Das Beben über das Minarett-Verbot ist auch nach zehn Jahren spürbar. Immer wieder gab es Empörungen zu Gesetzesentwürfen und Äußerungen von Politikern.
Die Folgen des Schweizer „Minarett-Verbots“ sind laut Schweizer Expertinnen auch nach gut zehn Jahren präsent. Das „Beben“, das die Minarett-Initiative ausgelöst habe, sei bis heute spürbar, so die Mediatorinnen Angela Ullmann und Anna Jambers bei der interdisziplinären Konferenz „versöhnt leben“ an der Universität Bern. Bei einer Volksabstimmung am 29. November 2009 hatten sich 57,5 Prozent der Schweizer für ein Minarett-Verbot ausgesprochen.
Die Referentinnen verwiesen auf „Früchte“ auf der „religiösen Landkarte“ der Schweiz wie das „Haus der Religionen“, „Runde Tische“ oder die interreligiöse Arbeitsgemeinschaft „Iras Cotis“. Demgegenüber stünden jedoch Kopftuch- und Schleierverbote, „unterschwelliger Hass gegen Muslime“, Weihnachtslieder, die verboten würden, sowie Kruzifixe, die aus Klassenzimmern verbannt würden, so Ullmann und Jambers.
Immer wieder kam es in naher Vergangenheit zur Empörung in der Schweiz. Im Sommer 2016 durften im Schweizer Kanton Basel-Landschaft keine Schüler mehr aus religiösen Gründen seinen Lehrern den Handschlag verweigern. Die zuständige Schulbehörde reagierte damit auf die Weigerung zweier muslimischer Schüler, ihrer Lehrerin die Hand zu reichen. Bei Missachtung mussten die Eltern mit Sanktionen rechnen.
Im selben Jahr hatte das „Egerkinger Komitee“ eine Volksinitiative für ein nationales Verhüllungsverbot in der Schweiz gestartet. Ein Verbot religiös motivierter Verhüllung in der Öffentlichkeit sei verhältnismäßig, verletze weder die Religions- noch die Meinungsfreiheit und stelle auch keine Diskriminierung dar. Die Gruppe hatte bereits eine erfolgreiche Initiative gegen den oben genannten Bau von Minaretten 2009/10 organisiert.
Vor allem die Äußerung einer FDP-Politikerin in Bern sorgte für Aufruhr. Sie äußerte sich nach den Anschlägen in Paris in islamfeindlicher Manier. „Ausgehverbot ab 20:00 in allen muslimischen Quartieren in Europa, Moscheen schliessen und Wohnungen durchsuchen bis zur restlosen Aufklärung!“ So der genaue Wortlaut, den Christine Kohli (FDP) via Twitter verbreitete. Es folgte ein Shitstorm, auch aus den eigenen Reihen.
Grundsätzlich sei die direkte Demokratie als „Plus der Schweizer Politik“ zu loben; zugleich sei sie ein zweischneidiges Schwert, das bei Wertekonflikten auf nationaler Ebene nicht immer zu versöhnlichen Resultaten führe, sagte Jambers. „Die Leute vor Ort hätten sich direkt austauschen müssen, und nicht zuerst die rechtliche Schiene suchen sollen“, so Ullmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin für interreligiöse Studien an der Uni Bern. Vor diesem Hintergrund sei das Mittel der Mediation zur Konfliktbewältigung besonders wichtig, so die Referentinnen. (KNA, iQ)