Ein schwer bewaffneter Mann ist im vergangenen August in eine Moschee in der Nähe von Oslo eingedrungen. Am Donnerstag startet der Prozess gegen den Moschee-Attentäter.
Acht Jahre nach dem Prozess gegen den Massenmörder Anders Behring Breivik beginnt in Norwegen ein neues Gerichtsverfahren gegen einen mutmaßlichen Rechtsterroristen. Der 22-jährige Norweger ist angeklagt, im vergangenen August eine Moschee angegriffen zu haben – „mit dem Ziel, so viele Muslime wie möglich zu töten“, wie es die Staatsanwaltschaft formulierte. Ihm drohen bis zu 21 Jahre Gefängnis.
Ab Donnerstagmorgen muss sich der Mann vor dem Bezirksgericht der Kommunen Asker und Bærum verantworten. 14 Hauptverhandlungstage sind bis zum 26. Mai in Saal 11 des Gerichts in Sandvika westlich von Oslo angesetzt, um unter anderem die Tathintergründe, die Rolle einer rechtsextremen Widerstandsbewegung und die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu klären. Er sitzt seit fast neun Monaten in Untersuchungshaft und gestand die Taten bereits – für schuldig hält er sich aber nicht.
Wegen der Corona-Pandemie werden bei dem Prozess nur die wichtigsten Akteure, darunter die zuständige Richterin, die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit seinen Verteidigern, im Saal anwesend sein. Presse und Publikum können lediglich per Video dabei sein, die knapp 30 Zeugen werden nach Angaben einer Gerichtssprecherin für ihre Aussagen aus einem anderen Saal zugeschaltet. Wann ein Urteil gefällt wird, ist noch unklar – und erst danach wird klar sein, ob Norwegen zum zweiten Mal innerhalb von zehn Jahren einen Angeklagten mit offen rechtsextremer Haltung zu einer langen Haftstrafe verurteilt.
Bei Breiviks Anschlägen im Osloer Regierungsviertel und auf der Insel Utøya waren am 22. Juli 2011 insgesamt 77 Menschen getötet worden. Der Rechtsterrorist wurde ein Jahr später zur Maximalstrafe von 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.
Verglichen mit der schwersten Straftat der jüngeren norwegischen Geschichte ging der Moschee-Angriff deutlich glimpflicher aus, wenn auch nicht ohne Todesopfer: Wie aus der Anklageschrift der Osloer Staatsanwaltschaft hervorgeht, tötete der damals 21-Jährige am Nachmittag des 10. Augusts 2019 zunächst seine 17 Jahre alte und aus China adoptierte Stiefschwester mit vier Schüssen aus einem Jagdgewehr.
Eine knappe Stunde später griff er demnach bewaffnet mit zwei Schusswaffen die Moschee in Bærum an. Er gab vier Schüsse auf eine Glastür des Gotteshauses ab, ehe er in den Gebetsraum eindrang und auf drei Gläubige zielte. Einer von ihnen konnte den Angreifer jedoch überwältigen. Die Polizei nahm den Attentäter schließlich fest.
Niemand außer der Stiefschwester des Angeklagten starb an diesem Tag. Dennoch wühlte das Attentat die Norweger auf, auch international machte es Schlagzeilen. Es reihte sich 2019 in mehrere Taten von Rechtsextremisten weltweit ein, darunter die auf zwei Moscheen in Neuseeland fünf Monate vor und auch die auf eine Synagoge in Halle zwei Monate nach dem Moschee-Angriff von Bærum.
Der Norweger hatte ein wichtiges religiöses Fest für seine Pläne ausgewählt: Er attackierte die Al-Noor-Moschee am Vorabend des islamischen Opferfestes. Zuvor soll er in Online-Foren rechtsextreme und islamfeindliche Haltungen geäußert und die Tat eines Australiers als Vorbild gehuldigt haben – jenes Attentäters, der bei seinen Angriffen auf die beiden Moscheen im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt hatte.
Nach Polizeiangaben wollte der 22-jährige Norweger Angst unter Muslimen schüren. Er selbst zeigte bei Haftprüfungsterminen vor Gericht immer wieder den Hitlergruß und verwies nach Angaben der Zeitung „Dagbladet“ unter anderem darauf, er befürchte einen „Rassenkrieg“ in Norwegen. Seine Verteidiger Unni Fries und Audun Beckstrøm kündigten an, dass er während der Hauptverhandlung wahrscheinlich eine Erklärung für sein Vorgehen abgeben wolle – ob mit oder ohne erhobenem rechten Arm, das wird sich zeigen. (dpa, iQ)