In Andalusien lebten Muslime, Christen und Juden gemeinsam. Welchen architektonischen Stil Moscheen in dieser Zeit hatten und wie er sich in den Kirchen widerspiegelt, erklärt die Kunsthistorikerin Dr. Fatma Yıldız.
Die Geschichte der Muslime begann auf der Iberischen Halbinsel im Jahre 711, als Târik bin Ziyâd und sein Heer die Straße von Gibraltar überquerten. Die islamische Herrschaft auf spanischem Boden bestand über 800 Jahre, bis andalusische Muslime 1502 endgültig aus Spanien vertrieben wurden. Muslime hatten sich von Nordspanien bis Südfrankreich niedergelassen und rasch die Stadtzentren des ehemaligen Westgotenreiches (418-711) besiedelt. Sie übernahmen zunächst die vorgefundenen Kirchen aus der westgotischen und römischen Zeit, bauten sie zu Moscheen um und nutzten sie als Gebetsstätte. Die ersten islamischen Bauten entstanden etwa 70 bis 80 Jahre nach den Eroberungen.
Auf der Iberischen Halbinsel, die einen bedeutenden Platz in der Weltkunstgeschichte einnimmt, entstand eine – im Vergleich zu islamischen und europäischen Gebieten – andere Zivilisation. Andalusische Moscheen sind sozusagen die verbleibenden Spuren des kulturellen Erbes dieser Zivilisation. Was uns heute an Moscheen in Spanien in Erinnerung bleibt, sind vielleicht nur die Große Moschee von Cordoba, die Moschee von Alhambra, die Bâb-al-Mardum-Moschee in Toledo sowie die Große Moschee von Sevilla.
Und doch würden wir nicht übertreiben, wenn wir sagen, dass es in Spanien weitere 1 000 Moscheen gibt. Historische Dokumente der Europäer aus dem 17. Jahrhundert sowie schriftliche Quellen von Muslimen liefern uns zahlreiche Informationen über Moscheen in Spanien. Archäologische Untersuchungen, die in Anlehnung an diese schriftlichen Quellen unternommen wurden, bestätigen die Daten im Hinblick auf die islamischen Sakralbauten im städtischen und ländlichen Raum aus der islamischen andalusischen Zeit. Es wird gesagt, dass es im heutigen Sevilla, das in der Vergangenheit über 500 Jahre vielen islamischen Emiraten und Stämmen als Hauptstadt diente, neben der bekannten Großen Moschee, viele Ortsmoscheen, andere, als „Rabita“ bekannte Bauten und weitere 100 islamische Sakralbauten gab. [1]
In Granada, dem damaligen andalusischen Verwaltungssitz der letzten muslimischen Nasri-Dynastie, gibt es schätzungsweise mehr als 200 Moscheen. [2] Die historischen Dokumente des al-Himyari liefern über die muslimischen Gebetsstätte in Cordoba eine Zahl von 491. [3] Moscheen waren nicht nur in Großstädten zu finden. Auch in vielen von Muslimen besiedelten kleineren Städten wie Toledo, Malaga, Jaén, Écija, Medina-Sidonia sowie Murcia und Zaragoza hat es Moscheen gegeben.
Die Tradition der maurisch-islamischen Moscheearchitektur hat einen einzigartigen Stil und unterscheidet sich deutlich von den Moscheen der Osmanen und überhaupt des Nahen Ostens. Muslime, die die Tradition der Umayyaden-Moscheen in Damaskus aus Syrien [nach Spanien] trugen und in Spanien auf die architektonischen Elemente der Römer und Westgoten trafen, brachten eine neue architektonische Stilrichtung hervor, die sie aus beiden Traditionen schöpften.
Die maurisch-islamischen Moscheen zeigen Ähnlichkeiten mit den Moscheen Nordafrikas aus der Zeit der Almohaden. Grundsätzlich wurden derartige Moscheen als Rechteck gestaltet; Der Gebetsplatz bestand aus Pfeilerhallen, die durch Säulen mit Hufeisenbogen getrennt und gestützt waren. Sie hatten eine Holzüberdachung. Im Bereich des Mihrab befand sich eine gerippte Kuppel. Fast jede Moschee bestand aus einem von Arkaden umschlossenen Innenhof und einem Wasserbrunnen. In den großen Moscheen waren außerdem Mechanismen zur Wasserversorgung und für Abwasser- und Schmutzabfällen sowie Wassertanks eingerichtet. Zudem gab es in den Moscheeinnenhöfen besondere Systeme, mit denen Myrtenbäume bewässert wurden. Die Moscheen waren in der Regel mit Fayencereliefs und -gips versehen. Die Holztüren und Fensterahmen wurden mit einander berührenden Polygonen verziert, die das Gefühl von Unendlichkeit vermitteln.
