symbole hervorstechen, im Vergleich zu der Anzahl der Muslime relativ gering. Zudem wird der Bauprozess von repräsentativen Moscheebauten mit Minarett und/oder Kuppel häufig von islamfeindlichen Debatten begleitet. In diesem Zusammenhang werden entweder die meisten notwendigen Projekte nicht begonnen oder die laufenden Projekte erweisen sich als unzureichend, um derartigen Konflikten entgegenzuwirken.
Ein bedeutender Teil der wissenschaftlichen Studien über den Moscheebau, insbesondere im deutschsprachigen Raum, werden in Forschungseinrichtungen unternommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die derartige Studien finanziell fördert, hat zwischen 2000 und 2002 ein Projekt mit dem Titel „Konflikte um religiöse Symbole: Moscheeleben und Muezzinruf in deutschen Städten“ gefördert. Dieses Projekt wurde an das Institut für interdisziplinäre Konflikte und Gewaltforschung der Universität Bielefeld vergeben und von Dr. Jörg Hüttermann geleitet. Die Studienergebnisse sind 2006 in dem Buch „Das Minarett: Zur politischen Kultur des Konflikts um islamische Symbole“ veröffentlicht worden.
Hüttermann geht in seiner Studie davon aus, dass Konflikte im Zuge des Moscheebaus die Beteiligten zu einer Phase des gegenseitigen Kennenlernens führen. Er behauptet, dass die in Deutschland herrschende Kultur der Meinungsverschiedenheit die Gesellschaft vereinen kann und dass dank dieser Kultur die Menschen mehr Verständnis füreinander entwickeln. Das heißt: Wenn Muslime repräsentative Moscheebauten zu bauen beabsichtigen, wird der Kontakt und Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft unumgänglich. So ergibt sich die Möglichkeit, die mit den Debatten auftauchenden Gegenspieler – jenseits der gängigen Rhetorik – kennenzulernen und Kontakt aufzubauen. Durch das Zusammentreffen der Parteien ergeben sich Möglichkeiten zur Entwicklung der Beziehungen.
In diesem Beitrag liegt der eigentliche Fokus darauf, wie sich gesellschaftlich-politische Debatten über den Bau von Moscheen auf Muslime auswirken. Über den Bauprozess der Amsterdamer Moschee schrieben die Zeitungen im Oktober 2008, dass die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) nicht über die erforderlichen Dokumente verfüge; aus diesem Grund erhielte sie nicht die offizielle Erlaubnis für den Bau der Moschee; der Bau sei illegal begonnen worden. Tatsache ist, dass im Jahre 2006 der niederländische Justizminister Piet Hein Donner sowie der Bürgermeister des Amsterdamer Stadtteils Baarsjes H. Van Waveren an der Feier zur Grundsteinlegung der Moscheen teilnahmen.
Der Justizminister Donner betonte: „Da der Glaube an Gott den Menschen eigen ist, spielt er sowohl im sozialen als auch im gesellschaftlichen Leben eine prägende Rolle. Ein beständiges und ordentliches Leben ohne den Glauben zu führen, ist unmöglich. Daher ist es absurd, die Menschen von ihrem Glauben fernzuhalten. Glaubensfreiheit bedeutet, dass Gläubige die Freiheit besitzen, eigene Gebetsräume errichten zu können. Diese können, ohne einen Unterschied zu machen, sowohl Kirche als auch Moschee oder Tempel sein.“
Zwischen 2006 und 2016 wurden in den niederländischen Zeitungen viele Debatten rund um das Thema „Moschee“ angestoßen. Darunter pädagogische Maßnahmen in der Moschee, Kindesmisshandlung, Berichterstattungen über unzureichende pädagogische Ausbildung von Religionsbeauftragten, Geschlechtertrennung, Radikalisierung durch Moscheeunterricht, Intoleranz bei Kindern gegenüber demokratischen Werten durch Unterweisung in Moscheen sowie dass Kinder in vielen verschiedenen Schulen unterschiedlichen Unterrichtsstrukturen ausgesetzt sind und die Ablehnung dessen. Außerdem zeigten sich in diesem Zeitraum verschiedene [Protest-]Aktionen rechtsextremer Parteien gegen den Bau von Moscheen. Doch all diese Berichterstattungen und Debatten haben nicht dazu geführt, dass Muslime bei ihrem Vorhaben einen Schritt zurückgingen.
Der Moscheebau wurde mit der Unterstützung der Gemeinde fertiggestellt, sodass die Moschee eröffnet wurde. Die Muslime erklärten den Niederländern, dass die herrschende Darstellung von der Moschee nicht korrekt ist. Sie erklärten, daran zu glauben, dass die Amsterdamer Ayasofya-Moschee die Gesellschaft in jedem Fall bereichern wird. Auch wenn die Muslime die Errichtung ihre Wunsch-Moschee durchsetzten, löste dieser äußerst unruhige Prozess in ihnen Gefühle und Gedanken aus. So wurden sie daran gehindert, ihre Religion frei auszuleben und dass sie dort als Muslime nicht willkommen sind.
