In Frankreich überschlagen sich die Ereignisse um den Islam. Macron scheint machtlos gegen die Spaltung der Bevölkerung.
Mitte September forderte ein Abgeordneter der rechtsnationalen Partei Rassemblement National, dass eine muslimische Mutter, die eine Schulklasse begleitet, ihr Kopftuch abzunehmen habe. Am Montag nun verletzte ein 84-jähriger Anhänger des Rassemblement National zwei Menschen vor einer Moschee im südfranzösischen Bayonne, die er anzünden wollte.
Im Spannungsfeld zwischen Populismus, Islamfeindlichkeit und der Trennung von Staat und Kirche scheint die Debatte um den Islam zum gesellschaftlichen Pulverfass zu werden. Staatspräsident Emmanuel Macron tat am Dienstag alles, um wieder Herr der Diskussion zu werden. Am Montagabend traf er sich mit dem Französischen Islamrat (CFCM). Auf der Agenda standen das Kopftuch und weitere Maßnahmen.
Künftig soll demnach ein Gremium Unbedenklichkeitszertifikate für Imame ausstellen. Wenn Inhalte ihrer Reden aber französischen Gesetzen widersprechen, soll dieses Zertifikat entzogen werden können.
Macron tut sich mit dem Thema Islam schwer. Zu Beginn seiner Amtszeit 2017 hatte er einen „großen Diskurs“ zur Trennung von Staat und Religion angekündigt; den hat es bislang nicht gegeben. Anfangs stürzte sich der Präsident enthusiastisch auf das Thema. Er traf Religionsvertreter, nahm an Themenveranstaltungen teil und wollte dem Verhältnis von Staat und Kirche neue Nuancen geben. Laizismus sollte, so der Präsident, „inklusiver“ werden.
Sichtbare religiöse Symbole sorgen seit Jahren für heftige Debatten im Land. Zur Freibadsaison wird über den Burkini gestritten. Zurzeit sorgt das Kopftuch für eine hitzige Debatte. Für Schüler ist es schon seit 2004 verboten. Sollte es dann nicht auch für muslimische Mütter untersagt sein, die als Begleitpersonen bei Schülerausflügen mitfahren? Ja, finden rechte Abgeordnete.
Im Senat brachte nun ein Abgeordneter der Republikaner einen entsprechenden Gesetzesvorschlag ein. Bildungsminister Jean-Michel Blanquer, der zuvor noch erklärt hatte, das Tragen eines Kopftuchs sei „in unserer Gesellschaft nicht erwünscht“, bezeichnete die Eingabe aber nun als „kontraproduktiv“. Man erreiche damit nicht das Ziel, die Familien enger an die Schulen zu binden.
In einer jüngsten Umfrage des Ifop-Instituts für das „Le Journal du Dimanche“ wünscht sich die Mehrheit der Befragten ein weitergehendes Verbot religiöser Zeichen in der Öffentlichkeit. 78 Prozent der Befragten sehen das französische Modell der Trennung von Kirche und Staat „in Gefahr“.
Der Politologe Philippe Portier sprach in der Zeitung „La Croix“ von eine „schwierigen“ Polarisierung der Gesellschaft zwischen Säkularen und Religionsangehörigen. Frankreich sei kein Land mit „homogener“, größtenteils „katholisch-laizistischer“ Bevölkerung mehr.
Diese gesellschaftliche Vielfalt stellt das französische System von vor mehr als 100 Jahren vor neue Herausforderungen. Macron befürchtet eine Stigmatisierung muslimischer Franzosen und ruft zu Einheit ein – doch die Bevölkerung erwartet mehr von ihm. Mit seiner emotionalen Ansprache konnte er vor zwei Jahren noch punkten. Inzwischen wird er an dem gemessen, was er erreicht hat. (KNA/iQ)