Ist die Neutralität der Justiz beeinträchtigt, wenn Beamte und Beschäftigte im Gericht ein Kopftuch, eine Kippa oder ein Kreuz tragen? Die NRW-Regierung will öffentlich keine religiösen Symbole am Justizpersonal sehen.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant ein rigoroses Verbot religiös geprägter Kleidung und Symbole für das gesamte Justizpersonal bei öffentlichen Terminen. Im Entwurf für ein „Justizneutralitätsgesetz“ heißt es, Beamte und Beschäftigte sollten etwa bei Verhandlungen weder Kopftuch noch Kippa oder sichtbare christliche Kreuze tragen. Es dürfe „nicht der geringste Anschein von Voreingenommenheit erweckt werden“.
Am Mittwoch erörtern Sachverständige den Entwurf im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags. In schriftlichen Stellungnahmen äußern sowohl Rechtswissenschaftler als auch die beiden christlichen Kirchen bereits erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dem Vorhaben der schwarz-gelben Koalition.
Die Novelle greife durch das Verbot, Kleidung zu tragen, die mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung verbunden werde, „erheblich in das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein“, stellen das Katholische und das Evangelische Büro NRW in einer gemeinsamen Stellungnahme fest. „Faktisch würde das geplante Gesetz insbesondere kopftuchtragende muslimische Frauen betreffen.“
Staatsrechtler Hinnerk Wißmann von der Universität Münster stellt unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht fest, dass „so im Grunde Berufsverbote verhängt werden“. Aus seiner Sicht steht fest, „dass die religionsskeptischen und integrationsfeindlichen Kosten des Vorhabens den möglichen Nutzen überwiegen: Der Bürgerschaft wie auch der Richterschaft ist die Einsicht zuzumuten, dass in den Reihen der Justiz Menschen mit erkennbar religiöser Identität vertreten sind“.
Das sieht die Landesregierung anders. Die geplanten Verhaltenspflichten, die – von haupt- und ehrenamtlichen Richtern und Staatsanwälten über Referendare und Protokollführer bis hin zu Wachtmeistern – jeden binden sollen, seien verhältnismäßig, heißt es in der Gesetzesbegründung. „Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich.“
Gelten sollen die Vorschriften sowohl für mündliche und für Hauptverhandlungen als auch für Verkündungs-, Orts-, Erörterungs- oder Beweistermine. „Symbolhafter Ertrag und grundrechtliche Kosten stehen in keinem angemessenen Verhältnis“, urteilt Wißmann. Schließlich werde der Großteil der Rechtsfindung nicht öffentlich, sondern am Schreibtisch und ohne Robe erarbeitet.
„Recht sprechen kann man auch mit Kopftuch, Kippa oder Kreuz“, bilanziert der Staatsrechtsprofessor. „Die notwendige Qualitätssicherung der Justiz zielt auf das, was im Kopf steckt, nicht auf das, was ihn umhüllt.“
Mit seiner Ausdehnung auf alle Justizbeschäftigten gehe der Gesetzentwurf im Ländervergleich besonders weit und übertreffe sogar die bayerischen Regelungen. Ebenso wie der Berliner Rechtswissenschaftler Ulrich Battis und die Kirchen weist Wißmann auf die Risiken der verfassungsrechtlich hochumstrittenen und noch ungeklärten Lage hin.
Der Gesetzentwurf sieht auch vor, das für Richter und Beamte bereits geltende Gesichtsverhüllungsverbot bei dienstlichen Tätigkeiten auf alle Justizbeschäftigten auszuweiten. Das begrüßen die christlichen Kirchen uneingeschränkt: Seinem Gegenüber ins Gesicht schauen zu können, sei „unerlässlich für einen offenen und vertrauensvollen Umgang“ und das „uneingeschränkte Funktionieren der Justiz“. (dpa/iQ)