Religiöse Symbole

NRW-Justiz: Kopftuch, Kippa und Kreuz im Gericht?

Ist die Neutralität der Justiz beeinträchtigt, wenn Beamte und Beschäftigte im Gericht ein Kopftuch, eine Kippa oder ein Kreuz tragen? Die NRW-Regierung will öffentlich keine religiösen Symbole am Justizpersonal sehen.

01
10
2019
Gerichtsurteil Pflegefamilie, Schülerin
Symbolbild: Urteil, Schülerin © Shutterstock, bearbeitet by iQ

Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant ein rigoroses Verbot religiös geprägter Kleidung und Symbole für das gesamte Justizpersonal bei öffentlichen Terminen. Im Entwurf für ein „Justizneutralitätsgesetz“ heißt es, Beamte und Beschäftigte sollten etwa bei Verhandlungen weder Kopftuch noch Kippa oder sichtbare christliche Kreuze tragen. Es dürfe „nicht der geringste Anschein von Voreingenommenheit erweckt werden“.

Am Mittwoch erörtern Sachverständige den Entwurf im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags. In schriftlichen Stellungnahmen äußern sowohl Rechtswissenschaftler als auch die beiden christlichen Kirchen bereits erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dem Vorhaben der schwarz-gelben Koalition.

Gesetz betrifft insbesondere Frauen mit Kopftuch

Die Novelle greife durch das Verbot, Kleidung zu tragen, die mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung verbunden werde, „erheblich in das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein“, stellen das Katholische und das Evangelische Büro NRW in einer gemeinsamen Stellungnahme fest. „Faktisch würde das geplante Gesetz insbesondere kopftuchtragende muslimische Frauen betreffen.“

Staatsrechtler Hinnerk Wißmann von der Universität Münster stellt unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht fest, dass „so im Grunde Berufsverbote verhängt werden“. Aus seiner Sicht steht fest, „dass die religionsskeptischen und integrationsfeindlichen Kosten des Vorhabens den möglichen Nutzen überwiegen: Der Bürgerschaft wie auch der Richterschaft ist die Einsicht zuzumuten, dass in den Reihen der Justiz Menschen mit erkennbar religiöser Identität vertreten sind“.

Das sieht die Landesregierung anders. Die geplanten Verhaltenspflichten, die – von haupt- und ehrenamtlichen Richtern und Staatsanwälten über Referendare und Protokollführer bis hin zu Wachtmeistern – jeden binden sollen, seien verhältnismäßig, heißt es in der Gesetzesbegründung. „Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich.“

Gelten sollen die Vorschriften sowohl für mündliche und für Hauptverhandlungen als auch für Verkündungs-, Orts-, Erörterungs- oder Beweistermine. „Symbolhafter Ertrag und grundrechtliche Kosten stehen in keinem angemessenen Verhältnis“, urteilt Wißmann. Schließlich werde der Großteil der Rechtsfindung nicht öffentlich, sondern am Schreibtisch und ohne Robe erarbeitet.

„Recht sprechen kann man auch mit Kopftuch, Kippa oder Kreuz“

„Recht sprechen kann man auch mit Kopftuch, Kippa oder Kreuz“, bilanziert der Staatsrechtsprofessor. „Die notwendige Qualitätssicherung der Justiz zielt auf das, was im Kopf steckt, nicht auf das, was ihn umhüllt.“

Mit seiner Ausdehnung auf alle Justizbeschäftigten gehe der Gesetzentwurf im Ländervergleich besonders weit und übertreffe sogar die bayerischen Regelungen. Ebenso wie der Berliner Rechtswissenschaftler Ulrich Battis und die Kirchen weist Wißmann auf die Risiken der verfassungsrechtlich hochumstrittenen und noch ungeklärten Lage hin.