Eine weiteres Beispiel ist die Fatih-Moschee in Bremen. Der Bau der Moschee wurde im Jahr 1995 begonnen. Nur 4 Jahre später, also 1999, wurde sie fertiggestellt und eröffnet. Sie besitzt ein 27 Meter hohes Minarett sowie eine Kuppel mit einem Durchmesser von 12 Metern. Insgesamt können fasst über 1.000 Menschen gleichzeitig beten.
Die Bremer Moschee gehört zu den repräsentativen Moscheebauten Deutschlands. Im Gegensatz zu Amsterdam erhielt sie Unterstützung durch Politiker und der Öffentlichkeit. Damals fand in Bremen eine Kampagne unter dem Motto „Das neue Bremen“ statt. Die Fatih-Moschee sollte in diesem Rahmen ihren Platz im neuen Stadtbild Bremens einnehmen. Die Bremer Moscheegemeinde zeigte großes Interesse und Engagement, so wie in Amsterdam auch. Eine gewisse Repräsentation der Moschee war besonders für die neue Generation eine Selbstverständlichkeit. Die Umsetzung eines derartigen Moscheeprojekts in Bremen war aus Sicht der Gemeinde durch das damalige Erneuerungsvorhaben der Stadt Bremen und durch ihren Dialog mit den Politikern möglich.
Architektonisch repräsentative Moscheebauten, die in den vielbegangenen Orten einer Stadt stehen, sind für Muslime in religiöser, architektonischer und sozialer Hinsicht von großer Bedeutung. „Es gibt zwei Aspekte, die erforderlich sind, damit ein Mensch neben seinem Herkunftsland ein anderes Land als Heimat annehmen kann: religiöse Gebetsstätten und Grabstätten. Wir haben hierzulande unsere eigenen Werke geschaffen und drücken damit aus, dass wir Teil dieses Landes sind“. Mit diesem Verständnis sehen sich die Moscheemitglieder in Bremen beheimatet. Auch wenn Muslime an einem Ort in der Minderheit leben, würden sie irgendwann ihrem Lebensraum einen Sinn verleihen wollen. Wenn dieser Wunsch nach Sinnverleihung von Seiten der Bürger und Politiker einer Gesellschaft akzeptiert wird, führt dies dazu, dass die Zugehörigkeit der Muslime zur Gesellschaft, in der sie leben, gestärkt wird.
In Deutschland gibt es über 2600 Moscheegemeinden. Rund 200 Moscheebauten gelten in den Städten und örtlichen Regionen als Konfliktthema. Soziologen sehen den Grund der Politisierung lokaler Debatten in der Entwicklung der Moscheen von unauffälligen Gebäuden in Hinterhöfen und Industriegebieten hin zu zentralen, repräsentativen und beeindruckenden Bauten mit islamischen Symbolen wie etwa Kuppel und Minarett. Beschwerden, bestehende Vorurteile gegenüber Muslimen und die mediale Darstellung tragen nicht zur Beheimatung von Muslimen in Europa bei. Im Gegenteil, dies birgt die Gefahr der Entfremdung und die Tendenz zu Parallelgesellschaft in sich.
Demgegenüber fordern Muslime ihre Rechte ein und zeigen mit ihren positiven Beiträgen, dass sie an ihrem Lebensort beheimatet sind. Auch dies führt in mancherlei Hinsicht zu Konflikten, die wiederum den Weg zum Dialog öffnet. An dieser Stelle tragen die islamischen Religionsgemeinschaften, die am Bau von Moscheen beteiligt sind, im gesamten Bauprozess eine große Verantwortung. Diese Religionsgemeinschaften sollten sich vergegenwärtigen, dass sie ernsthafte Verantwortungen haben, wie etwa positive Integrationsimpulse zu entwickeln, eine konfliktfreie Integrationspolitik zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu verfolgen, sowie islamische Symbole, die Europa bereichern, in einen positiven Rahmen zu setzen.
Muslime in Europa haben leider bis heute noch keinen eigenständigen neuen Moscheearchitekturstil entwickeln können. Die gängige Moscheearchitektur stammt nach wie vor aus der Türkei oder anderen muslimischen Ländern. Trotz den in den Bereichen der Wissenschaft, Kunst und Kultur erzielten Fortschritten wird es heute immer noch bevorzugt, dass die in Europa errichteten Moscheen, Merkmale der traditionellen Moscheearchitektur aus den Migrationsländern aufweisen.