Im Hinblick auf die Ornamentik wurde der in Damaskus übliche Stil der Umayyaden fortgeführt: Wie in der Großen Moschee von Cordoba zu sehen ist, sind die Wände bzw. Säulen und des Mihrab insgesamt mit eingelegtem Elfenbein, Goldverzierungen, Pflanzenmotiven und geometrischen Mustern sowie arabischer Kalligraphie versehen.
Obwohl Hunderte in Spanien errichtete Moscheen in historischen Dokumenten Erwähnung finden, sind bis heute nur einige wenige Bauten erhalten. Nach der Rückeroberung Spaniens durch die Christen wurden diese Moscheen in Kirchen umgebaut. Christen gestalteten, die bis zum Ende des 16. Jahrhunderts neu errichteten Kirchen unter islamischem Einfluss. Diese Tatsache erschwert es, Bauten als Moscheen zu identifizieren bzw. festzustellen, ob der ursprünglichen Struktur des Sakralbaues eine Moschee zugrunde liegt. Dennoch gibt es bestimmte Bauwerke, von denen man weiß, dass sie ursprünglich eine Moschee waren.
Es ist nicht verwunderlich, dass historische Kirchen in Spanien eine islamische Vergangenheit haben. Die Bewunderung der Christen für die andalusischen Moscheen sorgte interessanterweise dafür, dass die umgebauten Moscheen nicht stark beschädigt und keine fundamentalen Veränderungen an den Bauten unternommen wurden.
Eine der zur Kirche umgebauten Moscheen ist die 829 in Sevilla errichtete Ibn-Abbâs-Moschee. Über 350 Jahre lang diente sie der muslimischen Gemeinschaft. Heute wird sie als die Salvador-Kirche (Colegio del Salvador) genutzt. Von der Moschee sind noch ein Teil des Minarettkörpers, einige Säulen sowie Säulenaufsätze erhalten. Diese Spuren [der ehemaligen Ibn-Abbâs-Moschee] können heute noch an der Kirche besichtigt werden. Das ehemalige Minarett erhielt ein Glockenturm. Wie bereits angesprochen, wurde auch die Große Moschee von Sevilla zu einer Kathedrale umgestaltet.
Die ehemalige Murâbitûn-Moschee (11. Jahrhundert) in Granada wurde ebenfalls in eine Kirche umgebaut. Heute steht dort die San José-Kirche. Das Minarett dieser ehemaligen Moschee ist original erhalten. Auch bei der ehemaligen Ibn-Ta’ibin-Moschee (12. Jahrhundert), heute bekannt als San Juan de los Reyes, ist das ursprüngliche Minarett erhalten. Die Bayyazin-Moschee (13. Jahrhundert), heute San Salvador, hat ihre originalen Säulengänge bis heute getragen. Die ehemalige al-Madrasa-Yusufiyya (1349) zählt mit ihrem Haupteingangstor zu den Bauten, die in Granada als Moscheereste gelten. Darüber hinaus sind neben der Kathedrale von Toledo folgende christliche Sakralbauten auf dem Fundament einer ehemaligen Moschee errichtet worden: El Cristo de la Luz, El Salvador San Andrés, San Sebastián, Santas Justa y Rufina sowie San Ginés, Santa Eulalia, San Turcuato, La Seo in Zaragoza, Santa Maria del Castillo in Badajoz und Huelva’da Mezquita de Almonaster la Real.
In Spanien überrascht der Einfluss der maurisch-islamischen Kunst auf christlichen Sakralbauten, etwa Klöster, Kirchen und Kapellen aus den 12.-16. Jahrhunderten. Diese Bauten wurden im Auftrag der spanischen Könige bewusst und gewollt von muslimischen Baumeistern gebaut. Es ist also nicht die Rede von ehemaligen islamischen Bauten, die in Kirchen umgebaut wurden. Sondern vielmehr von Kirchen, die zu christlichen Zeit auf neuem Fundament errichtet wurden. Fast jedes Königreich Spaniens, mit der Ausnahme Valencias, nutzte bei der Gestaltung von Kirchen islamische Elemente aus der Moscheearchitektur. In der Kunstgeschichte werden derartige Kirchen, die mit Elementen aus der islamischen Sakralarchitektur errichtet wurden, Mudéjar-Kirchen genannt.
