DEUTSCHLAND, DEINE UMMA!

„Ich möchte meinen Schülern den ‚Schlüssel des Lebens‘ mitgeben“

In Deutschland leben mehr als fünf Millionen Muslime. Wie viele kennen Sie? IslamiQ stellt querbeet Menschen vor, die eine Gemeinsamkeit teilen: Sie sind Teil der Umma Deutschlands. Heute Ali Kocaoğlu.

30
05
2020
Ali Kocaoglu

Ali Kocaoğlu (26) ist in der Nähe von Duisburg aufgewachsen, wohnt in Osnabrück und hat dort Islamische Theologie und Lehramt (Biologie und Islamische Religion) studiert. Zurzeit schreibt er seine Masterarbeit und arbeitet nebenbei an einer Oberschule als pädagogischer Mitarbeiter. Dort leitet er die AG Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” und unterstützt den Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht (DaZ). Zudem ist er seit 2013 Hafiz, hat also den gesamten Koran auswendig gelernt. Seine Hafiz-Ausbildung hat er sowohl in Deutschland als auch in der Türkei absolviert. Seine Ehefrau ist ebenfalls islamische Theologin und angehende Grundschullehrerin.

IslamiQ: Sie sind Theologe und angehender Lehrer. Wie stellen Sie sich Ihr Berufsleben als Lehrer vor?

Ali Kocaoğlu: Ich denke, dass meine theologischen Kenntnisse eine Ergänzung und Vertiefung zu meinen religionspädagogischen Kompetenzen sind und mich in diesem Sinne auch in meinem Berufsleben als angehender Lehrer unterstützen werden. Zudem möchte ich parallel zu meinem Lehrerberuf in diesem Bereich promovieren und einen Beitrag für die islamische Religionspädagogik in Deutschland leisten.

IslamiQ: Sie sind Sie Leiter der AG Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und unterstützen das Fach Deutsch als Zweitsprache. Was ist ihr Motiv?

Kocaoğlu: In der AG sprechen wir über Rassismus und Vorurteile. Zu den Zielen gehören, dass den Schülern ihre Vorurteile bewusst werden und sie sich bemühen, diese abzubauen. Durch weitere Trainings lernen sie, wie sie in einer Mobbingsituationen handeln können. Außerdem sprechen wir über verschiedene Religionen, Minderheiten und Kulturen, damit die Multikulturalität in Deutschland als etwas Besonderes anerkannt und wertgeschätzt wird.

Meine Anwesenheit im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht gibt den Schülern Vertrauen, wodurch ich sie zum Lernen besser motivieren kann. Mein Motiv ist es, meine Schüler im schulischen Alltag zu unterstützen und sie im Hinblick aufgesamtgesellschaftliche Probleme, wie beispielsweise Rassismus oder Diskriminierung von Minderheiten, zu sensibilisieren.

IslamiQ: Wie ist die Resonanz auf Ihre Arbeit?

Kocaoğlu: Überall, wo Menschen sind, trifft man leider auf Rassismus und Vorurteile     . Die Schüler haben einen großen Redebedarf zum Thema und nehmen sehr engagiert an der AG teil. Da die angesprochenen Themen sehr aktuell und lebensnah sind und in der AG mithilfe verschiedener      Medien und Methoden thematisiert werden, sind auch die Resonanzen seitens der Schulleitung, des Kollegiums und der Schülerschaft sehr positiv.

IslamiQ: Welche Hobbies haben Sie, wie gestalten Sie ihre Freizeit am liebsten?

Kocaoğlu: In meiner Freizeit verbringe ich Zeit mit meiner Frau und Familie, spiele Schach, reise, koche, fahre Fahrrad und lese gerne.

IslamiQ: Lieblingsbuch? Lieblingsfilm?

Kocaoğlu: Nach über einem Jahrzehnt, den wir täglich gemeinsam verbracht haben, würde ich „der Koran“ sagen. „Den einen Lieblingsfilm“ habe ich nicht. Ich kann aber sagen, dass ich mich immer über den neuen Teil von Harry Potter gefreut habe.

IslamiQ: Was bedeutet Familie für Sie?

Kocaoğlu: Das Paradies auf Erden, Ruhe, Zufriedenheit, Geborgenheit und alle anderen Gefühle, die einen Menschen glücklich machen.

