In Osnabrück soll ein Islamkolleg für eine bundesweite Imamausbildung entstehen. Während muslimische Vertreter ihre Bedenken äußern, scheint die staatliche Förderung nicht ganz festgelegt worden zu sein.
„Die Bundesregierung will künftig Imame in Deutschland ausbilden. Nach Informationen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ist ein bundesweites Pilotprojekt am Donnerstag in Osnabrück angelaufen. Zusammen mit der Universität Osnabrück soll ein sogenanntes „Islamkolleg“ gegründet werden.
Das Bundesinnenministerium (BMI) erklärte laut Zeitung, dass das geplante Islamkolleg in engem Kontakt mit Uni und islamischen Religionsgemeinschaften stehe- „auch mit Blick auf eine angefragte mögliche Unterstützung des Modellvorhabens im Rahmen der Projektförderung“. Dem widersprach die niedersächsische Landesregierung. „Bei dem Projekt handelt es sich nicht um ein Projekt in der Verantwortung der Universität Osnabrück oder des Instituts für Islamische Theologie“, erklärte die Pressestelle des Land Niedersachsens auf Anfrage von IslamiQ. Auch die Universität Osnabrück hatte zuvor erklärt, dass das „Islamkolleg“ eigenständig sei und nicht in der Verantwortung der Uni oder des Instituts für Islamische Theologie liegen werde.
Die Ausbildung religiösen Personals ist rechtlich gesehen Sache der Religionsgemeinschaften. Auch wenn die Pressestelle des BMI gegenüber IslamiQ betonte, dass es keine staatliche „Imamausbildungsregelung“ geben werde, sehe es die Bundesregierung als ein bedeutendes integrationspolitisches Thema an, Alternativen zum ausländischen Einfluss auf die Ausbildung und das Wirken des religiösen Personals in den muslimischen Gemeinden in Deutschland zu entwickeln.
Außerdem gehe es bei dem neuen Projekt um „die Klärung und die Erprobung von Wegen, auf denen Staat und religiöse Gemeinschaften im Hinblick auf eine verstärkte Ausbildung in Deutschland kooperieren und vorankommen können“. Aus Sicht des BMI sei es wichtig, auf dem Weg zu einem „Islam der deutschen Muslime“ nun weiter voranzukommen und dabei die daran interessierten Akteure einzubinden, so die Pressestelle.
Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler, begrüßt die Vereinsgründung und das geplante Vorhaben. „Es ist ein mutiger und konsequenter Schritt in die richtige Richtung. Die Gründung des Instituts für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück hat den Grundstein für eine islamische Religionslehre in Niedersachsen gelegt. Der Verein plant, dort anzuschließen, wo das Studium aufhört. Er möchte Theologinnen und Theologen auch auf die seelsorgerische Seite ihrer Arbeit in den Moscheen vorbereiten.“
Dabei sei sich die Landesregierung bewusst, dass es in Verantwortung insbesondere der größeren islamischen Religionsgemeinschaften bereits Ausbildungsangebote gibt. Solche Angebote spiegelten die Pluralität der islamischen Strömungen wieder und würden von Seiten der Landesregierung in keiner Weise infrage gestellt.
Die Grünen begrüßen das Projekt. „Das ist ein Paradigmenwechsel in der deutschen Islampolitik“, sagte deren Obfrau im Innenausschuss, Filiz Polat. Die Abgeordnete lobte die „starke Signalwirkung für muslimisches Leben in Deutschland“. Durch die Ausbildung von Imamen würden die Geistlichen finanziell und strukturell unabhängig werden.