Der Gesetzentwurf sieht auch vor, das für Richter und Beamte bereits geltende Gesichtsverhüllungsverbot bei dienstlichen Tätigkeiten auf alle Justizbeschäftigten auszuweiten. Das begrüßen die christlichen Kirchen uneingeschränkt: Seinem Gegenüber ins Gesicht schauen zu können, sei „unerlässlich für einen offenen und vertrauensvollen Umgang“ und das „uneingeschränkte Funktionieren der Justiz“. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Ethiker sagt:
Anstatt klar und deutlich zu sagen, dass man Muslime nicht in der Judikative und Exekutive haben möchte, vertuscht man das Berufsverbot mit einer verlogenen Scheinneutralität. Die Vertuschungstechniken, der NRW- Justiz, sind ein Nährboden oder die Bestätigung von Faschismus, der sich aktuell in der Politischen Landschaft mehr und mehr offen zeigt. Es darf auch nicht vergessen werden, dass das Personal und ihre Ideen vor 1945 mehrheitlich in die Judikative, Exekutive und Legislative der BRD übernommen worden sind. Da wundert es nicht, dass jene Ideen auch zum Vorschein kommen müssen, bestenfalls, wenn gefühlt die faschistische Zeit und ihre Ideen lange vorbei sind oder auch dann, wenn der letzte Zeuge des Verbrechens seine Stimme nicht erheben kann.
01.10.19
13:18
Kritika sagt:
L.S. Personen mit Allah, Koran und vor allem Scharia im Kopf sind nicht geeignet, bei uns Recht zu sprechen. Also nur Kopftuchlose Richter, Schöffen, Anwälte. Propagandasymbolen für eine unfreie, Gottes-und Muftidiktatur, gehören nicht im Gerichtssaal. Jeder im Gerichtssaal wird wohl die kurze Zeit des Prozesses ohne Kopftuch auskommen können. Auch ein Kreutz gehört da nicht an der Wand. Gruss, Kritika
01.10.19
15:50
IslamFrei sagt:
Liebe Leser, „Recht sprechen kann man auch mit Kopftuch, Kippa oder Kreuz“, bilanziert der Staatsrechtsprofessor. „Die notwendige Qualitätssicherung der Justiz zielt auf das, was im Kopf steckt, nicht auf das, was ihn umhüllt.“ OK, verstehe, Herr Professor,: nicht in was ihn (der Kopf ) umhüllt. Und wenn ihn nun ein Küchensieb umhüllt? kann der Kopf dann auch noch Recht sprechen? Das Küchensieb drückt Sinn für Unsinn aus. Das Kopftuch drückt Sinn für eine menschenverachtende Allah- und Muftidiktatur aus. Was halten Sie für bedrohlicher für unsere freiheitliche Demokratie? Sinn für Unsinn oder Sinn für Menschenverachtung? Herr Professor? IslamFrei
01.10.19
16:16
Brad Lewis sagt:
Das Justizpersonal ist Personal der Justiz und kein Religionspersonal, kein Koran-Scharia-Personal, kein Mohammed-Personal, kein Klosterpersonal, kein Synagogenpersonal, kein Moschee-Personal, kein Klerus-Personal und kein Imam-Personal. Das europäische Justizwesen agiert souverän, autonom - den allg. Menschenrechten verpflichtet - ohne Gängelungsabläufe durch konkurierende Religionsfanatiker mit konstruierten Welterklärungs-Fantasie-Modellen, die der Allgemeinheit zwanghaft manipulierend gesetzlich aufgedrückt werden sollen. Die Aufklärung muß wiederbelebt und machtvoll zu Ende geführt werden. Gott kann sich selber helfen. Er braucht keine religiösen Kleingeister, Polit-Eiferer und selbsternannte Vertreter mit Fantasien im Kopf oder vernebelnden Kopfverhüllungen.
02.10.19
14:56
Johannes Disch sagt:
