MOSCHEEARCHITEKTUR

Die ältesten und berühmtesten Moscheen Europas

Architektonisch, synthetisch oder modern. Moscheen in Europa können kaum unterschiedlicher sein. Doch ist diese Vielfalt kaum bekannt. Unser Gastautor Kadri Akkaya stellt die unterschiedlichen Moscheearchitekturen vor.

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2019
Moscheearchitektur, Moscheen in Europa © Perspektif, bearbeitet by iQ.
Moscheen in Europa © Perspektif, bearbeitet by iQ.

In den 1960er Jahren nutzten die Muslime in Europa für die Verrichtung der Gemeinschaftsgebete überwiegend improvisierte und provisorische Räumlichkeiten wie alte Fabrikhallen, Baracken und leerstehende Lagerräume. Die Festgebete wurden entweder in gemieteten Hallen oder auf öffentlichen Plätzen abgehalten. Erst mit der Einsicht, dass eine baldige Rückkehr in die Türkei nicht absehbar war, begann man, „die Fremde zur Heimat zu machen“: Gegen Ende der 1960er Jahre wurden überall in Europa die ersten kleine Moscheen und Gebetsräume (arab. Masdschid, türk. mescit) gegründet. Diese Gebetsräume – zum Beispiel der 1966 eröffnete muslimische Gebetsraum in Heidelberg oder die Regensburger Moschee sowie die in diesen Jahren in anderen Gebieten Deutschlands sowie in Frankreich, Holland, England und Belgien gegründeten, bescheidenen Moscheen  können wir als die ersten – mit dem aufopfernden Engagement der „ersten Generation“ etablierten – Moscheen in Europa betrachten.

Gebetshalle für Muslime bereits im 18. Jahrhundert

Die Geschichte der Moscheearchitektur in Mitteleuropauropa reicht aber ins 18. Jahrhundert zurück: Im Jahr 1731 ließ König Friedrich Wilhelm I. von Preußen in Potsdam in der Nähe der Garnisonskirche eine Gebetshalle für die tatarischen, also muslimischen, Soldaten einrichten. Ende des 18. Jahrhunderts gab der Pfälzer Kurfürst Carl Theodor im Schlosspark von Schwetzingen ein Bauwerk in Auftrag, welches die Gestalt einer Moschee hatte. Dieses „orientalische” Bauwerk hatte jedoch lediglich dekorative Zwecke; es wurde nie als Gebetshaus genutzt. Die „Rote Moschee“ im Schlossgarten von Schwetzingen (1795) gehört zu den kunst- und architekturgeschichtlich berühmtesten Beispielen des Orientalismus in der Architektur des 18. Jahrhundert. Sie ist ein Bauzeugnis der damaligen „Türkenmode“; das Interesse des Pfälzer Kurfürsten für islamische Architektur ist Teil einer allgemeinen Begeisterung für den Orient, welche man in der Malerei, der Literatur und der Musik des 18. Jahrhunderts findet.

Andere Beispiele des Orientalismus in der Architektur finden wir in berühmten Industriebauten des 19. Jahrhunderts: So wurde z. B. im Jahr 1847 in Potsdam ein Fabrikhaus gebaut, dessen äußere Form einer Moschee mit Kuppel und Minarett ähnelte. Auch in Dresden entstand im Jahre 1909 eine „orientalische“ Tabakfabrik: Mit ihrer 62 Meter hohen Kuppel und einem Minarett, welches als Fabrikschornstein genutzt wurde, mutet dieser bis heute existierende, spektakuläre Bau der Yenidze-Tabakfabrik von außen wie eine Moschee an.

Im Jahr 1914 wurde die Hilal-Moschee in Berlin für muslimische Gefangene im Kriegslager Zossen errichtet. Dieser interessante Holzbau, der in seiner Form an den Felsendom in Jerusalem erinnerte und bei dessen Einweihung der osmanische General Mahmud Muhtar Pascha zugegen war, musste jedoch bereits nach zwölf Jahren wegen Baufälligkeit wieder abgerissen werden.

