Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium verzichtet auf Kopftuchverbot für Mädchen in Grundschulen und Kitas. Ein alternatives Programm werde erarbeitet.
Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium ist von einem Kopftuchverbot für Mädchen in Grundschulen und Kitas abgerückt. „Wir haben uns entschieden, auf ein Verbot zu verzichten und stattdessen gemeinsam mit dem Schulministerium die Aufklärungsarbeit und Elterninformation in Kitas und Grundschulen systematisch zu verbessern“, sagte NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ („WAZ“, Montag). Ein entsprechendes Programm werde gerade erarbeitet.
Das Integrationsministerium hatte vor rund eineinhalb Jahren angekündigt, ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren in Erwägung ziehen zu wollen. Vor dem 14. Geburtstag könnten Mädchen nicht selbstbestimmt entscheiden, ob sie das Kopftuch tragen wollen, hatte Minister Joachim Stamp (FDP) argumentiert. Mit 14 Jahren tritt in Deutschland die Religionsmündigkeit ein. Gegen ein solches Verbot meldeten allerdings von vielen Seiten rechtliche Bedenken an.
Fraglich ist, ob Kopftücher für Schülerinnen überhaupt verboten werden dürften. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in einer Einschätzung von 2017 zu dem Ergebnis, dass ein Kopftuchverbot für Schülerinnen, verfassungsrechtlich „wohl nicht zulässig“ wäre und bezieht sich dabei unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Lehrerinnen mit Kopftuch. „Ein Verbot ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, sagte auch Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Es geht bei der Frage unter anderem um das Recht auf Religionsfreiheit – Artikel 4 des Grundgesetzes.
Das DeZIM-Institut fragte in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage 7.233 Menschen zu Beginn des Jahres unter anderem nach einer Zustimmung bzw. Ablehnung zur Aussage: „Es sollte verboten sein, dass muslimische Schülerinnen in der Schule Kopftuch tragen.“ Von denen, die die Frage beantworteten, stimmen 37,3 Prozent einem Verbot ‚voll und ganz‘ oder ‚eher‘ zu.
Die Mehrzahl der Befragten in Deutschland, 62,7 Prozent, ist gegen ein Kopftuchverbot für muslimische Schülerinnen in der Schule. Frauen lehnen ein Verbot häufiger ab als Männer. Es gibt deutliche Unterschiede nach Bundesländern und besonders stark positionieren sich Schüler und Schülerinnen gegen ein Kopftuchverbot. Mit knapp 90% sind somit genau jene Personen, die tatsächlich ein Kopftuchverbot am stärksten spüren würden, gegen Verbots-Überlegungen – auch wenn dies nicht alle gleichermaßen, sondern nur ihre muslimischen Mitschülerinnen treffen würde.
„Die Diskussion um ein Kopftuchverbot für Kinder an Schulen ist eine diskriminierende und unnötige Diskussion“, erklärte Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland. Festzuhalten sei, dass es – wie Verbotsbefürworter selbst immer wieder einräumen müssten – keinerlei Fakten über kopftuchtragende Kinder an Schulen gebe und es sich hierbei augenscheinlich um Einzelfälle handele. „Eine überflüssige Phantomdebatte wird immer wieder aufgerührt“, so Kesici.
Der Islamrat fordert, dass Politiker verantwortungsbewusster mit Verbotsforderungen in Bezug auf islamische Rituale und Lebensweisen umgehen sollten. Diese Diskussionen führen zu einem Klima der Angst und Unsicherheit. „Unnötige Diskussionen befeuern den antimuslimischen Rassismus in Deutschland und sind Wind auf den Segeln der Rechtsextremisten“, erklärte der Islamrat-Vorsitzende abschließend. (dpa, iQ)