Die für andalusische Moscheen typische architektonische Bautechnik, Bauplanung sowie Innen- und Außengestaltung, Gipsreliefs, Fayence-Mosaiken und Holzdach-Systeme der Kündekari-Technik wie auch ineinander greifende geometrische Muster, die mit feinen Details verzierten Lampen und vor allem auch die Minarett-Typen haben in neu errichteten Kirchen und Klöstern ihren Platz gefunden. Die Tatsache, dass Moscheen zu Kirchen umgewandelt wurden, wird die Untersuchungen der Forscher im Hinblick darauf erschweren, ob andalusische Kirchen auf dem Fundament ehemaliger Moscheen oder unter islamischem Einfluss bzw. mit islamischen Elementen gebaut wurden.
Es liegen mehrere Gründe vor, warum Elemente aus der islamischen Kunst in christlichen Sakralbauten vorkommen. Einer dieser Gründe ist, dass Christen zum ersten Mal in Moscheen Gipsrelief-Ornamenten, Fayence- und Ziegel-Mosaiken sowie arabischen Kalligraphie-Verzierungen begegneten, die ihnen bis dahin in Europa fremd waren. Das typische Brunnen-Systeme aus der Moscheearchitektur und die Nutzung von Wasser, die eine Notwendigkeit für den Gottesdienst in einer Moschee darstellt sowie die dadurch entwickelten Infrastruktur-Systeme stellten für die Christen eine Form der Bequemlichkeit dar. Dies kann also als einer der Gründe für das Interesse an der Moscheearchitektur und der islamischen Kunst betrachtet werden.
Ein weiterer Grund für islamische und andalusische Elemente in Kirchen liegt darin, dass die Spanier nach der Reconquista von dem Wissen und der Erfahrung von Muslimen profitierten. Muslime, die bis dahin Einheimische waren, hatten nach der Reconquista den Status einer Minderheit. Ihre Kenntnisse in den Bereichen der Technik, Kunst und ihre Vorstellungen schlugen sich in den von ihnen gebauten Kirchen nieder. Damit spiegelten die von den (ohne jegliche Gegenleistung beschäftigten) Arbeitskräften gebauten Kirchen, mit ihren Glockentürmen, architektonischen Planungstypen und Dekoration, die typische andalusische Moscheearchitektur der maurisch-islamischen Zeit wider.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Einflüsse des Islams sich in Andalusien so sehr verbreiteten, dass bei der christlichen Bevölkerung eine Entfremdung in der Wahrnehmung und in der optischen auftrat. Im Laufe der Zeit wurden andalusische Moscheen als kulturelles Erbe Spaniens angenommen und nicht als Bauten betrachtet, die die Religion eines anderen darstellt. Somit nahm die islamische Architektur ihren Platz in den Kirchen ein. Ein eindeutiger Beweis dafür ist, dass sich spanische Ureinwohner nach der Entdeckung Amerikas im 16. Jahrhundert durch Columbus in Südamerika und Mexiko niederließen und sich später der maurisch-islamische Einfluss auch in den Kirchen dieser Gebiete zeigten.
Fußnoten
[1] A. Jiménez Martín, “Mezquitas de Sevilla”, El último Siglo de la Sevilla Islámica, 1147-1248, s. 149-160. Sevilla, s. 152.
[2] L. Torres Balbas, “La mezquita mayor de Granada”, in: Al AndalusX (1945), 409-432.
[3] Al-Himyarī. La Péninsule ibérique au Moyen-Âge d’après Kitāb ar-rawyd al-mi‘tātr fī Habar al-Aktār d’Ibn al-Mun’im al-Himyaīi (Editör y çeviri E. Lévi-Provençal). Leiden, 1938, 317.
[4] A. Jiménez Martín, “Mezquitas de Sevilla”, El último Siglo de la Sevilla Islámica, 1147-1248, s. 149-160. Sevilla.
[5] Gamal Abdel-Karim, Terminología geográfico-administrativa e historia político-cultural de Al-Andalus en el “Mu‟yam al-buldan de yaqut”, (Sevilla : Universidad Hispalense, 1972), 63. S. 27-28. Anmerkung; 19, 12, 13 ve 14. Anmerkung