Klassischer Architekturstil mit europäisch-architektonischen Einflüssen

Die zeitgenössischen, repräsentativen Moscheen in Europa lassen vielfältige Einflüsse erkennen: Einerseits sind sie häufig im Architekturstil jener muslimischen Länder gebaut, die ihren Bau finanziell unterstützt haben. Andererseits spiegeln sich in ihnen Baustilen architektonische Einflüsse der ehemaligen Kolonialmächte wider. Die Shah-Jahan Moschee in England (erbaut 1833) sowie die Große Pariser Moschee (1926) sind Beispiele für diese verschiedenen stilistischen Einflüsse. Die Große Moschee in Paris ist zum Beispiel stark von der maurischen Architektur geprägt; besonders die Verkleidung der Außenwand, die Innengestaltung und das rechteckige Minarett machen dies deutlich. Die Moscheen in Wien und Genf hingegen wurden im traditionellen Baustil der arabischen Halbinsel entworfen. Hier entsprechen sowohl die Innengestaltung als auch das Minarett der klassisch arabischen Moscheearchitektur.

Moscheearchitektur, Moscheen in Europa

Große Pariser Moschee © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Große Pariser Moschee © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Die Große Pariser Moschee wurde im Jahre 1926 im berühmten Studenten- und Künstlerviertel Quartier Latin errichtet. Sie gilt als die älteste Minarett-Moschee Frankreichs. Das prächtige Moscheebauwerk wurde nach dem ersten Weltkrieg vom französischen Staat als Dank an die 80.000 gefallenen muslimischen Soldaten erbaut, die gegen das Deutsche Reich, unter anderem in der Schlacht von Verdun, gekämpft hatten. Die Architektur dieser Moschee orientiert sich stark am Vorbild der berühmten Kairaouine-Moschee in Marokko. Das 33 Meter hohe Minarett wurde im Mudéjar-Stil, im Stil der Großen Moscheen von Kairouan (Tunesien), gebaut. Der Moscheekomplex besteht aus einer Schule (arab. Madrasa), einer Bibliothek, einem Konferenzsaal, einem Restaurant, einem Tee-Salon sowie einem Hamam (Dampfbad), einer Gartenanlage und einigen Geschäften. Mit ihren kunstvollen Schnitzereien und dem Moscheegarten wirkt die Pariser Moschee besonders einladend.

Ein interkulturell-architektonischer Baustil in Europa

Die Imam Ali-Moschee in Hamburg gehört ebenfalls zu den älteren Moscheebauten Europas. Sie wurde von den Architekten Gottfried Schramm und Jürgen Eligius entworfen. Am Bau der Moschee beteiligte sich auch der iranische Architekt Zargarpoor, der 1963, binnen dreier Jahre, den Rohbau errichtete. Wenige Jahre später wurden die Innenräume und die Nebengebäude fertiggestellt. Die Moschee mit Kuppel besitzt zwei Minarette. Die Architekten ließen sich vom klassisch-persischen „Iwan“-Baustil inspirieren. Dekoration und Verkleidung der Moschee wurden unter anderem durch den iranischen Künstler Ali Meshkat gestaltet. Die Imam Ali Moschee ist außerdem bekannt für ihren Teppich: Im Gebetsraum befindet sich einer der weltweit größten handgeknüpften Rundteppiche. Der Teppich hat einen Durchmesser von 16 Meter und erstreckt sich über eine Fläche von 200 qm; er besteht aus rund 80 Millionen Knoten und wiegt eine Tonne.

Moscheearchitektur, Moscheen in Europa

Hamburger Imam Ali Moschee © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Hamburger Imam Ali Moschee © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Auch in Österreich befinden sich zahlreiche Minarett-Moscheen: die Telfser Eyüp Sultan-Moschee ist eine von ihnen. Sie wurde im Jahre 1998 errichtet und besitzt ein 15 Meter hohes Minarett. Ein weiteres bekanntes Moscheegebäude ist das im Jahre 1979 gebaute Islamische Zentrum in Wien. Im Auftrag des saudi-arabischen Königs und des damaligen Bundespräsidenten Rudolf Kirschläger leitete der Baumeister Richard Lugner den Bau der Moschee. Ihr Minarett ist 32 Meter hoch; die Kuppel hat einen Durchmesser von 20 Metern.

