In Deutschland leben mehr als fünf Millionen Muslime. Wie viele kennen Sie? In dieser IslamiQ-Serie stellen wir querbeet Menschen vor, die eine Gemeinsamkeit teilen: Sie sind Teil der Umma Deutschlands. Heute Reuf Jasarevic.
Reuf Jasarevic ist studierter Ökonom. Gemeinsam mit seiner Ehefrau und Tochter lebt der Unternehmer und Speaker in Düsseldorf. Der 35-jährige Familienvater ist Gründer der Plattform „Erfolgreich und Muslim“. Darin verbindet er seine ökonomische Expertise mit der islamischen Lehre und seinen Kenntnissen aus seinen vielfältigen Erfahrungen aus seinem sozialen Engagement. Sein Ziel ist es jungen Muslimen ein ganzheitliches Konzept der Lebensführung und Persönlichkeitsentwicklung zu bieten. Im Interview lernt ihr ihn kennen: Reuf Jasarevic.
IslamiQ: Sie sind der Gründer und Betreiber von „Erfolgreich und Muslim“? Wie funktioniert das Konzept von „Erfolgreich und Muslim“? Was ist das Ziel Ihrer Arbeit?
Reuf Jasarevic: Erfolgreich & Muslim ist die erste deutschsprachige Plattform für islamische Persönlichkeitsentwicklung. Das Ziel ist es, Muslimen im Alltag, sprich in der Berufs-, Schul- und Uniwelt einen Orientierungsansatz zu bieten, den sie so nicht kennen. Die Inhalte orientieren sich primär an der Lebenspraxis der deutschen Gesellschaft. Somit wird ein ganzheitlicher Lebensansatz verfolgt. Dieser soll die Teilnehmer darin unterstützen religiöse, berufliche, familiäre und private Lebensbereiche bestmöglich miteinander zu verbinden. Und so ein selbstbestimmtes und selbstgestalterisches Leben zu führen.
IslamiQ: Wie ist die Resonanz auf „Erfolgreich und Muslim“, sowohl von Muslimen als auch von Nichtmuslimen?
Jasarevic: Durchweg positiv, bis auf ein paar Kleinigkeiten. Ich habe mit „Erfolgreich und Muslim“ einen Nerv der Zeit getroffen, da viele Muslime eine Hilfestellung und eine Anleitung erhalten, die sie bisher vermisst haben. Sie erhalten Alltagsantworten, wie sie Religion und Alltag unter einen Hut bekommen und zwar in einer einfachen und unterhaltsamen Sprache auf Augenhöhe.
In Bezug auf Nichtmuslime kommt meine Arbeit bisher sehr gut an. Besonders erfreut bin ich darüber, dass ich bei der Entrepreneur University zum Newcomer Speaker des Jahres 2019 nominiert wurde. Für mich bedeutet diese Nominierung sehr viel, da es zeigt, dass Muslime in Deutschland am gemeinschaftlichen Miteinander partizipieren und sich auf verschiedenen Ebenen des gesellschaftlichen Miteinanders einbringen. Zudem ist erfreulich, dass die Entrepreneur University offen für alle Bereiche des Unternehmertums und der Persönlichkeitsentwicklung ist und die Arbeit und Errungenschaften von Personen in den Fokus stellt, unabhängig von Religion, Herkunft oder Geschlecht.
IslamiQ: Bereits in der Vergangenheit haben sie sich für die muslimische Community engagiert. Welche Motivation steckt hinter Ihrem Engagement, welche Ziele verfolgen Sie?
Jasarevic: Meine Motivation ist es, einen Mehrwert für die Gesellschaft, in der ich lebe zu hinterlassen. Ich möchte durch mein Tun etwas bewirken und Menschen helfen, um damit letztendlich das Wohlgefallen Gottes zu erlangen. Mein Bestreben ist letztendlich ziemlich egoistisch, hat aber durchaus positive Nebeneffekte: Ich fühle mich einfach besser, wenn ich anderen Menschen helfen kann. Und die Menschen, denen ich helfe, profitieren ebenso. Somit haben wir eine Win-Win-Situation.
IslamiQ: Welche Hobbys haben Sie und wie gestalten Sie ihre Freizeit am liebsten?
Jasarevic: Ich versuche keine Trennung zwischen sogenannter Freizeit und Arbeitszeit zu haben. Ich sehe meine Arbeit als Teil meines Lebens, denn ich mache das unglaublich gerne und habe nicht das Gefühl zu arbeiten. Wenn ich beispielsweise im Auslandsurlaub bin, habe ich meinen Laptop immer dabei und arbeite an „Erfolgreich und Muslim“.
Darüber hinaus gehe ich unglaublich gerne im Wald spazieren, ich bin super gerne am Meer, treibe gerne Sport, bin mit meiner Familie und Freunden gerne unterwegs.
IslamiQ: Lieblingsbuch? Lieblingsfilm?
Jasarevic: Ich kann nicht ein spezifisches Buch nennen, bei dem ich sage „Das ist das eine Buch oder der eine Film“. Aber um nur eins zu nennen würde ich sagen:
Lieblingsbuch: „Rich Dad, Poor Dad“ von Robert Kiyosaki! Ein Lifechanger.
