Türkei-Syrien

„Heimatgefühle sollten andere nicht verletzen“

Die politischen Ereignisse in der Türkei werden auch in Deutschland immer präsenter. Dies führt zu Konflikten zwischen türkeischstämmigen und kurdischstämmigen Menschen in Deutschland. Wir fragen unsere Leser was sie von der ganzen Debatte halten.

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2019
Identität, Heimat
Wo oder was ist Heimat? © shutterstock

Die politischen Ereignisse in der Türkei beeinflussen auch türkeistämmige Menschen in Deutschland. Vor allem, dass im Umkreis von islamischen Religionsgemeinschaften für den Erfolg der türkischen Armee gebetet wird, ist Thema des Streits.

Medienberichten zufolge wurde in Moscheegemeinden der Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in Deutschland für einen Sieg der türkischen Militäroperation gebetet. Daraufhin mussten die Religionsgemeinschaften viel Kritik einstecken.

„Solche Gebete hat es bei uns nicht gegeben“

Eine Sprecherin der DITIB-Bundeszentrale in Köln, erklärte auf Anfrage , dass es solche Gebete nicht gegeben habe. Das könnten viele Besucher bestätigen. In einer Stellungnahme der DITIB heißt es weiter: „Eine solche Aktion ist von uns weder angewiesen, noch geplant oder in irgendeiner Weise auf unserer Tagesordnung. Ein entsprechender Hinweis bezüglich unserer Haltung ist auch an unsere Moschee-Gemeinden ergangen“, so die DITIB.

Auch die IGMG stellt klar: „Bei dem Bittgebet handelt es sich um ein Friedensgebet. Die IGMG ist eine Religionsgemeinschaft mit überwiegend türkeistämmigen Mitgliedern, die Freunde und Verwandte in der Türkei haben oder sogar Menschen kennen, die aktuell ihren Militärdienst leisten, mithin sehr besorgt sind“, erklärte die Presseabteilung der IGMG. Das Bittgebet sei vor diesem Hintergrund zu bewerten.

„Menschen haben mehrere Heimaten“

„Wir sollten nicht nur diejenigen Menschen in das Zentrum unserer Betrachtung rücken, die sich für den Krieg aussprechen, salutieren und die Geschäfte der jeweils anderen Seite plündern. Vielmehr sollten wir die Stimmen derjenigen stärken, die sich für ein friedliches Zusammenleben engagieren“, erklärt Prof. Dr. Karim Fereidooni im Interview zu „Heimaten und Zugehörigkeiten“. Das Bedürfnis einiger Jugendlicher, ihre Zugehörigkeit zu ihren Heimaten in nationalistischer Art und Weise zum Ausdruck zu bringen findet man nicht nur bei jungen Menschen mit türkischem oder kurdischem familiären Bezug, sondern auch bei Jugendlichen, die keinen familiären Bezug zum Ausland aufweisen, so Fereidooni.

„Die Imame sollten sich nicht für einen Krieg instrumentalisieren lassen, sondern Stellung beziehen für Frieden.“ Sie sollten sich ganz klar gegen kriegerische Auseinandersetzungen positionieren und friedvolle Rollenvorbilder für ihre Gemeindemitglieder sein.  

Niemand in Deutschland habe das Recht die Heimatvorstellungen anderer Personen abzuwerten. „Wir sollten die Pluralität unserer Gesellschaft als etwas Wertvolles betrachten und die Wissensschätze unterschiedlicher Menschen als Vorteil begreifen“, erklärt Fereidooni abschließend.

„Es führt zu Spaltung und Streit“

IslamiQ hat seine Leser gefragt, was sie von der Debatte halten und wie sie den Einfluss auf die Türkeistämmigen in Deutschland beurteilen. Hier sind einige Antworten:

„Nicht ich habe es ausgesucht, in Deutschland geboren zu werden. Ich habe zwei Heimaten und fühle mich dementsprechend auch mit der Türkei verbunden. Ich habe zwei Sichtweisen, weil ich zwei Heimaten habe. Emotional gebunden bin ich mit meinen türkischen Wurzel. Warum, dass kann ich nicht genau sagen. Vielleicht, weil meine Kultur und der islamische Konsens dort liegen.“

„Es ist übertrieben, wie Menschen oder auch teilweise Religionsgemeinschaften ihre Zugehörigkeit so provokativ demonstrieren. Es wird nur von einer Seite geschaut.“

„Man darf über die Identität andere Menschen nicht diskutieren. Wenn Menschen in Deutschland sich eher türkisch fühlen, dann ist es die Sache der einzelnen Person. Dies gehört zur Freiheit der Person.“