Moscheearchitektur, Moscheen in Europa

Islamische Zentrum in Wien © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Moscheearchitektur, Moscheen in Europa

Islamische Zentrum in Wien © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Typische Minarett-Moscheen findet man auch in der Schweiz: Die Mahmud-Moschee in Zürich (1963), die Genfer Moschee (1978), oder auch die jüngst erbaute islamisch-albanische Minarett-Moschee (2005) in Winterthur sind einige von ihnen. Die Genfer Petit-Saconnex Moschee wurde vom damaligen Schweizer Bundespräsidenten Willi Ritschard und dem saudi-arabischen König eingeweiht. Sie gilt mit ihren 1500 Gebetsplätzen als die größte Moschee der Schweiz.

Klassisch-Osmanische Moscheen im Herzen Europas

Eine weitere sehr bekannte Moschee im Herzen Europas ist die Şehitlik-Moschee in Berlin. Sie wurde auf dem historischen Türkischen Friedhof errichtet, auf dem sich auch ein Denkmal aus Zeiten des osmanischen Sultans Abdulaziz (1830-1876) befindet. Das Grundstück des Moscheekomplexes war seit 1866 Eigentum des Osmanischen Reiches und befindet sich heute im Besitz der Türkei. Der Türkische Friedhof besaß zunächst lediglich ein kleines Gebetszimmer und einen Wärterraum. Diese Räume wurden1970 durch die ersten muslimischen „Gastarbeiter“ zu einem Gebetsraum umgestaltet. In den 1980er Jahren wurde dieser dann erweitert und zu einer Moschee umgebaut, die wiederum 2005 durch einen Neubau ersetzt wurde. Den repräsentativen, neuen Moscheekomplex mit Minarett und Nebengebäuden entwarf der türkische Architekt Hilmi Şenalp.

Die Berliner Moschee ist ein sehr erfolgreiches Beispiel des heutigen Aufgreifens klassisch-osmanischer Architektur: Zum Beispiel befindet sich über den hintersten, im Freien gelegenen Gebetsreihen ein Vordach wie wir es von den Moscheen des osmanischen Baumeisters Mimar Sinan (1490-1588) kennen. Der Gebetsraum bietet rund 1500 Gebetsplätze. Die große Kuppel hat einen Durchmesser von 12 Metern und wird von einem achteckigen Unterzug auf acht weiteren Halbkuppeln getragen. 42 Meter misst man vom ersten Obergeschoss bis zur Hauptkuppel. Die Kalligraphien im Gebetsraum sind Werke des der Künstlers Hüseyin Kutlu. An der ornamentalen Ausschmückung der Moschee war außerdem der Künstler Semih İrtes beteiligt. In der Dekoration der Şehitlik-Moscheefinden wir zahlreiche Bereiche der klassischen türkischen Künste: Neben islamischen Kalligraphien wurden zum Beispiel besonders kostbare blaue Iznik-Fliesen für die Innenausstattung verwendet. In der Moschee finden wir außerdem feinste Marmor- und Steinarbeiten, die berühmten, dreidimensional-geometrischen Mukarnas-Nischen (Stalaktitengewölbe) und bemalte Keramikfliesen.

Berlin Şehitlik Moschee © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Moscheearchitektur, Moscheen in Europa © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Berlin Şehitlik Moschee © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Ihre hölzernen Türen und Fensterläden wiederum wurden in der besonderen Kündekari-Technik hergestellt. Der Lehrstuhl (arab. Kursi), die Gebetskanzel (arab. Minbar) sowie die Gebetsnische (arab. Mihrab) bestehen teilweise aus Marmor und sind mit Perlmutt verziert. Im Kulturhaus der Moschee befindet sich außerdem ein Empfangsbereich im traditionellen Başoda-Stil.

Altes Fabrikgebäude wird zur prächtigen Moschee

Eine weitere berühmte Moschee in Deutschland, die in den letzten Jahrzehnten vielfach im Gespräch war, ist die große Kölner Moschee. Die Kölner DITIB-Zentralmoschee wurde von der im Jahre 1984 gegründeten Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion errichtet. Die frühere Zentralmoschee der DITIB wurde bereits 1985 eröffnet; dafür hatte man ein altes Fabrikgebäude zur Moschee umgewandelt. Von außen war sie allerdings nicht als solche erkennbar. Die neue, repräsentative Zentralmoschee, die seit 2017 zur Nutzung freigegeben ist, entwarf der Architekt Paul Böhm, der im Jahr 2005 den Architekturwettbewerb gewonnen hatte.

