DITIB-Jugend

„Wir müssen unsere Abwesenheit mit Herzblut Aufarbeiten“

Die DITIB hat einen neuen Bundesjugendvorstand gewählt. Im IslamiQ-Interview sprechen wir mit dem neuen Vorstand über ihre Arbeitsfelder, die Bedeutung der muslimischen Jugendarbeit und ihrer Beziehung zum ehemaligen Vorstand.

07
09
2019
BDMJ, Der Vorstand der DITIB-Jugend
Der Vorstand der DITIB-Jugend © IslamiQ

IslamiQ: Könnt ihr den BDMJ kurz vorstellen.

Furkan Karaca: Der Bund der Muslimischen Jugend (BDMJ) ist die Jugendorganisation der DITIB also der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion. Bundesweit vertreten wir 15 Landesjugendverbände mit über 850 Jugendgruppen und 100 weitere Vereine. Wir sehen uns als Ansprechpartner und Servicestelle unserer Jugendliche, mit denen wir die hiesige Gesellschaft mitgestalten.

IslamiQ: Und wie sollten sich muslimische Jugendliche für eine bessere Gesellschaft engagieren?

Akın Şimşek: Als junge Muslime sind wir ebenfalls ein Teil der Gesellschaft. Die Probleme, die wir als Gesellschaft haben, sind auch unsere Probleme. So wollen und müssen wir bei der Lösung helfen und unseren Beitrag leisten. Die gesellschaftliche Partizipation junger Muslime ist heutzutage umso wichtiger. Wir beobachten die aktuelle gesellschaftliche Lage mit Sorge. Angefangen von den steigenden islamfeindlichen Übergriffen, den rassistischen Ressentiments bis hin zur akuten Situation unserer Umwelt, etwa im brasilianischen Amazonas. Um alldem entgegenzugwirken engagieren sich junge Muslime aktiv.

Furkan Karaca (22), ist Vorsitzender des BDMJ und studiert Wirtschaftsinformatik im siebten Semester. Seit seinem 17. Lebensjahr engagiert er sich innerhalb der DITIB Jugend. Zudem ist er Vorsitzender des DITIB-Ladesjugendverband in Baden.

Akın Şimşek (22), ist stellv. Vorsitzende des BDMJ studiert Politikwissenschaften/Wirtschaftsrecht im vierten Semester. Durch seine Tätigkeit in der Gemeindearbeit und im Regionalverband hat er viel Erfahrung in der Jugendarbeit sammeln können.

IslamiQ: Wie ihr wisst, wurden 2018 mehr als 800 islamfeindliche Übergriffe registriert. Wie beurteilt ihr das gesellschaftliche Klima für junge Muslime in Deutschland?

Karaca: Wir beobachten diese Tendenzen mit großer Sorge. Die Anzahl der Übergriffe ist sehr stark angestiegen. Junge Menschen werden im Alltag oder auf der Arbeit mit antimuslimischem Rassismus konfrontiert. In naher Zukunft kann dies dazu führen, dass sich junge Muslime nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft sehen, was fatal wäre.

IslamiQ: Welche Rolle spielt hierbei die Zusammenarbeit mit anderen nichtmuslimischen Jugendverbänden?

Şimşek: Insbesondere im Hinblick auf die gesellschaftliche Verantwortung, die wir sowohl als Muslime und auch als Nichtmuslime tragen, ist es wichtig, Gespräche zu führen. Hierbei sind Begegnungen und Kooperationen wichtig. Eine Zusammenarbeit erachten wir daher für sehr wichtig.

IslamiQ: Inwieweit beeinflussen die Schlagzeilen über die DITIB Eure Arbeit?

Karaca: Wir bekommen die Schlagzeilen über die DITIB natürlich zu spüren. Jedoch wissen wir, dass wir uns mit der konstruktiven Kritik auseinandersetzen und diese auch in unserer Arbeit aufarbeiten müssen. Es bringt nichts, diese Schlagzeilen komplett zu ignorieren. Doch wissen wir auch, dass wir uns davon nicht beeinflussen lassen sollten.

IslamiQ: Der Rücktritt des Bundesjugendvorstands ist mittlerweile zwei Jahre her. Warum hat es so lange gedauert, bis ein neuer Vorstand gewählt wurde?

Şimşek: Natürlich hätten die Wahlen direkt nach dem Rücktritt des ehemaligen Vorstands durchgeführt werden können. Jedoch standen in vielen Landesjugendverbänden die Landesdelegiertenkonferenzen bevor. So wurde der Schwerpunkt zunächst auf die Landesverbände gesetzt, damit sich die neuen Landesjugendvorstände untereinander kennenlernen und sich ihren neuen Pflichten in Ruhe annehmen konnten.

IslamiQ: Welche Fehler wurden eurer Meinung nach in der Vergangenheit beim BDMJ gemacht und was muss aufgearbeitet werden?

Karaca: Wir möchten uns nicht anmaßen, darüber zu urteilen, ob etwas richtig oder falsch gemacht wurde. Es ist uns wichtig, den bisherigen Vorständen und Kollegen, die im BDMJ mitgewirkt und gearbeitet haben, für ihre Mühe und Arbeit zu danken. Da es eine Abwesenheit von zwei Jahren gab, ist es umso wichtig diese Zeit aufzuarbeiten und die Arbeit mit Herzblut anzugehen.

