Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau und rechtsextremistischen Attentaten verstärkt Berlin dauerhaft den Schutz von Moscheen und Kultureinrichtungen.
Als Konsequenz aus dem mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag von Hanau und mehreren rechtsextremistischen Attentaten davor verstärkt Berlin dauerhaft den Schutz von Moscheen, Synagogen, migrantischen Vereinen und Kultureinrichtungen. Das kündigte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung an.
Die Einrichtungen, zu denen auch Kirchen, Shisha-Bars und Restaurants gehören können, werden demnach von Polizisten in Uniform und in Zivil rund um die Uhr oder zu bestimmten Zeiten beobachtet. Bei Großveranstaltungen und Feierlichkeiten mit vielen Menschen will die Polizei ebenso stärker Präsenz zeigen.
Geplant ist zudem, Eingangstüren und Fenster etwa von Gotteshäusern besser zu sichern. Dafür stehen jährlich fünf Millionen Euro Fördergeld zur Verfügung, wie Geisel erläuterte. Diese Maßnahme geht auf den jüngsten Anschlag auf eine Synagoge in Halle zurück, wo eine massiv gesicherte Eingangstüre ein Eindringen des Attentäters und damit ein Massaker verhinderte.
In der vergangenen Woche hatte ein 43 Jahre alter Deutscher in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Zudem soll er seine 72 Jahre alte Mutter und sich selbst getötet haben. Nach dem Anschlag hatte der Senator Vertreter etlicher Organisationen zu einem sogenannten Sicherheitsgespräch eingeladen: Am Montag berieten Berliner Sicherheitsbehörden und Geisel unter anderem mit der Jüdischen Gemeinde, muslimischen Religionsgemeinschaften und dem Zentralrat der Sinti und Roma über die Sicherheitslage in der Stadt.
Dabei sei deutlich geworden, dass auch in Berlin viele Menschen mit ausländischen Wurzeln und jüdische Mitbürger in Sorge lebten vor zunehmendem Rassismus. „Und die erwarten, dass vom Senat Taten folgen.“ Die neuen Maßnahmen seien umfassend und mit einer „erheblichen personellen Beanspruchung der Polizei“ verbunden.
Geisel verwies darauf, dass es in Berlin allein 70 jüdische Einrichtungen und 107 Moscheen gebe, dazu unter anderem 16 000 Gaststätten. „Alle zu schützen, ist in der Quantität nicht möglich und auch nicht gut für unsere freie Gesellschaft.“
Flankierend zu den erhöhten Sicherheitsvorkehrungen will der rot-rot-grüne Senat auf anderen Feldern stärker gegen Hass, Rassismus und rechtsextremistische Gewalt vorgehen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) kündigte einen Runden Tisch mit der Integrationsbeauftragten und Vertretern migrantischer Communitys zur Stärkung von Demokratie und Vielfalt an.
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) verwies auf Bemühungen, das demokratische Bewusstsein der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu stärken. Dort hätten nicht wenige eine „bestimmte Affinität zu rechten und rechtspopulistischen Positionen“. Die Justiz werde stärker gegen Hasskriminalität vorgehen, denn: „Wir wissen auch, dass häufig auf Worte Taten folgen.“
Geisel und Breitenbach gaben daran auch der AfD Schuld. Die Partei stelle „all ihren Hass und ihr Demokratiefeindlichkeit offen zur Schau“, sagte Breitenbach. Sie sei ein geistiger Brandstifter.
„Es gibt eine Entgrenzung des Rechtsextremismus“, befand Geisel. „Themen, die vor Jahren noch tabuisiert waren und randständig, (…) rücken in den Mittelpunk des politischen Diskurses. Dinge werden vermeintlich wieder aussprechbar.“ Diese Debatte werde ganz wesentlich von der AfD vorangetrieben und sei der Nährboden für rechtsextremistisch motivierte Taten. „Gewalttäter fühlen sich durch solche Debatten ermutigt, zur Tat zu schreiten.“
Geisel zufolge nahm die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten in Berlin 2019 im Vergleich zum Vorjahr von rund 1600 auf etwa 1800 zu. Die Zahl der rechten Gewalttaten sei von rund 150 auf etwa 180 gestiegen.
Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) begrüßt die geplanten Schutzmaßnahmen für Berliner Moscheen sehr. „Nach Hanau ist es dringend notwendig, Musliminnen und Muslimen Sicherheitsgefühl zu vermitteln – bundesweit“, erklärte Bekir Altaş, Generalsekretär der IGMG . Nach dem rassistisch motivierten Anschlag in Hanau sei die Verunsicherung enorm angestiegen. Es würde traumatische Erinnerungen an Mölln und Solingen oder an den NSU hervorrufen.
Musliminnen und Muslime dürften außerdem keine Angst haben, in die Moschee zu gehen: „Der Staat hat Sorge dafür zu tragen, dass kein Klima der Angst herrscht.“ (dpa, iQ)