Corona-Krise

Ramadan ohne Fasten ist wie Weihnachten ohne Geschenke

Der Ramadan steht vor der Tür, und das mitten in der Corona-Krise. Kann der Monat Ramadan oder das Fasten verschoben werden? Ein Beitrag von Muhammed Suiçmez.

11
04
2020
Fasten Ramadan
Ramadan © shutterstock, bearbeitet by iQ

In knapp zwei Wochen beginnt für Muslime weltweit der Fastenmonat Ramadan. Einen Monat lang werden sie von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang fasten. Dass sie gerade in Zeiten des Corona-Virus fasten möchten, ist für manche kaum nachvollziehbar.

Aus diesem Grund haben auch schon Debatten über den Ramadan und das Fasten begonnen. Einige wenige fordern die „Verschiebung“ des Monats Ramadan, da das Fasten die Gesundheit des Köpers schwächen und man sich schneller mit dem Virus anstecken könne. Doch ist diese Forderung unverständlich. Der Monat Ramadan ist fest im islamischen Mondkalender verankert und kann nicht verschoben werden, so wie auch der April nicht in den Oktober verlegt werden kann.

Wenn man schon den Ramadan nicht verschieben kann, könnte dann zumindest das Fasten in einem anderen Monat nachgeholt werden? Auch dies muss verneint werden. Was den Monat Ramadan so besonders macht, ist das Fasten. „…Wer von euch in diesem Monat zugegen ist, soll während seines Verlaufs fasten“, heißt es im Koran (Sure Bakara, 2:185). Insofern ist das Fasten im Monat Ramadan für den Muslim verpflichtend (Sure Bakara, 2:183), genauso wie das fünfmalige tägliche Gebet.

Kurz vor Ramadan kursieren auch in den sozialen Netzwerken unterschiedliche Fatwas zur Verschiebung des Fastens im Monat Ramadan. Eine Fatwa ist ein auf die spezifische Situation des Gläubigen zugeschnittenes Gutachten. Sie ist aber kein bindendes Rechtsurteil. So hat kürzlich der Generalsekretär des ägyptischen Fatwa-Rates Scheich Khaled Omran erklärt, dass es möglich sei, das Fasten für alle Muslime, unabhängig ihres gesundheitlichen Zustands, zu verschieben, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Essen und Trinken auf den Tag verteilt empfiehlt. Die verpassten Tage müssten dann nachgeholt werden. Da ältere und kranke Menschen aufgrund ihrer körperlichen Situation dem Fasten fernbleiben können, brauchen sie keine Fatwa.

Wer darf das Fasten aussetzen?

Allah hat den Menschen in der Religion nichts Schweres auferlegt (Sure Hadsch, 22:78) und er verpflichtet sie auch zu nichts, wozu ihre Kraft nicht ausreicht (Sure Bakara, 2: 286). Daher gibt es Erleichterungen für alle, die körperlich nicht in der Lage sind, zu fasten. Sie müssen das Fasten zu einem anderen Zeitpunkt nachholen bzw. zum Ausgleich für jeden nicht gefasteten Tag einen Armen speisen. (Sure Bakara, 2:183-184). Überlieferungen des Propheten Muhammad (s) belegen, dass schwangere und stillende Frauen ebenfalls nicht zu fasten brauchen.

Ramadan ohne Gemeinschaft

Mit dem Ausbruch des Corona-Virus haben islamischen Religionsgemeinschaften in Europa ihre Moscheen bis auf weiteres geschlossen und alle gemeinschaftlichen Gebete und Veranstaltungen abgesagt. Aufgrund der aktuellen Lage wird dieser Zustand auch den Ramadan über so bleiben. So werden Millionen Muslime den Ramadan in alleiniger Gesellschaft zu Hause, ohne Gemeinschaft, ohne den Besuch in der Moschee verbringen. Und das vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben.

Im Türkischen pflegen Ältere nostalgisch zu sagen „Wo sind die alten Ramadan-Monate geblieben?“ (tr. Nerde o eski Ramazanlar?). Damit drücken sie ihre Sehnsucht an die Zeiten aus, in denen die Großfamilie zusammen in einem Haus lebte und zum Iftar zusammenkam. Die Jüngeren werden sich später nicht an den Ramadan 2020 erinnern, doch Erwachsene werden diesen Ramadan nicht vergessen.

Es bleibt zu hoffen, dass keine neue Generation heranwächst mit dem Spruch auf den Lippen: „Nerde o eski Ramazanlar?“ Denn ein Ramadan ohne das Fasten und die Moschee und die Gemeinschaft ist wie Weihnachten ohne Familie und ohne Geschenke unter dem Tannenbaum. Es waren die Abende in den Moscheen, die den Ramadan vollkommen machten. Dieses Jahr werden sie fehlen.

