Das Gedenken an die Opfer des rechtsextremen Brandanschlags von Solingen fällt in diesem Jahr coronabedingt still aus. Es dürfe kein Aussetzen des Gedenkens geben.
Der rechtsextrem motivierte Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç am 29. Mai 1993 in Solingen, bei dem fünf Familienmitglieder starben, war in ganz Europa verurteilt worden. Jedes Jahr gedenken Menschen an die Opfer und bekunden ihre Teilhabe. Doch das Gedenken fällt in diesem Jahr still aus. Grund dafür sei die Corona-Pandemie, teilte die Stadt Solingen in einer Mitteilung mit. Zu dem Gedenken wollen sich am Freitagabend Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), Mitglieder der Genç-Familie und christliche und muslimische Vertreter am Mahnmal an einer Solinger Schule versammeln. Interessierte Bürger müssen Mund-Nasen-Schutz tragen und die Abstandsregeln einhalten.
„Ein Virus hat uns die Regie aus der Hand genommen“, sagte Kurzbach. Ein körperliches Zusammenrücken sei 27 Jahre nach dem Anschlag nicht möglich. „Allerdings kann und darf es für mich auch in diesen schwierigen Zeiten kein Aussetzen oder Verschieben des Gedenkens geben“, stellte der SPD-Politiker klar.
Trotz des großen Schicksalsschlags, hat Mevlüde Genç eine beeindrucke Lebenshaltung und betont bei jeder Gelegenheit die Wichtigkeit des gesellschaftlichen Friedens/Harmonie und ruft zum friedvollen Miteinander auf. Sie machte es sich zur Lebensaufgabe, anderen in ähnlichen Situationen Mut zu geben. Schon kurz nach dem Attentat hatte sie zur Versöhnung aufgerufen. Die NRW-Landesregierung stiftete ihr zu Ehren eine Mevlüde-Genç-Medaille.
„Wir trauern mit ihrer Familie um sie und werden sie nicht vergessen“, so Kurzbach weiter. „Streuen wir den Samen der Nächstenliebe, der Toleranz, des Dialogs und der Freundschaft aus. Mevlüde Genç hat es uns vorgemacht.“ Die Mutter, Großmutter und Tante der Toten habe den Menschen in Solingen vor 27 Jahren, noch unter dem Eindruck des Mordanschlags, die Hand gereicht und den versöhnenden, wunderbaren Satz formuliert: „Lasst uns Freunde sein!“. Diese Friedensbotschaft sei bis heute noch Auftrag der Stadt Solingen.
Die 77 Jahre alte Mevlüde Genç, die bei dem Anschlag fünf Familienmitglieder verloren hatte, werde diesmal nicht anwesend sein, weil sie zur Corona-Risikogruppe gehöre, sagte ein Sprecher der Stadt.
In der Nacht des 29. Mai hatten vier rechtsradikale Männer das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Solingen angezündet. Fünf Frauen und Mädchen starben. Mevlüde Genç verlor dabei zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. Die Täter, die 1995 wegen Mordes verurteilt wurden, sind nach abgesessener Strafe wieder frei. (dpa, iQ)