@Ethiker (01.10.19, 13:18) Auf den Punkt gebracht. Und der Staatsrechtler liegt richtig. Wieso sollte man mit Kreuz, Kippa oder Kopftuch nicht Recht sprechen können?? Die Symbole sind individueller Ausdruck des Glaubens der Träger. Entscheidend ist, dass die Menschen, die in der Justiz tätig sind, das Recht im Sinne unserer Rechts-und Werteordnung anwenden. .
03.10.19
12:22
Ute Fabel sagt:
@ Ehtiker: "Anstatt klar und deutlich zu sagen, dass man Muslime nicht in der Judikative und Exekutive haben möchte, vertuscht man das Berufsverbot mit einer verlogenen Scheinneutralität." Kopftücher sind nicht angewachsen. Es ist dieser verbohrte, geschlechtsspezifische Bekleidungsdogmatismus, den es zu bekämpfen gilt. Er ist der Karrierekiller und das optische Neutralitätsgebot für das Justizpersonal.
03.10.19
12:55
Ethiker sagt:
Also doch, der Glaube und die Weltanschauung der Muslime ist das eigentliche Problem und damit der Muslim selbst. Das nicht existieren lassen von diversen Weltanschauungen in Form von Teilhabe in einer Zivilgesellschaft ohne gewichtigen Grund, ist intrinsisch extremistisch und radikal. Auch bereiten sie den Nährboden für extremes Verhalten und Reaktionen vor. Beides muss im Sinne der Ausgewogenheit und des friedlichen Miteinanders abgelehnt werden. Wenn man das nicht will und durch solche Entwürfe verdeckt zeigt, müsste man das ehrlicher kommunizieren und deutlich bekannt geben
03.10.19
13:09
Förster Mannes sagt:
Sollte auch als nächstes die Zugehörigkeit von Richtern, Rechtsanwälten, Staatsanwaltschaft usw. zur Christlich Sozialen/Demokratischen Union verboten werden können? Dürfen Russlanddautsche am Gericht arbeiten? Wie steht es mit Menschen und einem Irokesenschnitt bzw. einer Augenklappe? Sollte man nicht besser darüber diskutieren, weshalb Parteien mit nachweislich verfassungsfeindlichen Inhalten und Bestrebungen in den Kommunen, im Bundestag sowie Europäischen Parlament beschäftigt werden dürfen? Diese Willkürlichkeit sorgt doch erst recht für Politikverdrossenheit und lässt zudem an die Autorität der Behörden zweifeln.
03.10.19
14:26
Johannes Disch sagt:
Absolute Neutralität gibt es nicht. Auch unsere Rechtsordnung basiert auf Werten, die einer Weltanschauung entsprechen, nämlich einer freiheitlich-liberalen. Entscheidend ist, dass Menschen, die bei der Justiz arbeiten, diese Werte teilen und unsere Gesetze richtig anwenden. Das kann man auch mit Kreuz, Kippa oder Kopftuch.
03.10.19
18:59
grege sagt:
Auch hier zeigt sich mal wieder der infantile Trotz eines Vorredners, der offenbar ihm nicht genehme Entscheidungen und Urteile eines demokratischen Rechtsstaates partout als Vorwand nimmt, gegen die hiesige Justiz zu wettern. Offenbar ist der dejenige zu frustriert über die wenig rechtsstaatlichen Verhältnisse in den muslimischen Staaten, das er einen Hauklotz benötigt. Wenn es Balsam für seine Seele ist, kann er gerne die bemitleidenswerte Meckerziege spielen. KOmmen wir zum eigentlichenTThema: Gerade eine Justiz hat die Aufgabe, für rechsstaatliche Verhältnisse zu sorgen. Deren Garant ist die Unbefangenheit, Neutralität und Objektivität der hier handelnden Personen. Diesen Stellenwert lässt sich auch daran, dass die Personen eine bestimmte Kleidung tragen müssen. So ist es konsequent und angebracht, dass sich alle auch an diese Kleiderordnung halten unabhängig von Religion und Herkunft, schließlich sollen ja auch alle vor dem Gesetz gleich behandelt werden.
03.10.19
19:31
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