IslamiQ: Der schönste Moment in Ihrem Berufsleben?

Kocaoğlu: Da gibt es einige Momente: Als ein Schüler zu mir sagte, dass meine Stimme sehr beruhigend sei und es ihm Freude bereite, mir zuzuhören. Als meine Mentorin im Praktikum zu mir sagte, dass die Klasse in meinem Unterricht viel ruhiger sei als bei anderen Lehrkräften. Als eine Schülerin sagte, dass ich wieder in den Biologieunterricht kommen soll, weil ich so gut erklären kann. Und der „Aha-Ruf“ meiner Schüler, wenn sie etwas verstanden haben.

IslamiQ: Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben?

Kocaoğlu: Meine Freunde beschreiben mich als jemanden, der nach seinen Freunden fragt und sie häufig anruft, auch wenn sie mich nicht anrufen oder nach mir fragen. Einer sagte: „Ali, es ist schöner, dich zu fragen, als über Google danach zu suchen“. Zudem bemerken sie öfters, dass ich auf diszipliniertes und ordentliches Arbeiten Wert lege.

IslamiQ: Ihr Lebensmotto?

Kocaoğlu: „Jeder macht das, was zu ihm passt und mit seinem Charakter übereinstimmt“ und die Prophetenüberlieferung: „Wahrlich, Allah liebt es, dass wenn einer von euch eine Handlung ausübt, er diese auf beste Art und Weise vollbringt.“

IslamiQ: Können Sie sich an eine Situation erinnern, in der Sie erstmals mit der Identitätsfrage konfrontiert waren?

Kocaoğlu: An die erste Konfrontation kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht geht sie in meine Grundschulzeit, vielleicht sogar in meine Kindergartenzeit zurück. Jedoch erinnere ich mich an eine Situation, in der ich gefragt wurde, wo ich herkomme. Immer wieder, wenn ich mit „Ich komme aus Moers“ antwortete, erhielt ich die Antwort „Nein, wo bist du geboren?“. Ich antwortete „in Duisburg“, jedoch war auch dies nicht ausreichend. Da mein Vater bereits in Deutschland geboren ist, ging das Gespräch so lange weiter, bis wir bei der Geburtsstadt meines Opas ankamen und endete mit der vermeintlichen Feststellung, dass ich also „doch kein richtiger Deutscher sei“.

IslamiQ: Was ist Ihr größtes Ziel in diesem Leben und was tun Sie, um dieses Ziel zu erreichen? 

Kocaoğlu: Mein grundlegendes Ziel ist es, alle meine Handlungen auf die beste Art und Weise zu vollbringen. Hierzu gehört auch meine Tätigkeit als Lehrer, der meiner Ansicht nach der wertvollste und bedeutendste Beruf ist.

Demnach setzte ich mir als Lehrer das Ziel, für alle meine Schüler – und über sie der ganzen Menschheit – nützlich zu sein. Mein Anliegen ist es nicht, dass sie sich lediglich bestimmte Fachkenntnisse und Kompetenzen aneignen. Vielmehr bin ich bemüht, ihnen „den Schlüssel des Lebens“ mitzugeben, mit dem sie Frieden, Freude und Erfolg erleben können.

IslamiQ: Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Für sich selbst, für Ihre Familie, für alle Muslime in Deutschland.

Kocaoğlu: Für die Zukunft wünsche ich mir, meiner Familie, den Muslimen und allen Menschen auf der Welt das Gleiche: ein gesundes, glückliches und erfülltes Leben im Diesseits und Jenseits.

IslamiQ: Was muss passieren, damit Muslime hier als selbstverständlicher Teil Deutschlands angesehen werden?

Kocaoğlu: Für mich sind Muslime, genauso wie alle anderen Bürger, ein selbstverständlicher Teil Deutschlands. Leider erleben wir trotz dieser Tatsache immer wieder Situationen, in denen die Zugehörigkeit der Muslime in Deutschland hinterfragt wird. Ich denke, dass wir Muslime aufgrund solcher Ereignisse nicht in Verlegenheit geraten sollten, sondern weiterhin als Bürger dieses Landes uns bemühen sollten, uns effektiv in die Gesellschaft einzubringen.

