Nachgefragt

„Es ist auch heute möglich, sich halal zu ernähren“

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Dilara Faslak und ihr „Halal Lexikon“.

02
05
2020
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Halal Lexikon

IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch „Halal Lexikon“ gerne schenken und warum?

Dilara Faslak: Allen muslimischen und vegetarischen Verbrauchern in Deutschland, die zwischen den ganzen chemischen Zauberformeln die Übersicht verloren haben. Denen, die mithilfe von unhaltbaren E-Nummer Listen versuchen, sich beim Einkaufen einen Überblick zu verschaffen. Beim Lesen des Buches werden sie schnell bemerken, dass sich die Praxis in diesem Kontext, von der webbasierten Theorie stark unterscheiden kann, und zwar im positiven Sinne. Der Einkauf könnte also viel leichter erledigt werden.

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

Faslak: Das Buch zeigt zwei grundlegende Debatten auf, in denen unabhängig voneinander zwei verschiedene Ansichten vertreten werden: 1. „Halal steht für Tierquälerei“ und 2. „In Deutschland ist es nicht möglich bzw. sehr schwer, sich halal zu ernähren.“

Die Vertreter der letzteren Debatte neigen dazu, ohne über das ausreichende islamrechtliche Wissen zu verfügen, Zutaten als haram einzuordnen. Das Buch stellt klar, dass der Großteil der als bedenklich angesehenen Hilfs- und Zusatzstoffe doch als halal angesehen werden kann.

Dilara Faslak
Halal Lexikon – das Nachschlagewerk rund um Halal-Ernährung
ISBN: 978-3-947179-57-2
132 Seiten
1. Auflage
März 2020

Der andere Diskurs zeigt auf, dass der Begriff „halal“ unter der deutschen Community – vor allem im Vergleich zu den restlichen europäischen Ländern – erstaunlich negativ konnotiert ist. Er wird nur auf die betäubungslose Schlachtung reduziert. Auch hier wird im Buch im Bezug der Thematik zur Schlachtung ersichtlich, dass Halal-Fleisch überwiegend von einer Schlachtung mit Betäubung nach der deutschen Gesetzgebung stammt. Wichtiger zu erwähnen ist aber, dass „halal“ weitaus mehr ist: der ethische und gesundheitliche Aspekt in Bezug auf Speise spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle.

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Faslak: Meine Intention ist es, dem Leser einen erweiterten Blickwinkel zu verschaffen. Im islamischen Recht gibt es viele Grauzonen bzw. Freiräume. Der Einblick in die Begründungen vieler verschiedener Rechtsschulen, religiöser Gemeinschaften und Gelehrten ermöglicht den Leser dazu, verständnisvoller mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen, auch wenn man sich nicht in allen Punkten einig ist. Die Akzeptanz anderer Ansichten ist hier das Ausschlaggebende, denn der Bestand an Vielfältigkeit ist aus islamischer Sicht ein Segen.

IslamiQ: Ihr Buch „Halal Lexikon“ in drei Wörtern zusammengefasst?

Faslak: Deskriptiv, Lebensmitteltechnik, Islamrecht.

IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: Es ist sicher möglich, sich bewusster zu ernähren. Ist es auch möglich, sich in der heutigen Zeit vollkommen halal zu ernähren?

Faslak: Selbstverständlich. Wie definieren wir halal überhaupt? Eine „bewusste Ernährung“ würde schon einen erheblichen Teil der Halal-Speisen abdecken. Denn gesundheitsbewusst, tierschutzbewusst und umweltbewusst sind grundlegende Bausteine, mit denen man eine Halal-Ernährung füllen sollte. Der Schöpfer zählt im Koran nur die wenigen verbotenen Stoffe auf. Alles andere ist also halal, somit erlaubt. Durch die Befolgung des Mittelweges (al-Wasat) können wir uns auch heute, trotz der immensen Anzahl an Fertigprodukten, halal ernähren.

Das ausschlaggebende hierbei ist das maßvolle Handeln, denn in zahlreichen Koranversen und Überlieferungen des Propheten wird von einer Über- und Untertreibung gewarnt: „Religion ist Erleichterung. Wer versucht, die Religion zu übertreffen, der wird ihr unterliegen. Also wählt den Mittelweg. Versucht, euer Bestes zu tun, dann gelte frohe Kunde für euch.“ (Buhâri, Îmân, 29)