Die CDU fordert ein Kopftuchverbot für Schülerinnen. Fraglich ist, ob das Kopftuch für Schülerinnen in Deutschland überhaupt verboten werden darf?
Die CDU-Spitze hat sich vor ihrem Parteitag gegen das Tragen eines Kopftuchs bei Mädchen an Grundschulen und Kitas ausgesprochen. Man setze vor allem auf die Überzeugung der Eltern, schließe aber „als letztmögliche Maßnahme auch ein Verbot nicht aus“, heißt es in einer Beschlussempfehlung der Antragskommission für den Parteitag in Leipzig am Freitag und Samstag. „Das Tragen des Kopftuchs macht aus den kleinen Kindern schon erkennbar Außenseiter, etwa auf dem Spielplatz oder auf dem Schulhof. Dies wollen wir in jedem Fall verhindern“, heißt es. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ (Dienstag) darüber berichtet.
Die Kandidatin für den SPD-Vorsitz, Saskia Esken, fand am Dienstag kritische Worte für die Debatte. „Ich begegne derzeit wesentlich weniger Eltern, die sich an Kopftüchern stören als vielmehr am Mangel an ErzieherInnen und Lehrkräften. Ist denn schon wieder CDU-Parteitag?“, schrieb die Politikerin bei Twitter. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, sprach sich für eine eingehende Prüfung eines möglichen Verbots aus. Das Kopftuch wirke im Jugendalter integrationshemmend, würde Mädchen unfreiwillig sexualisieren und ihre selbstbestimmte Entscheidung gefährden, erklärte er.
Nach Ansicht mehrerer Staatsrechtler könnte es allerdings verfassungswidrig sein. „Ob das Tragen eines Kopftuchs Nachteile für Kinder mit sich bringt, bewerten und entscheiden nach der Verfassung die Eltern und nicht der Staat“, sagte Joachim Wieland von der Universität Speyer dem „Handelsblatt“. Der Staat dürfe nicht ohne überwiegende Gemeinwohlgründe in das Recht auf religiöse Kindererziehung eingreifen.
Hans Michael Heinig, Professor für Staatskirchenrecht an der Universität Göttingen, sagte der Zeitung: „Ein pauschales Verbot religiöser Bekleidung in öffentlichen Schulen wäre sicherlich verfassungswidrig. Und auch für eine Regelung nur für Grundschulen und Kitas sehe ich keinen Raum.“
Wie viele Mädchen genau betroffen wären, ist zudem unklar. Islamische Religionsgemeinschaften hatten die Debatte im Sommer kritisiert. Es handele sich um Fälle im „Promillebereich“. Zudem wiesen sie darauf hin, dass die religiöse Pflicht für das Tragen eines Kopftuchs erst „ab der religiösen Mündigkeit, also ab der Pubertät“ gelte.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein solches Kopftuchverbot diskutiert wird. Der Tübinger Verfassungsrechtler Martin Nettesheim kam im August dieses Jahres in einem Gutachten für die Organisation Terre des Femmes zu dem Ergebnis, das ein Verbot, ähnlich wie in Österreich, auch in Deutschland rechtlich möglich wäre. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags erklärte 2017 dagegen, dass das verfassungsrechtlich „wohl nicht zulässig“ wäre. Er bezog sich dabei auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Lehrerinnen mit Kopftuch.
Die Debatte über ein Kopftuchverbot war in Deutschland neu entbrannt, nachdem Österreichs Parlament Mitte Mai ein solches Verbot an Grundschulen beschlossen hatte. Die Bundesregierung unter Sebastian Kurz hatte ein Kopftuchverbot für Kinder im Kindergarten und in der Volksschule auf den Weg gebracht. Durch eine Änderung des Schulunterrichtsgesetzes, die auf einen Antrag von Abgeordneten der ÖVP-FPÖ-Koalition zurückgeht, legt fest, dass für Kinder bis zu ihrem 11. Geburtstag in der Schule keine Verhüllung des Hauptes aus weltanschaulichen und religiösen Gründen erlaubt ist. Die jüdische Kippa und die Patka der Sikhs waren von diesem Verbot explizit nicht umfasst.
Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) Ümit Vural hatte sich nach dem beschlossenen Gesetzt zu der Kopftuch-Debatte geäußerte. „Das Kopftuchverbot an Volksschulen führt erst zu Segregation und Diskriminierung von muslimischen Mädchen. Und dass es beim beschlossenen Verbot nicht um das Kindeswohl geht, wie von der Regierung vorgebracht, sehen wir daran, dass die FPÖ noch während der Plenarsitzung nach einem Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen gerufen hat“, so Vural. (dpa/iQ)