Der Ramadan steht vor der Tür, und das mitten in der Corona-Krise. Kann der Monat Ramadan oder das Fasten verschoben werden? Ein Beitrag von Muhammed Suiçmez.
In knapp zwei Wochen beginnt für Muslime weltweit der Fastenmonat Ramadan. Einen Monat lang werden sie von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang fasten. Dass sie gerade in Zeiten des Corona-Virus fasten möchten, ist für manche kaum nachvollziehbar.
Aus diesem Grund haben auch schon Debatten über den Ramadan und das Fasten begonnen. Einige wenige fordern die „Verschiebung“ des Monats Ramadan, da das Fasten die Gesundheit des Köpers schwächen und man sich schneller mit dem Virus anstecken könne. Doch ist diese Forderung unverständlich. Der Monat Ramadan ist fest im islamischen Mondkalender verankert und kann nicht verschoben werden, so wie auch der April nicht in den Oktober verlegt werden kann.
Wenn man schon den Ramadan nicht verschieben kann, könnte dann zumindest das Fasten in einem anderen Monat nachgeholt werden? Auch dies muss verneint werden. Was den Monat Ramadan so besonders macht, ist das Fasten. „…Wer von euch in diesem Monat zugegen ist, soll während seines Verlaufs fasten“, heißt es im Koran (Sure Bakara, 2:185). Insofern ist das Fasten im Monat Ramadan für den Muslim verpflichtend (Sure Bakara, 2:183), genauso wie das fünfmalige tägliche Gebet.
Kurz vor Ramadan kursieren auch in den sozialen Netzwerken unterschiedliche Fatwas zur Verschiebung des Fastens im Monat Ramadan. Eine Fatwa ist ein auf die spezifische Situation des Gläubigen zugeschnittenes Gutachten. Sie ist aber kein bindendes Rechtsurteil. So hat kürzlich der Generalsekretär des ägyptischen Fatwa-Rates Scheich Khaled Omran erklärt, dass es möglich sei, das Fasten für alle Muslime, unabhängig ihres gesundheitlichen Zustands, zu verschieben, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Essen und Trinken auf den Tag verteilt empfiehlt. Die verpassten Tage müssten dann nachgeholt werden. Da ältere und kranke Menschen aufgrund ihrer körperlichen Situation dem Fasten fernbleiben können, brauchen sie keine Fatwa.
Allah hat den Menschen in der Religion nichts Schweres auferlegt (Sure Hadsch, 22:78) und er verpflichtet sie auch zu nichts, wozu ihre Kraft nicht ausreicht (Sure Bakara, 2: 286). Daher gibt es Erleichterungen für alle, die körperlich nicht in der Lage sind, zu fasten. Sie müssen das Fasten zu einem anderen Zeitpunkt nachholen bzw. zum Ausgleich für jeden nicht gefasteten Tag einen Armen speisen. (Sure Bakara, 2:183-184). Überlieferungen des Propheten Muhammad (s) belegen, dass schwangere und stillende Frauen ebenfalls nicht zu fasten brauchen.
Mit dem Ausbruch des Corona-Virus haben islamischen Religionsgemeinschaften in Europa ihre Moscheen bis auf weiteres geschlossen und alle gemeinschaftlichen Gebete und Veranstaltungen abgesagt. Aufgrund der aktuellen Lage wird dieser Zustand auch den Ramadan über so bleiben. So werden Millionen Muslime den Ramadan in alleiniger Gesellschaft zu Hause, ohne Gemeinschaft, ohne den Besuch in der Moschee verbringen. Und das vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben.
Im Türkischen pflegen Ältere nostalgisch zu sagen „Wo sind die alten Ramadan-Monate geblieben?“ (tr. Nerde o eski Ramazanlar?). Damit drücken sie ihre Sehnsucht an die Zeiten aus, in denen die Großfamilie zusammen in einem Haus lebte und zum Iftar zusammenkam. Die Jüngeren werden sich später nicht an den Ramadan 2020 erinnern, doch Erwachsene werden diesen Ramadan nicht vergessen.
Es bleibt zu hoffen, dass keine neue Generation heranwächst mit dem Spruch auf den Lippen: „Nerde o eski Ramazanlar?“ Denn ein Ramadan ohne das Fasten und die Moschee und die Gemeinschaft ist wie Weihnachten ohne Familie und ohne Geschenke unter dem Tannenbaum. Es waren die Abende in den Moscheen, die den Ramadan vollkommen machten. Dieses Jahr werden sie fehlen.