Im Osten haben die Parolen der AfD verfangen. Zumindest bei weit über 20 Prozent der Menschen, die in Sachsen und Brandenburg zur Wahl gegangen sind.
In Brandenburg hat die AfD ihr Ergebnis im Vergleich zur Landtagswahl vor fünf Jahren fast verdoppelt. In Sachsen, wo die AfD 2014 knapp unter zehn Prozent lag, zeigt die Kurve sogar noch steiler nach oben. So hat sie in Sachsen ihr bislang stärkstes Ergebnis bei einer Landtagswahl errungen.
Doch wenn sie ehrlich sind – gehofft hatten die Wahlkämpfer der AfD eigentlich auf mehr. Ihr inoffizielles Ziel, stärkste Kraft in mindestens einem Bundesland zu werden, haben sie verfehlt. Das wäre „das Sahnehäubchen“ gewesen, räumt der Brandenburger Landeschef und Spitzenkandidat Andreas Kalbitz ein.
Dass die AfD-Torte nun ohne dieses „Sahnehäubchen“ auskommen muss, mag an den Anstrengungen der Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD) liegen. Die hatten angesichts der guten Umfrage-Werte für die AfD in den letzten Wahlkampf-Wochen noch einmal richtig Gas gegeben. Es könnte aber auch – vor allem in Brandenburg – mit dem klar rechten Profil des AfD-Landesverbandes zusammenhängen. „Ganz rechts gibt es keine Mehrheiten, die gibt es nur in der konservativen Mitte“, räsoniert ein Mitglied des Bundesvorstandes, das damit an diesem Jubel-Abend aber nicht zitiert werden mag.
Parteichef Alexander Gauland gibt am Wahlabend die Parole aus: „Es gibt nur eine AfD – und die hält zusammen.“ Er sagt: „Der Kampf geht heute erst los.“ Gauland will, dass seine Partei als „große bürgerliche Oppositionspartei“ wahrgenommen wird. Doch was ist mit den Radikalen und schrägen Vögeln, die in vielen Landesverbänden immer wieder für Schlagzeilen sorgen? Gauland appelliert an seine Parteikollegen, sich auch „im Siegestaumel ganz vernünftig zu benehmen, so wie es eine bürgerliche Partei tut“.
Die Spitze der Sachsen-AfD hatte im Wahlkampf weniger auf Protest gesetzt als die Landesverbände in Brandenburg und Thüringen, wo Ende Oktober gewählt wird. Anstatt sich mit Slogans wie „Vollende die Wende“ und „Wir sind das Volk“ vor allem als Ventil für Unzufriedenheit anzubieten, bemühten sich der sächsische Spitzenkandidat Jörg Urban und seine Mitstreiter um ein heimatverbundenes, bürgerliches Image. War das vielleicht die bessere Kampagne, erklärt das auch das bessere Ergebnis? „Nein“, sagt Höcke auf der Wahlparty in Werder. In Sachsen, wo Pegida und andere „Bürgerbewegungen“ den Boden bereitet hätten, seien die Startbedingungen einfach besser gewesen. Das Wahlergebnis in Brandenburg findet er „sensationell“.
Einer Regierungsbeteiligung ist die AfD an diesem Abend nicht näher gekommen. Es ist ihr aber gelungen, den anderen Parteien im Osten ein enges Korsett anzulegen, in dem das Regieren nicht mehr so viel Freude macht. Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, fasst das Dilemma der anderen zusammen: „Ohne uns braucht es Dreier- oder Viererbündnisse, um eine Regierung ohne die AfD zu bilden.“
Die massiven Stimmengewinne für die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg sind nach Einschätzung der Amadeu-Antonio-Stiftung ein Alarmsignal. „Ein erheblicher Teil der Menschen in den ostdeutschen Bundesländern hat zu wenig Vertrauen in das politische System“, erklärte Geschäftsführer Timo Reinfrank. „Das Demokratiemisstrauen vieler Menschen hat in der AfD eine parteipolitische Heimat gefunden. Die Rechtsradikalen werden nicht trotz, sondern wegen ihrer demokratiefeindlichen Positionen gewählt.“
Der Wahlsonntag werde der AfD neuen Aufwind verleihen und stärke den „rechtsextremen Flügel der Partei“, meinte Reinfrank. „Die demokratischen Parteien haben zu lange versäumt, sich mit den Umbrüchen nach der Wende auseinanderzusetzen und entschlossen für demokratische Kultur zu werben“, fügte er hinzu. (dpa, iQ)