Zustimmung kam auch von der FDP. Es handele sich um einen wichtigen Beitrag zur Integration. „Es ist wichtig, eine Ausbildung von Imamen in Deutschland zu etablieren. Das Islamkolleg ist dafür ein guter erster Schritt“, sagte der religionspolitische Sprecher Stefan Ruppert. „Denn wir müssen wissen, woher die Imame stammen, die in unserem Land predigen und wo sie ausgebildet wurden.“
Der Vorsitzender des Islamrats Burhan Kesici begrüßt alle Bemühungen, eine Imamausbildung in Deutschland zu erweitern. „Wir selbst bilden unsere Imame in Deutschland aus. Andere Religionsgemeinschaften tun das ebenfalls bzw. sind dabei, solche Institutionen zu gründen“. Die neue Initiative habe ein anderes Format, die aber nicht ausreichend mit islamischen Religionsgemeinschaften kommuniziert worden sei.
„Es wäre es sinnvoller, dass wenn die Politik die Imamausbildung unterstützen möchte, die von den Gemeinden durchgeführten Ausbildungsprojekte fördert“, erklärt Kesici gegenüber IslamiQ. Ein solcher Ansatz wäre sogar mit der Verfassung vereinbar, aber dieser Weg werde nicht bevorzugt. Stattdessen werde eine neue Struktur geschaffen, die im Gegensatz zur deutschen Verfassung stehe. „Die Imamausbildung ist Sache der islamischen Religionsgemeinschaften. Insofern bestimmen sie selbst ihre Inhalte und Kooperationspartner. Der Staat sollte nicht unterstützend in dieser Form mitmachen“, so Kesici weiter.
Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) kritisiert ebenfalls die Pläne des Bundesinnenministeriums zur Unterstützung und Finanzierung des Islamkollegs. „Die Imam-Ausbildung ist Sache von islamischen Religionsgemeinschaften. Vor diesem Hintergrund sind politisch motivierte Interventionen zur Ausbildung von Imamen erklärungsbedürftig“, erklärt IGMG-Generalsekretär Bekir Altaş in einer Pressemitteilung. Die Imamausbildung sollte frei von äußeren, insbesondere politischen Einflüssen sein und Imame nur den Gemeindemitgliedern, ihrem Glauben und ihrem Gewissen unterworfen sein. „Vor diesem Hintergrund sind politisch motivierte Interventionen und Zahlungen staatlicher Gelder an Initiativen in vermeintlich privater Trägerschaft zur Ausbildung von Imamen erklärungsbedürftig“, so Altaş weiter.
Entlarvend sei für Altaş,dass die Politik wider besseres Wissen betone, die Imamausbildung in Deutschland sei etwas Neues. Tatsache sei, dass in Deutschland bereits Imame ausgebildet werden und, „dass bereits erste in Deutschland ausgebildete Imame in unseren Moscheegemeinden tätig sind – darunter auch Absolventen deutscher Hochschulen“, betont Altaş.
„Es ist nicht Aufgabe des Staates, Imame auszubilden, sondern Aufgabe der Religionsgemeinschaften“, sagte indes der Vorsitzende vom DITIB-Landesverband Niedersachsen und Bremen, Ali Ünlü. Er verwies darauf, dass Imame in der Türkei in ihre Aufgabe hineinwüchsen.
Für den Schura-Vorsitzenden Recep Bilgen sei bemerkenswert, dass der Staat auf Bundes- und Landesebene auf eine beispiellose Weise in das Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften eingreife. „Von den problematischen Zusammensetzungen der Beiräte in den Fakultäten und den zahllosen Modellversuchen für den islamischen Religionsunterricht bis hin zu staatlich angeordneten Gründungen von Stiftungen und Trägervereinen, mischen sich staatliche Stellen immer mehr in die direkten Belange von Muslimen ein und führen das verfassungsmäßig verankerte Prinzip staatlicher Neutralität ad absurdum“, erklärt Bilgen gegenüber IslamiQ.
„Zu dieser Thematik gab es im Vorfeld zahlreiche öffentliche Äußerungen, teilweise über die Köpfe der betroffenen Universitätsdirektoren hinweg“. Man wolle vollendete Tatsachen schaffen und nehme dafür einen Verfassungsbruch in Kauf, so Bilgen abschließend. (KNA/iQ)