Nach dem rassistischen Anschlag in Hanau gehen Behörden nun gegen befürwortende Kommentare im Netz vor. 84 Verfahren wurden schon eingeleitet.
Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau sind einem Zeitungsbericht zufolge zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen befürwortender Kommentare im Netz eingeleitet worden. Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität habe 84 Verfahren angestrengt, sagte der Frankfurter Generalstaatsanwalt Helmut Fünfsinn den VRM-Zeitungen. Bei dem Anschlag hatte ein 43-jähriger Deutscher Rechtsterrorist am 19. Februar neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen. Weitere Menschen wurden verletzt. Der Sportschütze soll auch seine Mutter getötet haben, bevor er sich selbst das Leben nahm. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte er eine rassistische Gesinnung.
Fünfsinn nannte die sympathisierenden Äußerungen im Netz „unerträglich“. Allerdings werde man die Tatverdächtigen nur in einigen wenigen Fällen identifizieren können. „Die fehlende Vorratsdatenspeicherung wirkt sich zweifelsohne negativ auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden aus“, beklagte er.
Immer mehr Menschen in Deutschland beschweren sich über kriminelle Inhalte im Internet. Die Beschwerdestelle des Internet-Verbandes verzeichnete im vergangenen Jahr einen Anstieg der berechtigten Beschwerden um rund 50 Prozent auf 4654 Fälle. Insgesamt wurden 2019 der eco-Beschwerdestelle 311 238 Fälle gemeldet. Nach Abzug der vielen Hinweise zu Spam-Mails und Inhalten aus dem Usenet blieben 27 100 Fälle übrig. Davon hätten sich nach der juristischen Prüfung knapp 83 Prozent als „nicht berechtigt“ oder bekannte Doubletten herausgestellt. Der Anstieg der Beschwerdezahlen habe sich auch in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres fortgesetzt.
Einen Großteil der berechtigten Beschwerden mit 4371 Fällen machten sexuelle Missbrauchdarstellungen von Kindern und Jugendlichen aus. Diese würden nicht nur bei den Strafverfolgungsbehörden angezeigt, sondern auch gelöscht. Bei Internet-Webseiten, die in Deutschland gehostet wurden, seien die strafbaren Inhalte im Durchschnitt nach 2,58 Tagen entfernt worden, bei Servern im Ausland dauerte es mit 14,3 Tagen deutlich länger.
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) verteidigte bei der Vorstellung der Bilanz die Pläne der Bundesregierung, in einem neuen Gesetz gegen Hasskriminalität die Online-Firmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Danach sollen Soziale Netzwerke Nazi-Propaganda, die Billigung von Straftaten oder Mord- und Vergewaltigungsdrohungen künftig dem Bundeskriminalamt melden. Derzeit müssen Netzwerke wie Facebook oder Twitter die Hasspostings nur löschen.
„Das ist natürlich ein wahnsinniger Mehraufwand – sowohl für die Plattformbetreiber als auch für die Ermittlungsbehörden“ räumte Bär ein. Der zu erwartende Anstieg der Fallzahlen verdeutliche aber nur, wie viele strafbare Inhalte im Netz tatsächlich kursieren, die nach der geltenden Gesetzeslage nicht verfolgt werden könnten, weil die Ermittlungsbehörden nichts davon wüssten. (dpa/iQ)