Der Islamrat kritisiert ein Gesetzesentwurf über die neue Regelung der Organspende. Im Bundestag soll entschieden werden, ob jeder automatisch Spender wird.
Angesichts Tausender schwerkranker Menschen auf den Wartelisten soll in Deutschland die Organspende mehr werden. Doch wie? Der Bundestag will an diesem Donnerstag über zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe und einen Antrag abstimmen.
Eine Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Fachpolitiker Karl Lauterbach macht sich für eine „doppelte Widerspruchslösung“ stark. Sie würde das bestehende Prinzip umkehren, dass Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem Ja zulässig sind. Stattdessen soll jeder automatisch Spender sein. Man soll dem aber jederzeit widersprechen können und müsste das in einem neuen Register speichern. Vor einer Transplantation müsste ein Arzt dort abfragen, ob es eine Erklärung gibt. Falls nicht und es auch sonst kein schriftliches Nein gibt, ist der nächste Angehörige zu fragen – aber nicht nach einer eigenen Entscheidung, sondern ob er ein Nein oder einen anderen Willen des Verstorbenen kennt.
Geplant ist eine große Informationskampagne für eine neue Regelung, außerdem soll jeder ab 16 Jahren dreimal direkt mit Informationen angeschrieben werden. Kommen Minderjährige als Spender infrage, wäre eine Organentnahme nur zulässig, wenn ein Angehöriger zugestimmt hat – das sind wohl meist die Eltern. Bei Menschen, die die Tragweite einer solchen Entscheidung nicht erkennen können – etwa wegen einer geistigen Behinderung – sollen Organspenden grundsätzlich tabu sein.
Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland äußert Kritik an den anstehenden parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf über die Widerspruchlösung bei der Entscheidungsfindung zur Organspende. „Die Organspende ist eine persönliche und emotionale Entscheidung. Einen Zwang halten wir nicht für den richtigen Weg“, sagt der Vorsitzende des Islamrates. Kesici weiter: „Mehr noch: er darf sich auch nicht genötigt sehen, dazu irgendeine Entscheidung treffen zu müssen.“
Die Organspende sei vor allem eine freiwillige Erklärung und gehöre mit zu den persönlichsten und emotionalsten Entscheidungen. Der Spender solle sich darüber Gedanken machen können, ohne sich dazu genötigt oder bedrängt zu sehen. „Bei der Anzahl und dem Leid der Menschen, die verzweifelt nach Organspenden warten, ist die Suche nach Möglichkeiten, ihnen zu helfen, zu begrüßen. Jedoch sollten die Initiatoren des Gesetzesentwurfes eher auf Information und Überzeugung setzen“, so Kesici weiter.
Der zweite Gesetzesentwurf spricht sich ebenfalls gegen einen Zwang aus. Die Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linke-Vorsitzende Katja Kipping lehnt einen derart tiefen Eingriff in die Selbstbestimmung ab. Sie schlägt stattdessen vor, die Bürger mindestens alle zehn Jahre direkt anzusprechen. Wer ab 16 einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll auf dem Amt Informationsmaterial bekommen. (dpa, iQ)