Nach rassistischen Angriffen in Halle und Hanau richtet Berlin nun eine „Zentralstelle Hasskriminalität“ ein. Sie soll alle Formen vorurteilsmotivierter Straftaten fokussieren.
In der Hauptstadt wird es künftig bei der Berliner Justiz eine „Zentralstelle Hasskriminalität“ geben. Dies kündigten Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers laut einer Mitteilung vom Mittwoch an. Die Zentralstelle soll alle Formen „vorurteilsmotivierter“ Straftaten fokussieren. „Die Anschläge von Halle und Hanau haben auch bei uns dazu geführt, bestehende Strukturen zu überdenken“, sagte Behrendt. Ziel sei eine aktive Vernetzung und Kooperation mit Organisationen und Initiativen von und für Betroffene von Hasskriminalität, so Koppers.
Die Amadeu Antonio Stiftung, die sich für eine demokratische Zivilgesellschaft einsetzt und sich unter anderem gegen Antisemitismus wendet, begrüßte die Einrichtung der zentralen Stelle. Sie sei ein „wichtiges Instrument, um die Strafverfolgung zu intensivieren und die Straftaten mit der notwendigen Fachlichkeit zu bearbeiten sowie auch innerhalb der Justiz die Prozesse zu beschleunigen“, sagte der Geschäftsführer der Stiftung, Timo Reinfrank.
Auch Straftaten mit antisemitischem Hintergrund zählen laut Staatsanwaltschaft zur Hasskriminalität. Nach dem erstem Jahresbericht der Berliner Antisemitismusbeauftragten der Generalstaatsanwaltschaft wurden im Vorjahr in Berlin 386 Strafverfahren mit antisemitischem Hintergrund eingeleitet. In 156 Fällen wurden die Taten im Internet begangen.
Nach dem Anschlag in Hanau möchte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Erscheinungsformen von Islamfeindlichkeit analysieren und gründet eine Expertengruppe. Diesen Schritt fordern Muslime seit Jahren. Der Bund hat die Einrichtung eines „Unabhängigen Expertenkreises Islamfeindlichkeit“ beschlossen. „Hassprävention und Förderung der Demokratie werden jetzt im Bundesinnenministerium weiter gestärkt. Wir werden den gesellschaftlichen Dialog intensivieren und die Einbindung von Stimmen der Migrantenorganisationen verbessern“, sagte Bundesinnenminister Seehofer. Der Expertenkreis soll ähnlich wie die Gremien zu Antisemitismus und Antiziganismus arbeiten.
Der Expertenkreis werde in seiner Arbeit auf mehrere Jahre angelegt sein. „Er soll aktuelle und sich wandelnde Erscheinungsformen von Muslim- und Islamfeindlichkeit eingehend analysieren und auf Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen sowie anderen Formen gruppenbezogener Vorurteile und Ausgrenzungen hin untersuchen“, hieß es aus dem Ministerium. Die Fachleute sollen Empfehlungen für den Kampf gegen antimuslimischen Hass und islamfeindliche Ausgrenzung erarbeiten.
Nach den stetig steigenden Angriffen fordern Muslime mehr Schutz für Moscheen in Deutschland. Der Generalsekretär der Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Bekir Altaş fordert die Behörden und die Politik dazu auf, ein umfassendes Sicherheitskonzept für Moscheen, Synagogen und andere Einrichtungen religiöser Minderheiten, die ebenfalls vor einer erhöhten Bedrohungslage stehen, vorzulegen.
Auch die Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) fordert einen konsequenten Schutz von Muslimen und Musliminnen und Moscheen. Es dürfe kein Schweigen gegen Hass und Gewalt oder Relativierung der rechten Gefahr geben. Zudem fordern sie alle demokratischen, freiheitlichen und friedliebenden Menschen auf, sich der Gewalt und Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen entschieden entgegenzustellen, und solidarisch an ihrer Seite zu stehen.
Im vergangenen Jahr hat es nach Angaben der Bundesregierung statistisch jeden zweiten Tag islamfeindliche Angriffe auf eine Moschee gegeben. Demnach gab es 2019 den Angaben zufolge 184 islamfeindliche Angriffe auf Moscheen. Auch Bedrohungen sowie Körperverletzungen seien gelistet. „Islamfeindliche Gewalt und Diskriminierung seien hierzulande alltäglich“, so die Linken-Politikerin. Die Bundesregierung müsse muslimische Religionsgemeinschaften und Moscheen unterstützen. Zudem seien „Signale der Solidarität“ nötig. (dpa, iQ)