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
-- "Was den Monat Ramadan so besonders macht, ist das Fasten." (Aus dem Artikel) Als könnte man nicht auch in jedem anderen Monat fasten...
12.04.20
12:30
Zaid el-Mogaddedi sagt:
Die kürzlich veröffentlichte Aussage der Integrationsbeauftragten Annette Widmann-Mauz (CDU) und die sich daran anschließende Berichterstattung zeigen, dass es immer sinnvoller ist, wenn sich Experten explizit zu einen Sachverhalt austauschen, so wie wir es in den aktuellen Covid 19 Diskussionen der letzten Wochen auch erlebt haben, denn dann wäre uns die Frage, ob und wie der Fastenmonat Ramadan, der eine der 5 grundlegenden Säulen im Islam darstellt, erspart geblieben und vor allem auch die mit der Berichterstattung einhergehende negative Konnotation zum Dauerbrennerthema „Islam in Deutschland“. Subjektiv wahrhaftige Berichterstattung war schon immer eine besondere Kunst und jeder News-Konsument ist nicht von seiner Verpflichtung entbunden, ihm vorgesetzte Nachrichten selber noch einmal zu überprüfen, um diese zu verifizieren, zu falsifizieren oder eben ad acta zu legen. Zusätzlich ist die nun von einigen Medien und politisch Verantwortlichen grundlos ausgelöste Diskussion um das Thema Ramadan in Zeiten von Covid 19 „flüssiger als flüssig, nämlich überflüssig“ und wirft im Hinblick auf die daraus resultierende und nicht immer von Sachverstand ausgetragene Diskussion innerhalb der muslimisch geprägten Community ein bezeichnendes Bild über selbige ab, das einem vor Augen führt, wie leicht sich diese über typisch gesetzte mediale Triggerpoints grundlos echauffiert, statt mit Ratio ausgestattet zu erkennen, dass nicht jeder vorgehaltene Stock auch übersprungen werden muss. Der Ramadan findet statt und das ist auch gut so! Er findet auch statt unabhängig davon, ob ein sog. Gelehrter schon im Vorfeld es Ramadans seine Hirnkapazität auch Schon-Modus umgestellt hat, um eine Stellungnahme abzigegeben, das der Ramadan in Zeiten von Corona zu verbieten sei. Auch Gelehrte können irren und bisweilen sogar sehr heftig. Der Ramadan findet statt, weil er eine gottesdienstliche Dimension im engsten Verhältnis des Einzelnen zu seinem Schöpfer darstellt. Was derzeit aus nachvollziehbaren epidemiologischen Gründen nicht stattfinden wird, sind die typischen mit Iftarbezug veranlassten Treffen im Familien- und Bekanntenkreis oder die besonderen gemeinschaftlichen Gebete in der Moschee im Ramadan. Dies weiß jede Muslima und jeder Muslim und wer über die notwendige intellektuelle und islamologische Kapazität verfügt, der wird das auch so sehen und bewerten. In diesen besonderen Tagen, die für uns alle eine nie dagewesene Herausforderung darstellen, müssen wir als Gemeinschaft der rechtschaffenen Menschen das Band der universellen Werte, welches uns unabhängig von unserer religiösen Lebensanschauung verbindet besonders beachten. Dies gilt umso mehr, für die drei großen monotheistischen abrahamitischen Religionen, bei denen sich in diesen Tagen das jüdische Passahfest, das christliche Osterereignis und der anstehende islamische Fastenmonat Ramadan in zeitlicher Abfolge ganz nah begegnen. In allen drei Ereignissen kommt klar zum Ausdruck, dass der Mensch vor allem in außergewöhnlichen Situationen, die auch eine Prüfung für seinen Glaubenskompass darstellen, im Umgang mit seinen Mitmenschen die von unserem Schöpfer gewollte Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Geduld und Nachsicht nie außer Acht lassen darf. Gerade jetzt sind wir als Menschen, unabhängig von unserer Herkunft gefordert, unser Menschsein im Lichte unserer religiösen Lebenspraxis zu praktizieren.
12.04.20
14:55
Johannes Disch sagt:
@Zaid.... Man kann den Ramadan auch so begehen, dass man die nötigen Sicherheitsmaßnahmen einhält. Entbehrungen müssen in dieser Situation alle Gläubigern der monotheistischen Religionen erdulden: Die Juden dürfen nicht in die Grabeskirche und Christen dürfen zu Ostern nicht in die Kirche. Eine Pandemie ist ein gewichtiger Grund für solche Einschränkungen.
12.04.20
20:33
@deutschland sagt:
Wenn Christen verzichten müssen dann Muslime auch!!! Uns ist Ostern auch heilig, wir konnten nicht in die Kirche, wir durften nicht zusammen sitzen und zusammen Essen mit den Familien. Da sind Muslime nix besseres und euer Ramadan ist nach 22:00 Uhr eine Ruhestörung!!! Zudem sind Gesetze eben Gesetzte und dass auch für Muslime die hier in Deutschland leben. Wem es nicht passt, adios!!
14.04.20
17:43