Tschechien

Urteil: Schülerin darf im Unterricht Kopftuch tragen

Eine muslimische Schülerin darf während des theoretischen Unterrichts ein Kopftuch tragen. Ein Verbot verfolge kein legitimes Ziel.

07
12
2019
Schülerin Kopftuch, Kopftuchverbot
Symbolfoto: Muslimische Studentin © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Eine muslimische Schülerin darf während des theoretischen Unterrichts an einer Krankenpflegeschule in Tschechien ein Kopftuch tragen. Ein Verbot der religiösen Kopfbedeckung verfolge kein legitimes Ziel, entschied das Oberste Gericht in Brünn (Brno) am Freitag. Der Staat müsse religiösen Pluralismus akzeptieren und tolerieren. 

Die städtische Berufsschule in Prag hatte das Kopftuch aufgrund der Kleiderordnung nicht nur während der praktischen Arbeit als Krankenschwester, sondern auch während des Unterrichts verboten. Die junge Frau entschied sich daraufhin, die Ausbildung nicht weiterzuführen, und verklagte die Berufsschule auf eine Entschuldigung und Schadenersatz.

Verbot nicht mit Sicherheit begründbar

„Von der Verhüllung mit dem Hidschab geht im Theorieunterricht keinerlei gesundheitliches Risiko für Personen im Umfeld oder die Klägerin selbst aus“, erklärten die Richter. Ein Verbot könne auch nicht mit der öffentlichen Sicherheit begründet werden.

Frühere Instanzen hatten die Klage mit dem Argument abgewiesen, die Schule müsse ein neutraler Raum bleiben. Der Fall geht nun zurück ans Amtsgericht. Der Streit zieht sich bereits seit 2013 hin. In Tschechien leben nach Schätzungen nur rund 10 000 bis 15 000 Muslime bei einer Gesamtbevölkerung von mehr als zehn Millionen Menschen. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Kein Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) muss sich von engstirnigen Einzelpersonen vor sich hertreiben lassen, die einen unnachgiebigen Bekleidungsdogmatismus verfolgen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat einem generellen optischen Neutralitätsprinzip bereits mehrfach ein klares menschenrechtliches Gütesiegel erteilt und in den Urteilen Dogru und Kervanci gegen Frankreich Folgendes erkannt: Die Beschwerdeführerinnen sind Musliminnen. Nachdem sie wiederholt erfolglos aufgefordert worden waren, im Turnunterricht ihr Kopftuch abzunehmen, wurden sie aus der Schule ausgeschlossen, weil sie am Turnunterricht nicht aktiv teilgenommen und damit ihre schulischen Verpflichtungen verletzt hätten Für den Gerichtshof ist offensichtlich, dass ein Eingriff in die Religionsfreiheit vorliegt, dieser gesetzlich vorgesehen ist und mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung sowie der Rechte und Freiheiten anderer legitime Anliegen verfolgt. In einer demokratischen Gesellschaft könne es sich für das Zusammenleben als notwendig erweisen, die Religionsfreiheit einzelner Gruppierungen einzuschränken, um die Interessen der verschiedenen Glaubensrichtungen auszugleichen. Die innerstaatlichen Entscheidungsträger würden gerade in derart kontroversen Bereichen über einen erheblichen Entscheidungsspielraum verfügen. Der Eingriff in die Religionsfreiheit sei nicht nur aus Gründen der Sicherheit und der Gesundheit erfolgt. Er treffe alle Schülerinnen und Schüler unterschiedslos und bezwecke generell, die Laizität der staatlichen Schulen aufrechtzuerhalten. Letztere sei in Frankreich genauso wie in der Türkei oder der Schweiz ein zentraler, von breitem Konsens getragener Verfassungswert, dessen Verteidigung vorrangig sei. Es liege keine Verletzung von Art 9 EMRK vor (einstimmig) Analog hat der EGMR in dem Urteil Sahin gegen die Türkei entschieden. Die Abweisung einer kopftuchtragenden Medizinstudentin von der Universität Istanbul sei EMRK-konform.
09.12.19
13:06
m.al-faruqi sagt:
Auch wenn Frau Fabel - wie immer- es gerne mit einander vermischt und pauschalisiert: Laizismus und Säkularismus sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Daraus ergeben sich unterschiedliche Rechtsnormen. In der Türkei haben sich die Verhältnisse Gott sei Dank verändert. Das Urteil zu Sahin stammt übrigens aus dem Jahr 2005. Da wirft Frau Faber also mit ollen Kamellen um sich. Seit 2014 ist das blödsinnige Kopftuchverbot an Universitäten und Schulen in der Türkei null und nichtig. Willkommen in der Moderne!
12.12.19
17:25
m.al-faruqi sagt:
Frankreich bleibt (noch) in seinem dogmatischen Laizismus gefangen. Mittelalterlich und Inquisitorisch!
12.12.19
17:28