Kommende Woche sollten bundesweit tausende Veranstaltungen im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ stattfinden. Die Veranstalter rechnen aufgrund des Corona-Virus mit Absagen.
Es ist eine Binsenweisheit: Menschen werden nicht als Rassisten geboren. Sie werden im Laufe ihres Lebens dazu gemacht. Seit einigen Jahren scheint dies immer perfider zu funktionieren. Denn „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ ist präsent in Deutschland, wie jüngst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bestätigt hat. „Ja, es gibt Rassismus in unserem Land – und das nicht erst seit einigen Wochen“, sagte das Staatsoberhaupt Anfang März bei der Trauerfeier für die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags von Hanau.
Nach Steinmeiers Einschätzung gibt es eine „weit verbreitete Muslimfeindlichkeit“ in Deutschland. Menschen mit Kopftuch oder auch Menschen mit dunklerer Hautfarbe erlebten Diskriminierungen, Angriffe, Beleidigungen und Gewalt. Die „ganz große Mehrheit“ in der Bundesrepublik sei zwar gegen Ausgrenzung. Doch diese Mehrheit müsse sich auch zeigen, forderte Steinmeier. Diese Motivation treibt die Initiatoren der bundesweiten „Internationalen Wochen gegen Rassismus“, die vom 16. bis 29. März mit mehreren tausend Veranstaltungen stattfinden sollten.
Unter dem Motto „Gesicht zeigen – Stimme erheben“ waren zum 25-jährigen Bestehen der Aktionswochen etwa 200.000 Teilnehmer erwartet worden. Doch nun scheint das Coronavirus auch diesen Planungen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Der Initiator und geschäftsführende Vorstand der Aktionswochen, Jürgen Micksch, rechnete ursprünglich mit mehr als 3.500 Veranstaltungen, darunter 1.800 gemeldete Veranstaltungen wie Vorträge und Podiumsdiskussionen sowie 1.700 Freitagsgebete in Moscheen.
Am Freitagmorgen verwies Micksch darauf, dass die islamischen Religionsgemeinschaften ab sofort keine Freitagsgebete mehr durchführen. Zudem müssten nun an „mehreren Orten“ vorgesehene Veranstaltungen verschoben oder abgesagt werden. Die Entscheidung darüber treffen laut Micksch letztlich die Veranstalter vor Ort. Auch in Darmstadt, das in diesem Jahr für die zentralen religiösen Feiern ausgewählt worden war, weil dort vor 25 Jahren die ersten Veranstaltungen zum UN-Tag gegen Rassismus (21. März) stattfanden. Am 20. März 2020 sollte es ein zentrales Freitagsgebet in der Emir Sultan Moschee in Darmstadt geben. Am selben Tag war ein zentrales Sabbatgebet in der Darmstädter Synagoge geplant. „Diese beiden Veranstaltungen werden wir verschieben“, so Micksch.
Er ist geschäftsführender Vorstand der in Darmstadt ansässigen Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Sie koordiniert die Veranstaltungen, die es in Deutschland rund um den „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung“ am 21. März gibt. Schon 1966 hatte die UN-Generalversammlung den Beschluss gefasst, jenen Tag im März zum Anti-Rassismus-Tag zu erklären. Dabei nahm sie Bezug auf das sogenannte Massaker von Sharpeville am 21. März 1960 in Südafrika, bei dem die Apartheid-Polizei 69 schwarze Demonstranten erschossen hatte.
In Deutschland beachtete man diesen Gedenktag zunächst kaum. Das änderte sich erst nach den gewaltsamen, rassistisch motivierten Übergriffen zu Beginn der 1990er Jahre in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen. „Heute ist das Bewusstsein für rassistische Diskriminierung allgegenwärtig“, so Micksch. 2008 wurde der Aktionszeitraum auf zwei Wochen ausgeweitet – „aufgrund der Vielzahl von Veranstaltungen und der steigenden Beteiligung“. Doch die könnte wegen Corona nun wieder deutlich sinken. (KNA, iQ)