„Man kann sich zu einem Land zugehörig fühlen. Aber man sollte es nicht so demonstrieren, wie es in diesem Fall ist. Dies führt nur zu Spaltung und Streit.“

„Ich denke, ein Gebet für das Wohlbefinden der Menschen ist nicht verkehrt. Es geht nicht um den Krieg, sondern es geht darum, dass Menschen sterben. Und beide Seiten sind betroffen. Den Krieg kann man nicht schön reden. Aber mit unseren Gebeten können wir den Menschen beistehen.“

„Ich finde, dass die Reaktion der Medien und der Gesellschaft genau richtig ist. Sie zeigen, was an der Grenze passiert und wie sich einige Überzeugungen hier in Deutschland aufspielen. Heimatgefühle sollten andere nicht verletzen oder ausgrenzen.“

„Warum ist es so wichtig, über die Politik in den Gemeinden zu sprechen? Das führt doch nur zu Spaltung und Hetze. Islamische Religionsgemeinden sollten aber versöhnend und vereinend agieren. Und die Politik ist das Gegenteil davon.“

 

Leserkommentare

Noemi sagt:
Meiner Empfindung nach, steht bei einigen und das sowohl auf türkischer als auch kurdischer Seite, der Nationalismus im Vordergrund. Nichts darf hinterfragt oder kritisiert werden. Steht man nicht zur türkischen Regierung, ist man kein guter Türke. Dieser Nationalstolz steht dem Frieden zwischen Türken und Kurden im Wege. Und es wird von Generation zu Generation weiter getragen, sehr traurig.
22.10.19
19:21
Johannes Disch sagt:
Es geht hier nicht um Heimatgefühle. Es geht um einen völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Nordsyrien!
23.10.19
0:25
Dilaver Çelik sagt:
Wer für Soldaten in einem Militäreinsatz beten will, der soll das gerne tun. Dabei ist es irrelevant, ob ein Militäreinsatz richtig oder falsch ist. Jedoch ist es nicht in Ordnung, solche Gebete in sozialen Netzwerken an die große Glocke zu hängen, so dass sie von jedermann einsehbar und damit Futter für Feinde sind, welche auf der Lauer sitzen, um gegen Moscheen und Muslime zu hetzen. Kurden und Türken gehen übrigens in dieselbe Moschee und beten Schulter an Schulter in denselben Reihen. Es sind nationalistische Ideologien auf beiden Seiten, die das Problem sind und nicht die ethnische Zugehörigkeit. Muslime sind Geschwister, egal welcher Ethnie sie sind. Darüber hinaus stammen alle Menschen von Adam und Eva ab. Insofern sind alle Menschen einander Geschwister im menschlichen Sinne.
23.10.19
17:01
grege sagt:
In unserem Nachbarort Herne ist in der dortigen Moschee folgende Parole während des Gebetes ausgerufen worden: "O Allah, führe unsere glorreiche Armee zum Sieg“ Solche kriegshetzenden Äußerungen, die eigentlich in Gotteshäusern widerwärtig sind, zeigen den moralischen Verfall bestimmter muslimischer Communites. Solche Aussagen als Ausdruck von Heimatgefühlen zu deuten oder gar als Friedensgebete umzudeuten, ist geradezu abenteuerlich.
27.10.19
12:40
Johannes Disch sagt:
@Noemi (22.10.18, 19:21) Ich bin ganz ihrer Meinung. Sie bringen die Dinge prima auf den Punkt.
30.10.19
14:09
Johannes Disch sagt:
@Heute Abend ZDF 00:45: -- "Erdogan und die AKP - Wie sich die Türkei verändert" (45 Minuten). Ein Film von Halil Gülbeyaz und Osman Okkan. Ist bereits in der ZDF-Mediathek abrufbar und steht dort auch noch eine Weile. Von wegen "Heimatgefühle"...
30.10.19
16:25
Ethiker sagt:
grege, bei den ganzen Lügen die grege sonst in diesem Islamforum als Islamfeind postet, muss man auf die Gefahr der Lügen von grege deutlich aufmerksam machen. grege ist ein Provokateur, der Pseudo Debatten anstiftet, um seine krude Ansichten zu verbreiten oder um etwas über die Community zu erfahren. Das grege als Islamfeind hier weiter munter posten kann, demonstriert die Offenheit und Toleranz der Zeitung. Ob das wirkt? Sehr fraglich, denn Islamfeinde arbeiten mit einen Erlösungsmythos. Grege ist durch seine islamfeindlich Haltung per se intolerant. Das grege dann noch über Moral redet ist abscheulich. Seine Heimat ist Islamhass und damit Menschenfeindlichkeit. Die Antwort auf Islamfeind grege muss heißen. Ich wünsche grege Frieden !
30.10.19
19:20
Johannes Disch sagt:
@Ethiker (30.10.19. 19:20) "grege" weißt zu Recht auf gewisse Dinge hin, die bedenklich sind. So zum Beispiel, dass in vielen Moscheen Erdogans völkerrechtswidriger Einmarsch in Nordsyrien verherrlicht wird. Das macht ihn noch lange nicht zum Islamfeind. Ach, dass DITIB-Moscheen politisch instrumentalisiert werden, ist übrigens nicht das erste Mal. 2015-- beim Gedenken an die Schlacht von Galipoli-- marschierten Kindersoldaten mit Spielzeuggewehren auf dem Rücken durch DITIB-Moscheen. Und die politische Instrumentalisierung macht inzwischen auch vor dem Fußballplatz nicht mehr halt. Da salutieren die türkischen Nationalspieler militärisch nach den EM-Qualifikationsspielen gegen Albanien und in Frankreich. Was die Türkei "auszeichnet", das ist ein inzwischen schon ins krankhafte übersteigerter Nationalismus. Das hat nichts mehr zu tun mit einem gesunden Patriotismus. Und dieser übersteigerte Nationalismus wird von Erdogan durch die DITIB in die türkische Community auch nach Deutschland importiert und spaltet hier inzwischen ganze Familien. Ah, "grege" traut sich auch noch, über das Thema "Moral" zu sprechen... Was erlauben "grege!" *lol* Nein, die Moral ist natürlich ganz allein Ihnen, "Ethiker" vorbehalten. Selbstgefälliger geht es wirklich kaum noch.
31.10.19
14:19
Ehtiker sagt:
Disch sie haben gar nicht bemerkt wie grege immer ihnen wohlwollend gegenüber versucht seine krude Weltsicht unterzujubeln. Als Feind gilt vorerst der Muslim Natürlich profitiert grege auch von seinen peinlichen Angriffen, um dann qua selbsterfüllenden Prophezeihung sein dürftiges Schwarz-Weiß Denken bestätigt zu sehen. Das ist ein beliebtes Mittel von Extremisten. Da sie Disch ,ein leichtes Opfer sind, sich mit islamfeindlichen Jargon gemein machen und hierbei hier schon länger posten, wirft das unweigerlich viele Fragen auf. Zudem legen sie Diskutanten wörtliche Zitate in den Mund, und konstruieren entgegen der Tatsachen teilweise eigene Strohmänner. Disch, ganz einfach, wer sich mit Islamfeinden gemein macht, ist Teil des diskursiven Problems.
01.11.19
10:50
Johannes Disch sagt:
@Türkei Was Syrien betrifft, da hat die Türkei jahrelange nicht gerade eine rühmliche Rolle gespielt. Erdogan setzte lange auf den Sturz Assads. Die Grenze zwischen der Türkei und Syrien war offen wie ein Scheunentor und viele "Gotteskrieger" des IS-- auch aus Europa, gelangten über die Türkei nach Syrien. Bei der Betrachtung der Türkei sollte aber immer auch nicht der historische Blickwinkel. Die Türkei ist trotz aller Probleme nach wie vor das modernste und westlichste Land der islamischen Welt. Atatürk hat das Land praktisch im Hauruck-Verfahren in die Moderne katapultiert. Seine Leistung ist zur Recht mit dem Prädikat "historisch" zu versehen und seine Verehrung bei den Türken ist nicht übertrieben, sondern seiner historischen Leistung angemessen. Gleichzeitig gab es aber auch schon sehr früh Gegenwind für den Kemalismus. Erdogan und die AKP sind nicht vom Himmel gefallen. Die "islamische Rückbesinnung" begann lange vor Erdogan und der AKP. Sie begann schon in den fünfziger Jahren durch den ersten frei gewählten türkischen MP Adnan Menderes. Der Konflikt zwischen Säkularisten/Kemalisten und Islamisch-Konservativen und Islamisten zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Türkei. Man hat den Eindruck, Erdogan glaubt, er könne die Türkei positionieren als unabhängige Mittelmacht oder gar Großmacht, die zwischen dem Westen und dem Osten; zwischen USA/EU und Russland quasi changiert. Damit dürfte er sich übernehmen. Ökonomisch ist die Türkei nach wie vor nicht mehr als ein Schwellenland und hängt am Tropf der EU. Erdogan sollte sich vielleicht einen Satz von Atatürk an die Wand hängen: -- "Es gibt keinen Gegensatz zwischen Okzident und Orient, sondern nur einen zwischen Fortschritt und Rückschritt." Für Atatürk lag die Zukunft der Türkei in der Orientierung Richtung Westen. Und da liegt sie auch nach wie vor. Jetzt muss das nur noch Erdogan einsehen....
01.11.19
14:37
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