Moscheearchitektur, Moscheen in Europa © Perspektif, bearbeitet by iQ.

DITIB Zentralmoschee Köln © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Der Bau der prächtigen Moschee in Köln wurde nicht von allen Einwohnern befürwortet. Rechtsextreme Bewegungen wie „Pro Köln“ protestierten zusammen mit islamkritischen Bürgern gegen den Moscheebau. Während die Kölner CDU auf einem Parteitag den Bau ablehnte, unterstützte der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma die Entscheidung seiner Partei nicht und setzte sich für den Bau der Zentralmoschee ein. Schließlich konnte durch die mehrheitliche Zustimmung des Parlaments mit dem Moscheebau begonnen werden.

Bau von Moscheen stoßen auf Widerstände

In Deutschland herrscht kein gesondertes Baurecht für Moscheen. Der Bau einer Moschee ist im Rahmen baurechtlicher Bestimmungen genauso erlaubt wie der Bau einer Kirche oder einer Synagoge. Moscheebau-Initiativen sind mit vielfältigen formellen Hindernissen konfrontiert. Moscheebauprojekte stoßen häufig auf gesellschaftlichen, politischen und bürokratischen Widerstand, sodass viele laufende Bauprojekte gestoppt oder gänzlich eingestellt werden. Die Moschee als das auffälligste Zeichen im öffentlichen Leben der Muslime wird oft von Islamkritikern instrumentalisiert; so werden Ängste in der Bevölkerung geschürt und islamophobe Hetze unter den Menschen verbreitet.

Die Liste der Minarett-Moscheen in Europa ist lang: die Große Moschee in Brüssel, die 1880 zunächst als „orientalischer Pavillon“ errichtet wurde, gilt seit 1978 als Kulturzentrum und Moschee. Die Shah-Jahan Moschee in Woking (1839) ist als die älteste Moschee Englands bekannt. Als berühmte repräsentative Moscheebauten Europas seien des Weiteren die Mobarak-Moschee in Den Haag (1955), die Frankfurter Nuur-Moschee (1959), die Bilal-Moschee in Aachen (1964), die Imam Ali Moschee (Islamisches Zentrum) in Hamburg (1965), die Freimann-Moschee in München (1973), die Birmingham Central Mosque (1975), die London Central Mosque (1977), die Zentralmoschee in Glasgow (1983), die Wesselinger Moschee (1987), die Fatih-Moschee in Pforzheim (1992), die Mannheimer Moschee (1995), die Şehitlik-Moschee in Berlin (2005), die Marxloh-Moschee in Duisburg (2008)  sowie die jüngst erbaute DITIB-Zentralmoschee in Köln (2017) genannt.

Leserkommentare

Jürgen Uther sagt:
Danke für den interessanten Artikel. Ich habe in mit großem und wachsendem Interesse gelesen. Allerdings habe ich auch die westeuropäische Sichtweise wahrgenommen. Ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass es auch in Russland Muslime gibt, etwa 14 Mio., was nicht unbedeutend sein dürfte. Auch diese haben Moscheen. Wenigstens die Erwähnung der Kul Scharif in Kasan hätte ich erwartet. Diese gilt als drittgrößte Moschee in Europa. Kasan ist eine überwiegend muslimische Stadt. Das autonome Gebiet der Tartaren an der Wolga ist, siehe die Erwähnung der großen Moschee in Paris, muslimischer Kultur. Danke für die Aufmerksamkeit. PS.: Wie hat die russische Militärpolizei Ihre Präsenz in Syrien scheinbar problemlos gestartet und gemeistert? Glauben Sie wirklich, ohne Kenntnisse zum kulturellem Hintergrund wäre das gegangen?
16.12.19
9:41
Emanuel Schaub- sagt:
Bei aller Bewunderung der Schönheit der Gebäude stellt sich mir die Frage ,ob die asthetische Gestaltung der Verherrlichung des Gegenstands der Anbetung dient oder eine Art Reaktion auf die Konkurenz... der anderen Religionen. Bekanntlich übertreffen sich gerade politische Führer in den "developmenting countries" mit ihren (teuren) Prachtbauten1 Ganz grundsätzlich kommt bei mir der leise! Verdacht auf ,dass das Bildnisverbot von Allah und dem Propheten in gewisserweise Weise... umgangen werden kann. gruß emanuel
17.12.19
14:07