Ramadan

„Bitte gönnen Sie uns den Ramadan“

„Auch kein Wasser?!“, „Was, bis zum Abend?!“, „Ist das denn nicht ungesund?!“ Fragen, die Muslime im Ramadan oft zu hören bekommen. Wenn sie von Politikern kommen, sind sie besonders bedenklich, meint Lütfiye Turhan.

14
05
2020
Muslime im Ramadan © Shutterstock, bearbeitet by iQ
Muslime im Ramadan © Shutterstock, bearbeitet by iQ

Muslime feiern momentan den Monat Ramadan, den sie als „König der elf Monate“ bezeichnen. Jedes Jahr freuen sie sich darauf und sehnen sich nach ihm, wenn er vorbei ist. Im Ramadan tanken sie spirituelle Kraft, sie treffen sich virtuell oder vor Ort und nehmen sich die Zeit sich selbst, ihre Taten und ihr Umfeld auf eine andere Art und Weise wahrzunehmen. Ramadan ist für Muslime wunderschön und wird es bleiben!

Doch manchmal hat man das Gefühl, dass Muslimen diese Zeit nicht gegönnt wird. Alljährlich bereiten sie sich auf die Fragen und Vorwürfe vor – und machen sich inzwischen auch einen Spaß draus: „Auch kein Wasser?!“, „Was, bis zum Abend?!“, „Ist das denn nicht ungesund?!“. Auch wenn viele nur aus Interesse fragen und Muslime mit Respekt begegnen, es gibt auch solche, die das eben nicht tun und tatsächlich beschuldigende Worte von sich geben. Und noch mehr tut es weh, wenn diese Worte von Politikern kommen.

Ramadan: Erklären oder rechtfertigen?

Es gab so viele Erklärungsversuche, doch wenn diese Erklärungen jährlich erforderlich werden, fragt man sich, ob man denn wirklich verstehen möchte oder darauf hofft, dass Muslime sich aufs Neue versuchen, rechtzufertigen (was sie und wir nicht müssen!) oder aufgeben?

Abgesehen davon, dass Kinder nicht verpflichtend sind zu fasten und sicherlich die wenigsten ihre Kinder zum Fasten zwingen, warnt und droht (!) Frau Kühne-Hörmann davor, sich strafbar zu machen. Frau Giffey betonte 2019, wie wichtig es ist, dass die Kinder gesund sind und bleiben. Weil sie sicherlich die einzige ist, die sich um die Gesundheit der Kinder sorgt.

Empathie ist gefragt

Hinzu kommen Worte, die absolut nicht authentisch wirken. Zu diesen Aussagen gehört die, dass „das Lernen in der Schule“ vorgeht. Liebe Frau Giffey, liebe alle, die derselben Argumentation folgen: Waren Sie jemals ein Kind mit ausländischen Wurzeln? Mussten Sie jemals mehr als 100% geben, um mindestens dieselbe Note zu haben wie der Sitznachbar, der „deutscher“ war als Sie? Wurde Ihnen jemals während Ihres Praktikums an einer Schule sinngemäß gesagt, dass Sie mit Ihrem Aussehen bzw. Ihrem Kleidungsstil das Bild der Schule kaputt machen? Sagte Ihnen jemals ein Schulleiter sinngemäß, dass Sie Ihren Personalausweis an die Stirn kleben müssten, um als Deutsch angesehen zu werden?

Wie oft mussten Sie Steine, die Ihnen auf den Weg gelegt worden sind, aufräumen? Sind die vier Wochen, in denen die Kinder und Jugendlichen intensiver ihre Religion ausüben möchten, Barrieren zum Lernen? Oder sind es nicht vielmehr andere Probleme, die wir leider noch immer an den Schulen haben, die behoben werden müssen, um Kindern und Jugendlichen den Spaß und die Motivation am Lernen wieder zu geben bzw. zu stärken? Wie oft mussten Sie sich für einen Ihrer Feiertage fast schon rechtfertigen? Wie oft haben Sie sich auf die Vorwürfe vorbereiten müssen, um diese nicht persönlich zu nehmen? Muslime möchten das auch nicht mehr tun müssen.

Danke, dass es Sie gibt!

Gerade die Zeit der Pandemie lehrt uns, wie wichtig es ist, zusammenzuhalten und einander zu respektieren. Bitte gönnen Sie Muslimen, Ramadan zu genießen.

Danke an alle Politikerinnen und Politikern, Lehrerinnen und Lehrern, Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, Kolleginnen und Kollegen, Nachbarinnen und Nachbarn und allen anderen Mitmenschen, die den Fastenmonat Ramadan respektieren, Muslimen gratulieren und Toleranz zeigen. Danke, dass es Sie gibt!

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Rechtfertigungen sind nur neues Futter für jene, die einem Schuldgefühle suggerieren wollen, weil man selbst fastet oder seine Kinder dazu animiert. Deshalb sind Rechtfertigungen eigentlich nicht nötig. Manche Herren (und Damen) von der Politik wollen aus Geltungssucht eine Scheindebatte anstoßen, was verhindert werden muss. Sowas hat im Ramadan nun wirklich nichts zu suchen. Die Ausführungen von Kühne-Hörmann können kaum absurder sein. Politiker wie Kühne-Hörmann gehören in Ihre Schranken verwiesen. Damit hat sichs.
14.05.20
18:41
Stratmann sagt:
An dem Beitrag von Frau Lütfiye Turhan kann ich auch aufgrund der eigenen Familiengeschichte Vieles nachvollziehen. Doch man sollte auch andere Aspekte sehen und ernst nehmen. Oft fasteten in Sommermonaten auch viele Kinder (freiwillig, wie Eltern und viele Imame betonen). Wiederholt kollabierten Kinder, oft mussten sie sogar mit Feuerwehr ins Krankenhaus gebracht werden. Solche Vorgänge sind erst recht dann verantwortungslos, wenn Eltern tagsüber nicht erreichbar sind und die Kinder nicht abholen können. Wiederholt boykottierten Jugendliche nachmittägliche Unterrichtsveranstaltungen, weil aufgrund des Fastens ihnen diese nicht mehr zugemutet werden könnten. Dazu sagen mir türkische Lehrer: So etwas würde in der Türkei nicht geduldet. Kinder müssten nicht fasten und Jugendliche könnten, wenn dem Fasten andere Verpflichtungen entgegenstünden, ihre Fastenzeit verschieben. Frau Lütfiye Turhan kann sich sicherlich auch an den Juni 2017 erinnern: Damals riefen Muslime (auch der Zentralrat der Muslime) zu Demonstrationen „ Nicht mit uns ! „ auf, womit sie dagegen protestieren wollten, dass Islamisten im Namen des Islam Terror einsetzen – auch gegen Muslime und Migranten in Europa. Die Demonstrationen wurden nur geringfügig besucht. Eine Erklärung (so auch manche offizielle muslimische Stellungnahme) war: Muslimen könnte wegen des Ramadan-Fastens im Sommer solche Demonstration nicht zugemutet werden.
14.05.20
21:20
Sam Dab sagt:
Ist den diese Eva Kühne-Hörmann Justizministerin oder Gesundheitsministerin. Sie sollte sich lieber um ihren eigenen Job drumkümmern. Und mit der populistischen Politik aufhören.
15.05.20
23:59