Die politischen Ereignisse in der Türkei werden auch in Deutschland immer präsenter. Dies führt zu Konflikten zwischen türkeischstämmigen und kurdischstämmigen Menschen in Deutschland. Wir fragen unsere Leser was sie von der ganzen Debatte halten.
Die politischen Ereignisse in der Türkei beeinflussen auch türkeistämmige Menschen in Deutschland. Vor allem, dass im Umkreis von islamischen Religionsgemeinschaften für den Erfolg der türkischen Armee gebetet wird, ist Thema des Streits.
Medienberichten zufolge wurde in Moscheegemeinden der Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in Deutschland für einen Sieg der türkischen Militäroperation gebetet. Daraufhin mussten die Religionsgemeinschaften viel Kritik einstecken.
Eine Sprecherin der DITIB-Bundeszentrale in Köln, erklärte auf Anfrage , dass es solche Gebete nicht gegeben habe. Das könnten viele Besucher bestätigen. In einer Stellungnahme der DITIB heißt es weiter: „Eine solche Aktion ist von uns weder angewiesen, noch geplant oder in irgendeiner Weise auf unserer Tagesordnung. Ein entsprechender Hinweis bezüglich unserer Haltung ist auch an unsere Moschee-Gemeinden ergangen“, so die DITIB.
Auch die IGMG stellt klar: „Bei dem Bittgebet handelt es sich um ein Friedensgebet. Die IGMG ist eine Religionsgemeinschaft mit überwiegend türkeistämmigen Mitgliedern, die Freunde und Verwandte in der Türkei haben oder sogar Menschen kennen, die aktuell ihren Militärdienst leisten, mithin sehr besorgt sind“, erklärte die Presseabteilung der IGMG. Das Bittgebet sei vor diesem Hintergrund zu bewerten.
„Wir sollten nicht nur diejenigen Menschen in das Zentrum unserer Betrachtung rücken, die sich für den Krieg aussprechen, salutieren und die Geschäfte der jeweils anderen Seite plündern. Vielmehr sollten wir die Stimmen derjenigen stärken, die sich für ein friedliches Zusammenleben engagieren“, erklärt Prof. Dr. Karim Fereidooni im Interview zu „Heimaten und Zugehörigkeiten“. Das Bedürfnis einiger Jugendlicher, ihre Zugehörigkeit zu ihren Heimaten in nationalistischer Art und Weise zum Ausdruck zu bringen findet man nicht nur bei jungen Menschen mit türkischem oder kurdischem familiären Bezug, sondern auch bei Jugendlichen, die keinen familiären Bezug zum Ausland aufweisen, so Fereidooni.
„Die Imame sollten sich nicht für einen Krieg instrumentalisieren lassen, sondern Stellung beziehen für Frieden.“ Sie sollten sich ganz klar gegen kriegerische Auseinandersetzungen positionieren und friedvolle Rollenvorbilder für ihre Gemeindemitglieder sein.
Niemand in Deutschland habe das Recht die Heimatvorstellungen anderer Personen abzuwerten. „Wir sollten die Pluralität unserer Gesellschaft als etwas Wertvolles betrachten und die Wissensschätze unterschiedlicher Menschen als Vorteil begreifen“, erklärt Fereidooni abschließend.
IslamiQ hat seine Leser gefragt, was sie von der Debatte halten und wie sie den Einfluss auf die Türkeistämmigen in Deutschland beurteilen. Hier sind einige Antworten:
„Nicht ich habe es ausgesucht, in Deutschland geboren zu werden. Ich habe zwei Heimaten und fühle mich dementsprechend auch mit der Türkei verbunden. Ich habe zwei Sichtweisen, weil ich zwei Heimaten habe. Emotional gebunden bin ich mit meinen türkischen Wurzel. Warum, dass kann ich nicht genau sagen. Vielleicht, weil meine Kultur und der islamische Konsens dort liegen.“
„Es ist übertrieben, wie Menschen oder auch teilweise Religionsgemeinschaften ihre Zugehörigkeit so provokativ demonstrieren. Es wird nur von einer Seite geschaut.“
„Man darf über die Identität andere Menschen nicht diskutieren. Wenn Menschen in Deutschland sich eher türkisch fühlen, dann ist es die Sache der einzelnen Person. Dies gehört zur Freiheit der Person.“
„Man kann sich zu einem Land zugehörig fühlen. Aber man sollte es nicht so demonstrieren, wie es in diesem Fall ist. Dies führt nur zu Spaltung und Streit.“
„Ich denke, ein Gebet für das Wohlbefinden der Menschen ist nicht verkehrt. Es geht nicht um den Krieg, sondern es geht darum, dass Menschen sterben. Und beide Seiten sind betroffen. Den Krieg kann man nicht schön reden. Aber mit unseren Gebeten können wir den Menschen beistehen.“
„Ich finde, dass die Reaktion der Medien und der Gesellschaft genau richtig ist. Sie zeigen, was an der Grenze passiert und wie sich einige Überzeugungen hier in Deutschland aufspielen. Heimatgefühle sollten andere nicht verletzen oder ausgrenzen.“
„Warum ist es so wichtig, über die Politik in den Gemeinden zu sprechen? Das führt doch nur zu Spaltung und Hetze. Islamische Religionsgemeinden sollten aber versöhnend und vereinend agieren. Und die Politik ist das Gegenteil davon.“