Etappensieg für die SPD: Die Partei darf ihren ehemaligen Finanzsenator Sarrazin loswerden. Das beschloss eine Berliner Schiedskommission.
Für die SPD ist es ein Erfolg. Allerdings nur ein Sieg auf einer der vielen Etappen eines langen Kampfes. Seit mehr als zehn Jahren versucht die Partei, ihr umstrittenes und ungeliebtes Mitglied Thilo Sarrazin loszuwerden – derzeit im dritten Anlauf. Am Donnerstag wurde die Entscheidung der Berliner SPD-Landesschiedskommission bekannt: Sarrazin darf wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Partei geworfen werden. Auslöser des Verfahrens war seine anhaltende und massive Kritik an Muslime und seines 2018 erschienenes Buch „Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“.
Sarrazins Anwälte hingegen erklärten, ihr Mandant werde vor die nächste Parteiinstanz ziehen: das Bundesschiedsgericht. Sarrazin selber hatte bereits angekündigt, notfalls bemühe er auch noch alle Instanzen der normalen Gerichte, um seinen Rauswurf zu verhindern – bis hin zum Bundesverfassungsgericht.
Im Juli 2019 hatte die Schiedskommission des Berliner SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem Sarrazin Mitglied ist, dessen Parteiausschluss bestätigt. Sarrazin legte Berufung ein. Nun ging es am 10. Januar zur Landesschiedskommission. Sarrazin unterlag erneut.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat soweit die Entscheidung der Berliner Landesschiedskommission zum Parteiausschluss von Thilo Sarrazin begrüßt. „Die SPD steht für Zusammenhalt. Jemand, der spaltet, jemand, der gegen Minderheiten hetzt, für den ist kein Platz in der Partei“, sagte Klingbeil am Freitag in Berlin. „Jemand, der antimuslimische Thesen, jemand der rassistische Thesen vertritt, der braucht ein klares Stoppschild.“
Die SPD-Spitze hatte schon 2009/10 und 2011 versucht, Sarrazin loszuwerden. Damals saß er im Vorstand der Bundesbank und sorgte mit Interviews zur Einwanderung für Empörung. Mit Blick auf muslimische Zuwanderer sprach Sarrazin von Menschen, „die ständig neue Kopftuchmädchen produzieren“. Dann erreichte er mit seinem ersten Buch „Deutschland schafft sich ab“ eine Millionenauflage und musste die Bundesbank verlassen. Die SPD-Führung empfand seine Thesen zur Einwanderung und zum Islam als parteischädigend – setzte sich damit aber nicht durch.
2018 veröffentlichte Sarrazin das Buch von der vermeintlichen „Feindlichen Übernahme“ durch den Islam. Er schrieb, die „religiös gefärbte kulturelle Andersartigkeit der Mehrheit der Muslime“ und deren steigende Geburtenzahlen gefährdeten die offene Gesellschaft, Demokratie und den Wohlstand in Deutschland. Integration sei somit kaum möglich.
Die SPD-Kreiskommission wertete das im Sommer 2019 als „klar rassistisch“. Der Partei werde damit schwerer Schaden zugefügt, weil die Verbreitung „antimuslimischer und kulturrassistischer Äußerungen“ ihre Glaubwürdigkeit und ihren Einsatz für ihre Werte und Grundauffassungen in Frage stelle. „Es gibt mehrere Gutachten, es gibt mehrere öffentliche Äußerungen, die alle belegen, dass Herr Dr. Sarrazin antimuslimisch und rassistisch argumentiert“, sagte Klingbeil.
Sarrazin wies dies jedoch zurück und argumentierte Anfang Januar, er habe „wissenschaftliche Sachbücher geschrieben“. Niemand aus der SPD-Führung habe belegen können, was daran sachlich falsch sei. „Ich lasse mir meinen Ruf als Sachbuchautor nicht kaputtmachen.“
Nun hat die Bundesschiedskommission somit das nächste Wort. Vorsitzender ist ein Richter. Aufgabe der Kommission ist unter anderem die „Sicherung der Ordnung der Partei“. (dpa, iQ)