Lieblingsfilm: Im Kontext meiner Arbeit finde ich „Die Verurteilten“ richtig gut. Ich finde, dieser Film spiegelt sehr gut wieder, wie das Leben mit einem umgeht und wie man selber mit dem Leben und seinen Taten umgehen sollte.
IslamiQ: Was bedeutet Familie für Sie?
Jasarevic: Familie ist ein sicherer Hafen, etwas, dass das Leben lebenswert macht. Familie ist neben dem Individuum der kleinste Baustein einer Gesellschaft und somit unglaublich wichtig.
IslamiQ: Der schönste Moment in Ihrem Berufsleben?
Jasarevic: Es gibt keinen bestimmten Moment, an den ich mich erinnere. Was ich wunderschön finde ist es, zu sehen, dass ich Menschen mit meiner Arbeit berühre, sie inspiriere, zur besten Version ihrer selbst zu werden. Ich finde es unglaublich schön, wenn ich Nachrichten erhalten, in denen Menschen sagen, dass ihnen meine Bücher, Vorträge oder Seminare die Augen geöffnet haben und sie nun bestrebt, motiviert und engagiert sind, mehr aus sich und ihrem Leben zu machen und dabei Religion und Alltag miteinander verbinden.
IslamiQ: Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben?
Jasarevic: Das kommt darauf an, wen man fragt und wie offiziell diese Frage ist. Ich glaube die Beschreibung würde von fleißig, gebildet, ehrlich, gutherzig und hilfsbereit bis hin zu zickig, stur, gutgläubig und naiv reichen.
IslamiQ: Was ist Ihr Lebensmotto?
Jasarevic: Es sind eigentlich zwei, die Hand in Hand gehen.
Damit einhergehend, ein Hadith des Propheten Muhammad (s):
IslamiQ: Können Sie sich an eine Situation erinnern, in der Sie erstmals mit der Identitätsfrage (Islam und Deutschland) konfrontiert waren?
Jasarevic: Als ich noch als Unternehmensberater gearbeitet habe, wurden im Kick Off Meeting mit dem damaligen Kunden, unsere Personaldaten erfasst. Ziel war es uns auf „Al-Kaida Zugehörigkeit“ zu prüfen. So war der Wortlaut.
Mir wurde zuvor gesagt, dass ein derartiges Vorgehen, zuvor noch nie vorkam. Als Hintergrund: Ich war seinerzeit der einzige Mann im Raum, der einen Bart trug. Und das war noch zu einer Zeit, als der Bart für Männer noch nicht modisch war. Das war das erste Mal, wo ich mich wirklich gefragt habe, ob ich in diesem Land eine Zukunft habe.
IslamiQ: Was ist Ihr größtes Ziel in diesem Leben und was tun Sie um dieses Ziel zu erreichen?
Jasarevic: Mein größtes Ziel ist es, ein Unternehmen aufzubauen, das mich unabhängig von Ort und Zeit macht und durch das ich gleichzeitig eine „Sadaka al-dschâriya“ hinterlasse. Ich will also auf unternehmerische Weise etwas aufbauen und hinterlassen, was auch nach meinem Leben nützlich für die Gesellschaft ist, sei es in Form von Wissen, einer Schule, einem Brunnen, einer Moschee etc.
IslamiQ: Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Für sich selbst, für Ihre Familie, für alle Muslime in Deutschland?
Jasarevic: Für mich und meine Familie wünsche ich mir, dass wir ein harmonisches, zufriedenes und erfülltes Leben führen. Für alle Muslime wünsche ich mir, dass wir es schaffen, eine Identität deutscher Muslime zu schaffen und ein voll anerkannter Teil dieser Gesellschaft werden. Eine Gesellschaft, die in Harmonie, Frieden und Toleranz lebt und wo jedem die gleichen Chancen in Aussicht gestellt werden.
IslamiQ: Was muss passieren, damit Muslime hier als selbstverständlicher Teil Deutschlands angesehen werden?
Jasarevic: Ich glaube da muss so einiges geschehen, seitens der Politik, der Gesellschaft aber insbesondere auch durch uns Muslime selbst. Ich denke man sollte in seinem persönlichen Wirkungskreis anfangen, nämlich bei sich selbst. Um als selbstverständlicher Teil angesehen zu werden muss man durch Integrität überzeugen. Sprich mann muss seine inneren und äußeren Werte in Einklang bringen und diese für sich als selbstverständlich sehen und auch leben.
Wir müssen unsere religiösen Praktiken, sei es das Gebet, das Fasten oder das Spenden als Mehrwert für das alltägliche Leben erkennen und demnach handeln. Und zwar nicht nur für sich selber als Individuum, sondern in Interaktion mit der Mehrheitsgesellschaft. Denn nur so wird man in der Gesellschaft sichtbar. Durch die positive Sichtbarkeit in der Gesellschaft kann man ein Teil der Gesellschaft werden, denn was unsichtbar ist, bleibt unsichtbar und erweckt Ängste. Wenn man es geschafft hat, positiv sichtbar zu werden oder gar ein Teil der Gesellschaft zu sein, kann man Brücken bauen, die verbinden.