Bewerber mit einem Migrationshintergrund haben es extra schwer: Sie berichten nicht selten über Diskriminierung bei der Wohnungssuche. Das genaue Ausmaß zu bestimmen, ist aber gar nicht so einfach.
„Keine Muslime! Keine Haustiere! Vermietet wird nur an weibliche Einzelperson“ – dieses Inserat hat zu einem von rund 1400 Hinweisen geführt, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes seit ihrer Einrichtung 2006 zum Wohnungsmarkt erhalten hat. Viele Vermieter reagierten negativ auf einen nicht deutsch klingenden Namen oder einen Akzent, sagte Bernhard Franke, der kommissarische Leiter der Stelle, am Mittwoch in Berlin. „Dann ist plötzlich kein Besichtigungstermin mehr möglich oder die Wohnung angeblich schon vergeben.“ Gerade in besseren Wohngegenden hätten es Bewerber schwer.
Wer Menschen aufgrund von Alter, Behinderung, ethnischer Herkunft, Geschlecht, sexueller Identität oder Religion und Weltanschauung diskriminiert, verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und muss mit Sanktionen rechnen – ob im Job oder auf dem Wohnungsmarkt. Ein bayerischer Vermieter, der seine Wohnung nur Deutschen überlassen wollte, musste einem ursprünglich aus dem westafrikanischen Burkina Faso stammenden Interessenten 1000 Euro zahlen, wie ein Gericht jüngst entschied.
Die Antidiskriminierungsstelle hat Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu ihren Einschätzungen und Erfahrungen befragt. Über 80 Prozent der Befragten gingen von deutlichen Nachteilen bei der Wohnungssuche aus – der am häufigsten genannte Lebensbereich.
Rund ein Drittel der Befragten mit Migrationshintergrund, die in den vergangenen zehn Jahren eine Wohnung oder ein Haus gesucht haben, hat nach eigenen Angaben schon rassistische Diskriminierung bei der Wohnungssuche erlebt. Von einem Migrationshintergrund spricht man, wenn jemand die deutsche Staatsbürgerschaft nicht ab Geburt besitzt oder der mindestens ein Elternteil hat, bei dem das der Fall ist.
Ein Fünftel aus dieser Gruppe gab an, eine Immobilienanzeige gelesen zu haben, die bestimmte Personengruppen ausschloss. Mehr als jeder Zehnte wurde demnach bei der Wohnungssuche beleidigt oder beschimpft. Mehr als die Hälfte gab an, Wohnung oder Haus wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe nicht bekommen zu haben.
Fraglich ist indes, was solche Angaben belegen. Die ersten beiden Beispiele deuten klar auf Diskriminierung hin. Aber welcher Interessent weiß schon, warum er den Zuschlag nicht bekommen hat?
Betroffene könnten das Ausmaß von Diskriminierung über- oder auch unterschätzen, schreibt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in einer 2018 veröffentlichten Expertise. „Die subjektive Einschätzung von Benachteiligung ist daher prinzipiell nicht geeignet, Ausmaß und Verbreitung von (tatsächlicher) Diskriminierung abzubilden.“
Hinzu kommt: In Ländern wie den skandinavischen, die sich schon lange besonders um gleiche Chancen für Minderheiten kümmern, fühlten sich besonders viele Menschen diskriminiert, schreiben die SVR-Experten. Allerdings sei dort auch die Sensibilität für Benachteiligungen höher. Doch auch gefühlte Diskriminierung sei wichtig: „Wenn sich Zuwanderergruppen stark diskriminiert fühlen, birgt das in jedem Fall Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Methoden zur Messung tatsächlicher Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt wären deutlich aufwendiger als eine Umfrage. Die Antidiskriminierungsstelle selbst verweist auf so genannte Testing-Studien, bei denen sich fiktive Personen, die sich nur im Hinblick auf Merkmale wie Nachname, Akzent oder erkennbare Religionszugehörigkeit unterscheiden, auf dieselben Wohnungen bewerben. Anschließend lässt sich statistisch auswerten, ob es klare Unterschiede bei den Erfolgsquoten gab. Auch solche Studien belegten Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, schreibt die Antidiskriminierungsstelle.
Auch den Immobilienverband Deutschland (IVD) erreichen gelegentlich Anfragen seiner Mitglieder zu dem Thema. „Wir haben bei unserer Hotline für Makler und Verwalter gelegentlich Nachfragen, ob die Auswahl nach sozialer Gruppe erlaubt ist“, sagt Annett Engel-Lindner. Das komme aber selten vor.
Betroffenen rät der Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Franke, sich an eine örtliche Beratungsstelle zu wenden. Mieterverbände verwiesen in der Regel dorthin, weil sie selbst auf Mietrecht und nicht auf Gesetzgebung gegen Diskriminierung spezialisiert seien. Um die 100 Anfragen im Jahr erhalte seine Stelle, sagte Remzi Uyguner von der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Es meldeten sich nicht nur Suchende sondern auch Mieter mit bestehenden Verträgen. Einem Mann sei vom Vermieter gesagt worden, er könne in der Wohnung bleiben – falls er sich von seiner türkischstämmigen Partnerin trenne, die dort mit ihm wohnte. (dpa/iQ)