IslamiQ: Auf welchen Themenschwerpunkt wollt ihr euch jetzt fokussieren?

Şimşek: Als ein muslimischer Jugendverband ist es natürlich primär wichtig, theologische Inhalte zu vermitteln. Wir möchten uns aber auch mit gesellschaftlichen Themen, wie bspw. Rassismus (antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus,  Antiziganismus und antischwarzer Rassismus), Umweltschutz und Identitätsfragen auseinandersetzen und uns innermuslimischen Diskursen zuwenden. Darüber hinaus möchten wir Lösungsmöglichkeiten für die Probleme junger Muslime im Alltag finden.

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Ich wünsche dem neuen Vorstand der BDMJ alles Gute bei ihrer Arbeit und hoffe, dass ihre Ideale und ihr Engagement nicht von festgefahrenen Bürokraten aus der Türkei in der DITIB-Zentrale abgemurkst werden, was den Grund für den geschlossenen Rücktritt vor zwei Jahren erklärt. Ehrenamtlich Tätige sind schließlich keine Untergebene irgendwelcher ausländischer Bürokraten. Ich hoffe dass die DITIB-Führung das endlich einsieht.
07.09.19
18:06
Brad Lewis sagt:
Leisten muslimische Jugendverbände auch LGBTIQ-Gruppenarbeit um nichtheterosexuellen Menschen emanzipatorisch zu helfen? Gibt es dort auch Platz für nicht heteronormative Weltbilder und Lebensentwürfe auf der Basis universeller Menschenrechte? Oder muß das erst noch erkämpft und juristisch geltend gemacht werden?
08.09.19
0:26
IslamFrei sagt:
Liebe Leserinnen und Leser; Furkan Karaca antwortet: " Junge Menschen werden im Alltag oder auf der Arbeit mit antimuslimischem Rassismus [ '?' IslamFrei ] konfrontiert. " Alle Junge Menschen? oder nur die mit Kopftuch provozieren? Wir erfahren es nicht. [ Unter den Fenomenen Anti Islam und Rassismus beide einzeln und für sich getrennt, kann ich mir gut etwas vorstellen.. Die Kombination Anti Rassistischer Islam oder anders'rum, klingt wie Schweinehund oder Hundeschwein. ] Nun würde ich als NachFrage von Muhammed Suiçmez erwarten: z.B. Andere Sekten, Buddhisten, Mormonen, Jehova Zeugen, etc, wie der Islam im einstelligen % Bereich, kennen keine Konfrontation im Alltag; Was machen wir Muslims falsch ? Auch das erfahren wir nicht. Gute Journalisten Pflegen zu bohren, keine Gefälligkeits- fragen zu stellen. Resümee: Ein fades Interview, mit langweilige Aussagen; zB. " bis hin zur akuten Situation unserer Umwelt, etwa im brasilianischen Amazonas" Ach ja, ich bin natürlich ebenso ein starker Gegner der Brasilianischen Waldbrände und habe ebenso wenig wie der Bund der Muslimischen Jugend, eine blasse Ahnung, wie ich etwas dagegen tun könnte. Brasilianische Steaks habe ich noch nie gegessen, Reicht das? Gruss, IslamFrei
09.09.19
1:20
Emanuel Schaub- sagt:
Ihr Wort Herr Celik in die Ohren den Bürokraten in der Türkei gesprochen wird wohl nicht viel bringen ... Umso mehr hoffe ich auf die hiesigen Ohren (resp.ihre Besitzer) Das mit den unversellen Menschenrechten ,Herr Lewis, wer sollte die festlegen ?! Eine Kommission aus Philosophen,Religionsvertretern, Psychiatern,Polikikern Laien...mit "gsundem Menschen-Verstand"...? Nein objektiv gibt es nirgendwo Recht nur Individuell erlebte ethische Werte ,die vom Erlebenden in normative Forderungungen umgestzt werden. Und bei der immensen Vielfalt von Beeinflussungen durch die obenerwähnten Gruppen bleibt leider nur oft ohnmächtige Inkaufnehmen von Verletzungen der eigenen ! Rechtsüberteugungen! gruss emanuel
09.09.19
13:31
Tom Herford sagt:
Hm, ich weiß nicht. Sie haben sicherlich Recht, wenn Sie sagen, dass sich muslimische Jugendliche engagieren sollen. Denken Sie doch mal an den Sudan, Nordafrika, Somalia, denken Sie an die arabische Halbinsel, die Türkei. SIcherlich können und sollen sie sich dort engagieren - denken Sie nur an ein aktuelles Thema- Plastikmüll. Sie könnten dafür sorgen, dass das Zeug besser entsorgt wird, zum Beispiel in der Türkei. Nein, kein Türkeibashing, weit davon entfernt. Ich denke aber, dass gerade Sie als Muslime vielleicht auch besser mit anderen Muslimen sprechen können als wir Europäer/Westler/Christen - egal. Sicher sollen Sie sich engagieren. Ich verstehe aber nur nicht - ich bin jetzt Deutscher, o.k., ich habe nicht Germanistik, sondern Romanistik und Geschichte studiert. Germanistik wäre für mich ehrlich gesagt langweilig gewesen - das kenne bzw. kannte ich auch damas schon. Deshalb frage ich mich, wieso die Muslime immer irgendeinen Islamkram studieren ALs weltoffener und polyglotter junger Mensch ist man doch "open to the world" oder sehe ich das falsch?
10.09.19
19:29