Nach dem rechtsextremistischen Terrorangriff in Hanau verurteilen nun Religionsvertreter und Politiker den Anschlag und zeigen sich solidarisch mit den Angehörigen der Opfer.
Nach dem rechtsextremistischen Terrorangriff in Hanau verurteilen nun Religionsvertreter und Politiker den Anschlag. In der hessischen Stadt waren am Mittwochabend zehn Menschen an zwei verschiedenen Orten von dem Rechtsterroristen Tobias R. erschossen worden. Stunden nach dem Verbrechen entdeckte die Polizei die Leiche des Rechtsterroristen in seiner Wohnung. Dort fanden Spezialkräfte auch noch eine weitere tote Person. Die Bundesregierung reagierte bestürzt auf das Verbrechen. Die ersten Schüsse fielen den Ermittlern zufolge gegen 22.00 Uhr.
Muslimische Vertreter zeigen sich bestürzt über den Anschlag in Hanau. Die Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) spricht in der Pressemitteilung von einem traurigen Tag für alle Menschen. „Wir sind zutiefst betroffen und erschüttert von den fürchterlichen Anschlägen in Hanau. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den betroffenen Familien, die um ihre Toten trauern, bei den Hinterbliebenen und Verletzten“, erklärt IGMG-Generalsekretär Bekir Altaş. Auch sei Politik und Sicherheitsbehörden bereits massiv im Verzug, Rechtsextremismus und jede Form von gruppenbezogenem Rassismus ernst zu nehmen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. „Es ist ein Armutszeugnis, dass Empfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse bis heute nicht umgesetzt sind. Ein ‚Weiter so‘ darf und kann es nicht mehr geben“, so Altaş abschließend.
Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) sprach in Köln von einem „schwarzen Tag“. Die Tatorte und ein Bekennerschreiben zeigten, „dass der Terror eine bestimmte Zielgruppe hatte, nämlich Migranten, insbesondere Muslime“, so KRM Sprecher Dr. Zekeriya Altuğ. Vor diesem rechten Terror habe der KRM seit Wochen und Monaten gemahnt und gefordert, gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen.
Auch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) spricht in der veröffentlichten Pressemitteilung von „Horror-Szenen mitten in Deutschland“. „Nach diesem blutigen Mittwoch wird in Hanau nichts mehr sein, wie es war. Zehn unschuldige Menschen wurden getötet, viele verletzt. Aber die seelische, emotionale und gesellschaftliche Verwundung geht tiefer. Sie trifft Migrantinnen und Migranten, Musliminnen und Muslime bis ins tiefste Mark. Wir tragen junge Menschen zu Grabe, die Opfer eines unvorstellbaren rechten Terrorakts wurden“ so die DITIB. Der Angriff zeige, dass in der „Gesellschaft etwas im Argen liegt. Dass man zu lange auf dem rechten Auge blind war, dass der Aktionismus gegen rechts keine Wirkung zeigt, dass Rassismus und Islamfeindlichkeit alltäglich ist, dass Migranten und Muslime immer wieder als Feinde markiert und angegriffen werden, dass gesellschaftliche Diskurse falsch geführt werden“, so die DITIB abschließend.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) verurteilt ebenfalls den rechtsextremistischen Terroranschlag von Hanau aufs Schärfste. „In diesen Stunden sind unsere Gebete, Gedanken und Trauer bei den Opfern und Hinterbliebenen. Dies ist ein schrecklicher Tag für unser Land, für uns Muslime“, so ZMD-Vorsitzende Aiman A. Mazyek heute in Berlin.
Die SCHURA Rheinland-Pfalz fordert zu dem Terroranschlag in Hanau verstärkte Maßnahmen gegen Rechtsextremismus. „Es ist höchste Zeit die kritische Gefährdungslage von Rechtsextremismus gesamtgesellschaftlich richtig einzuschätzen. Wir müssen noch mehr zusammenrücken, priorisiert und aktiv gegen Hass und Gewalt vorgehen. SCHURA fordert verschärfte Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in allen Facetten der Gesellschaft“, so in der Pressemitteilung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Angehörigen und Opfern der Gewalttat von Hanau ihre tiefe Anteilnahme ausgedrückt. Dies sei ein „überaus trauriger Tag für unser Land. Der tiefe Schmerz über den gewaltsamen Tod so vieler Mitbürger, den die Menschen heute in Hanau empfinden, empfinde ich und die Menschen in ganz Deutschland“, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Sie fügte hinzu: „Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft. Und es ist Schuld an schon viel zu vielen Verbrechen. Von den Untaten des NSU über den Mord an (dem Kasseler Regierungspräsidenten) Walter Lübcke bis zu den Morden von Halle.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sein Entsetzen über die „terroristische Gewalttat in Hanau“ zum Ausdruck gebracht und will die hessische Stadt besuchen. Der Bundespräsident betonte am Donnerstag in Berlin: „Meine tiefe Trauer und Anteilnahme gelten den Opfern und ihren Angehörigen. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung. Ich stehe an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden. Sie sind nicht allein.“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) besuchte am Nachmittag die Tatorte in Hanau. Dabei erklärte der CSU-Politiker, der Gesetzgeber müsse über Konsequenzen nachdenken, etwa über einen besseren Schutz von Großveranstaltungen und sensiblen Gebäuden. Es sei wichtig, „mit aller Entschiedenheit den Gegnern der freiheitlichen und demokratischen Rechtsordnung die Stirn zu bieten“.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), erklärte, die „niederträchtigen Morde von Hanau treffen uns ins Mark“. Nach allem, was bekannt sei, habe „der rechtsextreme Terror erneut seine widerlichste Fratze gezeigt: Mord aus purem Hass – Mord aus rassistischen Motiven“. Sie hob hervor, niemand dürfe wegen seiner Religion oder seiner Herkunft bedroht werden und sein Leben verlieren. „In keiner Shisha-Bar, in keinem Döner-Imbiss, in keiner Synagoge oder Moschee darf es noch einmal zu so einer schrecklichen Tat kommen“, so Widmann-Mauz.
In Zusammenhang mit der Gewalttat von Hanau hat der SPD-Politiker Michael Roth die AfD als politischen Arm des Rechtsterrorismus bezeichnet. „Das Milieu von Taten wie in Hanau wird ideologisch genährt von Faschisten wie Höcke“, schrieb der Staatsminister im Auswärtigen Amt am Donnerstag auf Twitter mit Blick auf den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. „Demokratieverachtung, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus & Islamfeindlichkeit fallen auf fruchtbaren Boden.“ Deshalb bleibe er dabei: „Die AfD ist der politische Arm des Rechtsterrorismus!“
Brandenburgs Vize-Ministerpräsidentin Ursula Nonnemacher (Grüne) hält angesichts des Anschlags in Hanau ein gesteigertes Augenmerk auf den Rechtsextremismus für notwendig. „Ich bin geschockt von den Nachrichten aus Hanau und in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer. Nun müssen alle Alarmglocken läuten und Politiker handeln“, schrieb die Sozialministerin am Donnerstag im Kurzmitteilungsdienst Twitter. „Bei Rechtsextremen sinken die Skrupel, tödliche Gewalt gegen alles vermeintlich „Andere“ zu richten. Der Rechtsstaat muss hier eingreifen.“ (dpa/KNA/iQ)