Vor einem Monat schockierte der islamfeindliche und rassistische Anschlag von Hanau das ganze Land. Einer Forscherin zufolge hätte man die Tat womöglich verhindern können.
Einen Monat nach dem rassistischen Anschlag in Hanau herrscht weiter Fassungslosigkeit über die Tat. Viele stellen sich auch jetzt noch die Frage, ob man die Tat hätte verhindern können – der Täter besaß als Sportschütze Waffen, die Ermittler stufen ihn nach den bisherigen Erkenntnissen psychisch auffällig ein. Der Ausländerbeirat der Stadt fordert unterdessen mehr Unterstützung für die Hinterbliebenen. Nach den schockierenden Ereignissen bedürfe es nun „einer noch intensiveren Betreuung der Angehörigen“, sagte die Vorsitzende, Selma Yılmaz-Ilkhan.
Vor einem Monat, am 19. Februar, hatte ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Weitere wurden bei dem Anschlag verletzt. Der Mann soll auch seine Mutter getötet haben, bevor er sich selbst das Leben nahm.
„Man kann versuchen, diese Täter im Vorfeld zu erkennen“, sagte die Gießener Kriminologin Britta Bannenberg, die zu Amoktätern und terroristischen Einzeltätern forscht, der Deutschen Presse-Agentur. „Letztlich sind solche Einzeltäter sehr selten. Und wir wissen aus der Forschung, dass sie im Vorfeld ihrer Taten monatelang Andeutungen machen.“
Bannenberg zufolge geht es dabei nicht um direkte Drohungen, diese bleiben eher unspezifisch. „Es wird sowas gesagt wie: „Ich werde eines Tages etwas machen, das werdet ihr nie vergessen“. Das bleibt immer so ein bisschen diffus und wirkt trotzdem bedrohlich.“
„Den terroristischen Einzeltäter zeichnet nicht nur eine ideologische Richtung aus, sondern auch Hass entweder gegen die ganze Gesellschaft oder gegen bestimmte Gruppen im Besonderen“, sagte Kriminalwissenschaftlerin Bannenberg weiter. Den Hanauer Schützen stufte sie im Kern als einen rechtsterroristischen Einzeltäter ein – „aber mit Elementen eines Amoktäters“. Er zeige in seinem Pamphlet einen sehr realen Rechtsextremismus, der in einer schlimmen Mehrfachtötung gemündet hat“.
Wichtig sei es, als Gesellschaft aufmerksam zu sein, betonte Bannenberg. An ihrem Institut an der Uni Gießen gibt es das „Beratungsnetzwerk Amokprävention„, an das sich Menschen wenden können, die befürchten, dass eine Person in ihrem Umfeld zum Täter werden könnte. Nach dem Anschlag von Hanau und der Gewalttat im nordhessischen Volkmarsen, bei dem ein Mann am Rosenmontag ein Auto in eine Menschenmenge steuerte und Dutzende verletzte, verzeichnet demnach die Beratungsstelle mehr Anrufe. Wenn man Verdachtsmomente habe, dann gehe es darum, Informationen zusammenzutragen.
Ein Appell der Kriminologin: „Ich glaube, die Polizei, die Psychiatrien und auch die Justiz müssen etwas mutiger im Handeln sein“, sagte die Professorin. „Sie müssen auch teilweise wacher sein, wenn Äußerungen zu Gefahrensignale existieren. Ich weiß nicht, wie viele Menschen auch abgewimmelt werden, wenn gesagt wird: „Ich bin besorgt über jemanden“. Es muss eine spezialisierte Bedrohungsabklärung stattfinden. Das kann Polizei eigentlich sehr gut leisten.“
Die Vorsitzende des Hanauer Ausländerbeirats sagte, der Monat seit dem Anschlag sei eine Zeit mit vielen Tränen, viel Schmerz und Leid gewesen, nicht nur für die Angehörigen der Opfer, sondern auch für viele weitere Menschen, die auf die eine oder andere Weise beteiligt und betroffen gewesen seien.
Der Ausländerbeirat werde seinen Beitrag bei der Unterstützung der Opfer leisten, erklärte Yılmaz-Ilkhan. Das Gremium wolle aber auch politische Forderungen formulieren, damit sich solch eine Tat nicht wiederhole. „Auch ist derzeit der größte gemeinsame Nenner aller Familien eindeutig der Wunsch, dass diese Untat und dessen Opfer niemals in Vergessenheit geraten“, sagte die Politik- und Sozialwissenschaftlerin Yılmaz-Ilkhan. Sie forderte eine lückenlose Aufklärung des Falls.
Die Stadt Hanau ergriff nach dem Anschlag diverse Maßnahmen zur Unterstützung der Angehörigen. So wurden unter anderem Opferbeauftragte eingesetzt, die den Familien nach wie vor helfen. (dpa, iQ)