Der Ramadan ist für viele Muslime eine Zeit der Gemeinschaft und Nähe. Wegen Corona heißt es dieses Jahr jedoch: Abstand halten. IslamiQ-Leser halten ihre Gefühle in Ramadan-Briefen fest. Heute Sarah Younossi an ihren verstorbenen Vater.
Lieber Papa,
am siebten Tag des Ramadan bist du zu Allah zurückgekehrt. Was für ein gesegneter und würdiger Abschied! Leider konntest du den Segen des diesjährigen Ramadan nicht mehr selbst ernten. Doch erwähnen wir deinen Namen in unseren Gebeten. Selbst Menschen, die du lange nicht mehr gesehen hast, gedenken und ehren dich. Denn du warst ein wundervoller Mensch und bist viel zu früh von uns gegangen. Doch so wollte es Allah.
Ramadan ist und wird nie dasselbe sein ohne dich. Auch deine Moschee wird dich vermissen. Wer kümmert sich jetzt um sie? Ich werde alles dafür tun, damit dein Werk erhalten bleibt und die jahrelange Mühe und Liebe, die du darein gesteckt hast, nicht verloren geht. Ich erinnere mich sehr gut an die letzten Ramadan-Monate: Als du abends von der Arbeit gekommen bist, duftete es im Haus bereits. Das Essen war fertig, ich musste nur noch den Tisch decken. Sobald wir den ersten Schluck zu uns nehmen durften, riefst du uns auch schon zum Abend-Gebet. Ganz friedlich und still beteten wir, nur deiner ruhigen Stimme horchten wir.
Nun bist du nicht mehr da. Das Tarâwîh-Gebet darf diesen Ramadan nicht oder nur sehreingeschränkt stattfinden, genauso wie der gemeinsame Iftar. Auch Feierlichkeiten zum Ramadanfest in der Moschee sind dieses Jahr nicht vorstellbar. Ich kann mir vorstellen, dass das Tarâwîh-Gebet in der Moschee in den nächsten Jahren auch nicht mehr dasselbe ohne dich sein wird. Deine Moschee wird dich gewiss vermissen.
Lieber Papa, deine Abwesenheit wird an jedem Tag, in jeder Situation gespürt werden. Der gesegnete Monat Ramadan ist gewöhnlich die schönste Zeit im Jahr, jedoch fällt es mir dieses Jahr sehr schwer, ihn so zu betrachten. Es ist nämlich die schwerste Zeit, die ich bisher in meinem ganzen Leben durchlebt habe und dieser Verlust ist die schmerzvollste Erfahrung, die ich machen musste.
Ich bete, dass die nächsten Ramadan-Monate blühen werden wie du, lieber Papa. Ich bete, dass unsere muslimische Gemeinschaft in den kommenden Jahren wieder Gemeinschaft erleben kann und uns das gemeinsame Gebet, Schulter an Schulter, wieder ermöglicht wird.
Meine Erinnerungen an dich und an die Art, wie wir unseren Gottesdienst im Ramadan gepflegt haben, werde ich für immer behalten und sie eines Tages mit meiner eigenen Familie fortzuführen. Die Erinnerung an dich wird für immer in unseren Herzen verweilen und aufblühen, wann immer wir dir gedenken.
In Liebe
Deine Tochter Sarah