Brandanschläge, Schmierereien, eingeschlagene Fensterscheiben, verwüstete Gebetsräume und Bombendrohungen. Die Angriffe auf Moscheen häufen sich – und hinterlassen Spuren. So wie vor einem Jahr in Hagen. IslamiQ hat mit der Gemeinde gesprochen.
Dieses Jahr die Corona-Pandemie, letztes Jahr der Anschlag. Beide Jahre werden für die Ulu-Moschee der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in Hagen wohl unvergesslich sein. Am 25. Mai 2019 verübte ein Täter einen Brandanschlag auf die Moschee – kurz bevor Kinder dort ankamen. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Dennoch bleiben Spuren der feigen Tat spürbar.
Bei dem Brandanschlag wurden insgesamt sechs Müllcontainer in Brand gesetzt, die sich im umschlossenen Eingangsbereich der Moschee befanden. „Wäre jemand im Gebäude gewesen, hätte er keine Chance gehabt heil rauszukommen“, erklärt Vorsitzender Ömer Oral gegenüber IslamiQ. Es sei wie in einem Horrorszenario gewesen. Der Eingang war stark beschädigt worden und der Rauch hatte sich stark ausgebreitet. Die Nachbarn mussten aus ihren Häusern evakuiert werden.
Eltern, die mit ihren Kindern in die Moschee wollten, bemerkten den Brand und alarmierten die Polizei. Kurze Zeit später wurde der Täter festgenommen und im Februar dieses Jahres zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
„Die Polizei ging zunächst nicht von einer politisch motivierten Tat aus. Wir hatten Glück, dass er überhaupt verurteilt wurde“, erklärt Oral erleichtert. Erst nach dem Gutachten eines Brandsachverständigen bewertete die Staatsanwaltschaft Hagen den Fall als besonders schwere Brandstiftung und versuchten Mordes.
Der stellvertretende Generalsekretär der IGMG, Murat Gümüş, betonte wie wichtig es ist, solche Fälle aufzuklären und zum Abschluss zu bringen. „In diesem Fall wurde der Täter gefasst und verurteilt. Das war eine sehr positive Nachricht“, sagt Gümüş gegenüber IslamiQ.
„Jeder Angriff auf eine Moschee ist einer zuviel“, sagt Gümüş. Daher müsse jeder einzelne Fall genauestens untersucht werden. „Die Behörden sowie die Politik müssten dafür sorgen, dass die Täter für ihre Angriffe verurteilt werden.“
Die Aufklärungsquote von islamfeindlich motivierten Straftaten sei nach wie vor erschreckend niedrig. Auch deshalb werden die meisten Straftaten von den Betroffenen oft nicht zur Anzeige gebracht. Sie gehen davon aus, dass die Täter ohnehin nicht ermittelt werden.
Dennoch habe der Vorfall die Gemeinde näher zusammengebracht. „Klar, irgendwo im Hinterkopf ist die Angst eines erneuten Anschlags noch da. Sie wird auch niemals weggehen. Aber dadurch haben wir als Gemeinde gelernt, stärker zusammenzurücken. Wir sind füreinander da“, sagt Oral weiter. Die Aktivitäten in der Gemeinde seien gestiegen. Die Nachfrage sei höher.
Nachdem Anschlag habe man neue Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Außenfassade habe man verstärkt, neue Überwachungskameras und neue Türen angebracht. Oral unterstreicht trotzdem die Haftstrafe des Täters als die beste Sicherheitsmaßnahme. Wenn das Strafmaß noch höher ausgefallen wäre, würde es Täter abschrecken, solche Taten zu begehen.
Eine Sache liegt dem Vorsitzenden besonders im Herzen: „Mal alles beiseitegelassen: mindestens eine Person hätte von der Stadt kommen und uns seine Anteilnahme bekunden müssen. Niemand von der Stadt, geschweige denn von Land und Bund, keine Behörde hat sich mit uns solidarisiert. Das ist einfach nur traurig.“ Im Gegensatz dazu gab es eine große Anteilnahme von Muslimen. Viele islamische Religionsgemeinschäften hätten sich solidarisiert.
Auch von den Medien ist Oral enttäuscht. Dem Vorsitzenden zufolge liefern sie den Treibstoff für Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft. Das müsse aufhören. Meinungen und Beiträge tarnen sich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. „Nicht jede Meinung, ist eine Meinung“, sagt er. „Trotzdem können wir Muslime dem entgegenwirken, indem wir uns – obwohl bereits vorhanden – mehr nach außen hin präsentieren.“
Auch Habib Seyhan bedauert den Vorfall auf seine Moschee. Die Moschee bedeute ihm alles. Sie sei seine Lebensader. Seine Identität. Deswegen machte ihn der Anschlag auf seine Moschee besonders traurig. „Wir waren im Ramadan. Am Abend sollte der gemeinsame Iftar stattfinden. Anschließend das gemeinsame Tarâwîh-Gebet. Ich war schon ziemlich aufgeregt. Und dann kam der Anschlag“, beschreibt Seyhan den Tag.
Seyhan ist langjähriges Mitglied der Gemeinde. Er kennt viele Moscheebesucher. Nach ihm sei das, was den meisten Gemeindemitgliedern sorgen macht, die Angst um ihre Kinder: „Die Eltern sind besorgt. Ihre Kinder sind dort quasi auf sich alleingestellt.“ Nichtsdestotrotz zeige die Gemeinde Stärke und halte zusammen. „Wir lassen uns nicht einschüchtern!“, sagt Seyhan entschlossen.
Auch Seyhan kritisiert die Behörden und die Politik. „Sie machen einfach zu wenig“, sagt er. Deswegen dürfe man nicht abwarten. Muslime in Deutschland täten zwar viel für die Öffentlichkeit, dennoch könne man noch mehr schaffen: „Wir machen mit der IGMG bei unterschiedlichen öffentlichen Projekten mit. Sei es beim Tag der offenen Moschee oder bei ‚Gestatten Muslim‘. Solche Projekte sollten man ausbauen.“