FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich ist zum neuen Ministerpräsidenten in Thüringen gewählt worden – mit den Stimmen der AfD. Muslime zeigen sich besorgt über das Ergebnis.
Der FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich ist zum neuen Thüringer Ministerpräsidenten gewählt worden. Im dritten Wahlgang erhielt Kemmerich am Mittwoch im Erfurter Landtag 45 Stimmen und damit eine Stimme mehr als der bisherige Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke). Damit stimmte die AfD-Fraktion geschlossen für den FDP-Kandidaten, ihr eigener Bewerber Christoph Kindervater erhielt keine Stimme.
Mit Begeisterung hat die AfD auf die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen reagiert. „Thüringen hat einen Ministerpräsidenten mit einer demokratischen Mehrheit, die den Willen der Wähler abbildet“, erklärte der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, am Mittwoch. In Thüringen habe sich gezeigt, dass die Strategie, die AfD auszugrenzen, nicht funktioniere.
„Wir gratulieren Thomas Kemmerich zu seiner Wahl und wünschen ihm eine glückliche Hand“, sagte Gauland. Der Parteivorsitzende Tino Chrupalla gratulierte seinerseits der Thüringer AfD zu ihrem „umsichtigen politischen Verhalten“. Gauland sprach von einem Erfolg für die „bürgerlichen Kräfte“ in Thüringen.
Als schlimmstes „Ergebnis, das es in Thüringen jetzt geben konnte“ hat die Linke in Sachsen-Anhalt die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten in Erfurt bezeichnet. „Ausgerechnet in Thüringen fällt zum ersten Mal die Demokratie den Machtspielen von FDP und CDU zum Opfer“, kommentierten Linken-Fraktionsvorsitzender Thomas Lippmann und der Landesvorsitzende der Partei in Sachsen-Anhalt, Stefan Gebhardt, am Mittwoch den Wahlausgang. „Damit ist klar, dass FDP und CDU nicht mehr verlässlich für eine demokratische Abgrenzung zu Rechtsextremen stehen, nicht in Thüringen und auch nicht in Sachsen-Anhalt.“
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat CDU und FDP vorgeworfen, in Thüringen einen „unverzeihlichen Dammbruch“ ausgelöst zu haben. „Dass die Liberalen den Strohmann für den Griff der Rechtsextremisten zur Macht geben, ist ein Skandal erster Güte“, schrieb Walter-Borjans am Mittwoch auf Twitter. „Da kann sich niemand in den Berliner Parteizentralen wegschleichen.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem „Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich habe sich mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD an die Macht wählen lassen.
Die Grünen in Sachsen-Anhalt befürchten nach der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit Stimmen von CDU und AfD Verhältnisse wie im Nachbarland. „In Sachsen-Anhalt wird es am 6. Juni 2021 um die Frage gehen, ob Nazis durch CDU und FDP mit an die Macht gelassen werden“, kommentierte der Landesvorsitzende Sebastian Striegel am Mittwoch die Ereignisse in Erfurt. Er bezog sich dabei auf den Termin der Landtagswahl im kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt. „Wer CDU oder FDP wählt, wird mit einer Regierungsbeteiligung der AfD-Beteiligung aufwachen“, fügte er hinzu.
Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Bekir Altaş, äußert sich in der Pressemitteilung empört über das Wahlergebnis in Thüringen. „Ich bin entsetzt über den Wahlausgang im Thüringer Landtag. Wir hätten einen Ministerpräsidenten, der mit Stimmen der AfD gewählt wurde, nicht für möglich gehalten. Die FDP hat damit eine rote Linie überschritten. Die AfD, und insbesondere die in Thüringen, ist eine offen islamfeindliche Partei, die im Kern eine Politik macht, die gegen alle Minderheiten gerichtet ist“, so Altaş.
Auch die CDU-Fraktion habe mit ihrer bisherigen Haltung ein denkbar schlechtes Bild abgegeben und dieses Desaster mit ermöglicht. Damit werde die oft gehörte Beschwörung zur Abgrenzung von der AfD unglaubwürdig. Offenbar sei ein Ministerpräsident mit AfD-Unterstützung lieber als ein Ministerpräsident der Linkspartei. „Die einzig richtige Konsequenz aus diesem Desaster ist ein Rücktritt und anschließenden Neuwahlen“ so Altaş weiter.
Auch der Islamrat der BRD äußerte sich zum Wahldebakel. „Die Vorgänge bei der MP-Wahl in Thüringen sind ein Tabubruch ohnegleichen in der jüngeren Parlamentsgeschichte Deutschlands“, erklärt Vorsitzender Burhan Kesici. Alle Verantwortungsträger seien aufgefordert diesen Vertrauensbruch wieder gut zu machen.(dpa/iQ)