Wenige Tage nach dem rassistischen Anschlag in Hanau haben zahlreiche Menschen bei einem öffentlichen Gebet auf dem Marktplatz der Opfer gedacht.
Wenige Tage nach dem rassistischen Anschlag in Hanau haben zahlreiche Menschen bei einem öffentlichen Gebet auf dem Marktplatz der Opfer gedacht. Drei Särge, die in türkische Fahnen gehüllt waren, standen vor einer Bühne, auf der Imame Trauergebete sprachen. Die Särge waren auf einer mit einem grünen Tuch bedeckten Tischreihe aufgebahrt. Viele hundert Menschen hatten sich auf dem zentralen Platz versammelt. Nach dem Abschluss der Gebete in türkischer Sprache wurden die Särge in bereitstehende Leichenwagen getragen. Zwei der Leichen sollten in die Türkei übergeführt werden.
Unter vielen versammelten Imamen sprach der Ortsimam Macit Bozkurt der Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Hanau zu den Angehörigen der Opfer und den Menschen der Trauerfeier. „Sie wurden Opfer von enthemmter Hetze gegenüber Minderheiten – und das sollten wir nicht vergessen – auch gegenüber Menschen, die sich für Minderheiten einsetzen. Der Anschlag hier in Hanau reiht sich ein in eine Kette von Anschlägen wie die in Hoyerswerda, auf Antonio Amadeu, wie die in Solingen, in Mölln, der NSU-Mordserie, der Ermordung Marwa El Sherbinis, dem Anstieg von Anschlägen und Bombendrohungen gegenüber Moscheen und den Anschlägen auf die Synagoge und dem Dönerladen in Halle“, so Bozkurt.
Auch richtete Bozkurt seine Rede an die Politik, Medien und Gesellschaft. Es sei wichtig, den Opfern von rassistischen Straftaten zuzuhören, ihre Sorgen und Ängste zu sehen und anzunehmen und für die Sicherheit der betroffenen Menschen zu sorgen. „An unsere Gesellschaft möchte ich appellieren: Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir werden enger zusammenstehen, als zuvor: Wir Muslime, Christen, Juden, Atheisten, egal welcher Religion oder Anschauung wir uns zählen. Wir sind eine Gesellschaft und lassen uns nicht spalten“, beendete Bozkurt seine Rede.
Am Nachmittag wurde auf dem Hanauer Hauptfriedhof ein 23 Jahre alter Mann beigesetzt, der ebenfalls in der Nacht zum Donnerstag in der Stadt getötet worden war. „Er war ein liebenswürdiger Hanauer Bub“, sagte Kaminsky über den jungen Mann mit kurdischen Wurzeln, der in der Brüder-Grimm-Stadt geboren worden war. Der Oberbürgermeister kündigte bei der Rede vor mehreren hundert Trauergästen außerdem die Errichtung einer Gedenkstätte auf dem Hauptfriedhof an, „die an diese schreckliche Tat, aber vor allem an die Ermordeten erinnern wird“.
Die Mutter des Getöteten wandte sich ebenfalls kurz an die Menge. Laut einer Übersetzung eines Sprechers der Familie sagte die Frau, sie wolle nicht, dass weitere Mütter das erleiden müssten, was sie erlitten habe. Es dürfe daher nicht bei Worten bleiben, es müssten Taten folgen. Viele Menschen, die sich zu der Trauerfeier eingefunden hatten und später den Sarg auf dem Weg zum Grab folgten, hatten ein Foto des Toten an ihren Jacken befestigt.
In der mit zahlreichen Blumen geschmückten Trauerhalle in Offenbach sind alle Plätze voll. Ein großes Foto zeigt eine lebensfrohe Frau. „Sie ist bei Gott, anders kann es gar nicht sein“, sagte der katholische Geistliche bei der Trauerzeremonie in Offenbach. Und mit Blick auf die Motive des Täters, aber auch die Wut vieler Menschen über das Verbrechen, betont er: „Wenn wir anfangen zu hassen, dann können wir nicht lieben.“
Angehörige und Freunde nahmen am offenen weißen Sarg Abschied von der Toten, deren Haar von einem Spitzentuch bedeckt ist. Der Vater der Toten sagte: „Sie hat das Leben so sehr geliebt.“ Auch Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) kam zur Beisetzung. Er kritisierte das Wort Fremdenfeindlichkeit in den Berichten über die Toten. Die Ermordeten seien keine Fremden gewesen. „Sie waren Mitbürger unserer Gesellschaft“, sagt er.
Die zweifache Mutter hatte im Hanauer Stadtteil Kesselstadt Pizza holen wollen, als sie erschossen wurde. Sie sei „ein Opfer von Rassismus und Hass“, sagte Kaminsky.
Ein 43-jähriger Deutscher hatte in der Nacht zum Donnerstag insgesamt neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen. Der Sportschütze soll auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst getötet haben. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Terrorist eine rassistische Gesinnung.
Wie am Montag bekannt wurde, soll die zentrale Trauerfeier in Hanau wohl erst im März stattfinden. Zunächst werde abgewartet, bis das letzte Opfer beigesetzt oder übergeführt sei, sagte eine Sprecherin der Stadt. Die große Trauerfeier wird demnach in Abstimmung mit den Angehörigen sowie den Bundes- und Landesbehörden vorbereitet. Einen Termin gebe es noch nicht, so die Sprecherin. Aber in dieser Woche werde die Veranstaltung sicher nicht stattfinden. (dpa/iQ)
In Gedenken an die Opfer von Hanau: