Kein Kopftuch, keine Kippa, kein Kreuz. Das Berliner Neutralitätsgesetz hatte zuletzt immer wieder für Debatten gesorgt. Nun liegt ein Gutachten vor.
Mit einem neuen Rechtsgutachten zum Berliner Neutralitätsgesetz will die Senatsbildungsverwaltung ihre Position im anstehenden „Kopftuch-Prozess“ gegen eine muslimische Lehrerin vor dem Bundesarbeitsgericht stärken. Das Gesetz verstoße „weder gegen das Grundgesetz noch gegen Normen des Rechts der Europäischen Union noch gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“, erklärte der Verfasser der Studie, der Gießener Rechtswissenschaftler Wolfgang Bock, am Donnerstag in Berlin.
Bei der Vorstellung der 122-seitigen Studie erklärte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zur Begründung ihres Auftrags zu dem Gutachten, das Land Berlin wolle „für künftige Prozesse rechtlich auf der sicheren Seite sein“. Bock betonte, das im Gesetz festgeschriebene „Verbot religiös ausdrucksstarker Kleidung wie des islamischen Kopftuchs“ einer Lehrerin sei „rechtmäßig und verhältnismäßig“. Das Neutralitätsgesetz verbietet Grundschullehrern und anderen staatlichen Bediensteten, bei der Arbeit sichtbare religiöse oder weltanschauliche Symbole und Kleidungsstücke zu tragen.
Das Land Berlin musste in mehreren Fällen durch Gerichtsbeschluss Schadensersatz an abgelehnte Lehramtsbewerberinnen zahlen, die nur mit Kopftuch unterrichten wollten. In einem der Fälle ging das Land beim Bundesarbeitsgericht in Revision, wie die Prozessbevollmächtigte der Bildungsverwaltung bestätigte. Im kommenden Jahr sei mit mehreren Verhandlungen zu rechnen
In seinem Gutachten vertritt Bock die Auffassung, ein Kopftuch fördere „unabhängig von den Motiven seiner Trägerin“ die aus einer „islamischen Religionskultur“ entstehenden Konflikte an der Schule. Unter Berufung auf internationale Studien gibt er an, dass 40 bis 60 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime durch eine Kultur geprägt seien, die eine Unterordnung der Frau propagiere. Nach ihrer Religionskultur müssten sie dafür auch in ihrem sozialen Umfeld eintreten. Davon seien auch die mehr als 25 Prozent muslimischen Schüler in Berlin beeinflusst.
Das Neutralitätsgesetz sichere das Recht der muslimischen Schülerinnen „auf ungehindertes Lernen und religiöse Selbstbestimmung“, so der Gutachter. Er kritisiert in seiner Studie die „widersprüchliche Rechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts in der Frage. Während dessen Zweiter Senat 2003 ein weitgehendes Verbot religiöser Symbole in Landesgesetzen ermöglicht habe, habe der Erste Senat 2015 das Tragen des islamischen Kopftuchs in der Schule in der Regel gestattet. (KNA, iQ)