Eine Blutspur rechten Terrors zieht sich durch Deutschland – und diese muss enden. So formulieren es viele Redner im Bundestag über den Anschlag von Hanau.
Der Bundestag debattiert am Donnerstag über den Anschlag von Hanau, bei dem ein 43-jähriger Deutscher zwei Wochen zuvor zehn Menschen erschossen und sich anschließend das Leben genommen hat. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte er eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank.
Es war absehbar, dass die Debatte über diese zur Nachdenklichkeit mahnende Tat wenig nachdenklich ausfallen würde. Tatsächlich wird sie dann mit aller Schärfe geführt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beobachtet die Auseinandersetzung von der Besuchertribüne aus mit ernster Miene.
Als Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zur Eröffnung der Sitzung das Wort ergreift, bleibt es noch ruhig. Schonungslos weist er auf Fehler hin. Betroffenheit reiche nicht, sagt der CDU-Politiker. Hanau fordere vor allem Aufrichtigkeit. „Aufrichtigkeit vom Staat – der sich eingestehen muss, die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben.“
Schäuble prangert das „vergiftete gesellschaftliche Klima“ im Land an, die „Hetzjagden“ in Sozialen Medien, die „unerträgliche Verrohung“. Er nimmt auch die Abgeordneten in die Pflicht: „Gewählte Repräsentanten stehen in der besonderen Verantwortung, sich von extremistischen und rassistischen Ausfällen nicht nur verbal zu distanzieren, sondern deren Urheber konsequent dort zu verorten, wo sie stehen: jenseits jedes bürgerlichen Anstands und außerhalb unserer demokratischen Ordnung. Hass und Hetze sind keine politische Haltung.“
Ralph Brinkhaus spricht im Bundestag über den Anschlag von Hanau – einen „Anschlag auf den Kern unseres Staates“. Der CDU-Politiker spricht über die beschämende Tatsache, dass Menschen in Deutschland wieder Angst haben – „Angst haben, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören, weil sie einen bestimmten Glauben haben und weil sie das Gefühl haben, der Staat kann sie nicht schützen.“ Und er spricht über Verantwortlichkeiten: „Der Feind unserer Demokratie steht in diesen Tagen rechts – und nirgendwo anders.“
Wie Unions-Fraktionschef Brinkhaus verorten auch die Redner von SPD, FDP, Grünen und Linker diese „Urheber“ klar im rechten Lager – und bei der AfD. Hanau, das sei „Massenmord“, „rassistischer und rechter Terror“ gewesen, sagt etwa der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. „Und vielleicht war es ein Einzeltäter, aber er wurde getragen von einem System der Hetze, der Erniedrigung und der Anleitung zu Gewalt. Und diese Spur führt hinein in den Bundestag, und die AfD ist der Komplize.“
Die AfD konterte mit einer für Empörung sorgenden Relativierung: „Extremismus kommt niemals nur von einer Seite, sondern immer von links wie von rechts“, sagt der AfD-Abgeordnete Roland Hartwig. Die Spaltung der Gesellschaft hätten die anderen Parteien mit ihrer Politik zu verantworten. Für Gottfried Curio (AfD) steht fest, dass der Täter von Hanau „verrückt“ gewesen sei. Die Tat werde nun der AfD in die Schuhe geschoben. „Sie spannen ermordete Menschen vor den Karren Ihrer Parteipolemik!“
Über aller Aufgeregtheit steht an diesem Vormittag im Bundestag eine Frage: Wie lässt sich rechter Terror wie der Anschlag von Hanau, der Angriff auf die Synagoge von Halle oder der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke künftig verhindern?. „Wann hört dieser Wahnsinn auf?“, habe ihn der Vater eines der Opfer von Hanau gefragt, berichtet der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour. „Die Reihe der rassistischen Morde muss mit Hanau beendet sein“, verlangt Linksfraktionschef Dietmar Bartsch.
Justizministerin Christine Lambrecht macht ihm wenig Hoffnung: Sie würde gern allen Menschen, die jetzt Angst haben, versprechen, dass sich ein solch unermessliches Leid wie in Hanau nicht wiederhole, sagt die SPD-Politikerin. „Aber ich kann es nicht. Dafür ist die rechtsterroristische Bedrohung zu groß. Und dazu ist der Rassismus zu weit in unsere Gesellschaft vorgedrungen.“
Lambrecht lässt aber keinen Zweifel: „Wir nehmen den Kampf gegen diese Bedrohung auf.“ Das werde „mit allen Mitteln des Rechtsstaates, mit aller Entschlossenheit, auch mit aller Härte“ geschehen, verspricht der CDU-Innenpolitiker Thorsten Frei: „Diejenigen, die als Protagonisten, auch als Anhänger, solche Dinge hier erzählen und tun, müssen wissen, dass sie den heißen Atem des Rechtsstaates in ihrem Nacken haben. Das muss glasklar sein.“ (dpa, iQ)