In Bezug auf die deutsche Gesellschaft denke ich, dass es höchste Zeit ist, sich der Medienmanipulation bewusst zu werden. Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ sollten wir im Hinblick auf das jahrelange und friedliche Zusammenleben hasserfüllten Aussagen und Vorurteilen keine Chance geben. Jede Kultur und Nation hat unterschiedliche Stärken und Besonderheiten. Wichtig ist, dass wir uns gegenseitig kennenlernen, unsere Besonderheiten wahrnehmen und wertschätzen. Deutschland ist multikulturell, multireligiös und bunt. Und das ist auch gut so, denn das macht unsere Heimat so besonders.

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Es ist einfacher, ein Haus abzufackeln als es aufzubauen. Genauso können 30 Minuten Medienmanipulation 30 Jahre harte Arbeit zunichte machen, was wir in diesem Land in der aktuellen Zeit immer wieder mit Sorge beobachten. Ein Großteil der geführten Scheindebatten ist der Medienmanipulation geschuldet. Würden die Menschen sich der Medienmanipulation bewusst werden, würde ein Großteil der Medienmogule, welche sich zu wichtig nehmen und auf Kosten des friedlichen Zusammenlebenlebens in Luxusvillen in Zehlendorf oder Wannsee oder Bad Godesberg frönen, bankrott gehen und keiner würde diese armseligen Gestalten und ihre Halbwahrheiten auch nur ansatzweise ernst nehmen. Es liegt in der Verantwortung des Einzelnen, sich der Medienmanipulation zu entziehen und den eigenen Kopf einzuschalten. Insofern gebe ich dem Lehrer recht, dass die Menschen in diesem Land sich der Medienmamipulation bewusst werden müssen. Danke übrigens für dieses Interview.
31.05.20
15:27
gregek sagt:
Einige Muslime missbrauchen die Medien als Projektionsfläche für Entäuschungen und Frust über den miserablen Zustand des Islams im Hier und Jetzt. Anstatt nach Ursachen in den eigenen Reihen zu forschen, wird Medienschelte auf Basis intelektuell armseeliger Verschwörungstheorien betrieben. Bei der Gelegenheit sollte sich türkischstämmige Muslime lieber um die Situation der Medien in der Türkei, deren lieber Staatspräsiden Journalisten mit unliebsamer Berichterstattung einkerkert.
04.06.20
21:04
Dilaver Çelik sagt:
Wer die Tatsache leugnet, dass Medienmanipulation in Deutschland System hat - was für Medien im Ausland übrigens nicht weniger gilt - der ist längst medienmanipuliert. Ein hoffnungsloser Fall. Möge Gott solchen Menschen helfen und uns nicht irregehen lassen.
08.06.20
1:30
Katharina sagt:
@gregek Einige Menschen wie Sie, die genau von dieser Medienmanipulation betroffen sind und armseliger Weise nicht einmal selbst dessen bewusst sind, sollten solch eine wertvolle Plattform nicht für ihren eigenen miserablen Zustand ausnutzen. Anstatt klischeehaft Religionen zu beschuldigen und zu beschmutzen, sollten Sie den armseligen Rassismus in Deutschland bekämpfen! Bei Gelegenheit sollten Sie sich bewusst werden, dass sowohl alle Muslime mit türkischem Migrationshintergrund, als auch alle weiteren Mitmenschen mit einem Migrationshintergrund schon lange ein Teil unseres Landes sind und einen wesentlich produktiveren Beitrag an diese Gesellschaft leisten, als das von Ihnen veröffentliche Kommentar! Menschen, die in Deutschland leben, müssen sich noch nicht einmal zur Politik in diesem Land äußern. Geschweige denn zur Politik in irgendeinem anderen Land! BEI GELEGENHEIT sollten Sie sich über unser Grundgesetz besser informieren und nebenbei einen Grammatik- und Rechtschreibkurs besuchen. Freundliche Grüße Kathi
08.06.20
11:23
grege sagt:
Liebe Katharina, bevor Sie anderen das Grundgesetz empfehlen, sollten dieses selber zumindest überfliegen. In dem Zusammenhang dürfte Ihnen auffallen, dass Kritik an einer Religion sowie die Thematisierung desolater Zustände bestimmter religiös gepägter Communities ein elementares Grundrecht darstellten Desweiteren sehe ich die Aufdeckung von rassistisch - extremistischen Auswüchsen in islamischen Communities als eine moralische Pflicht an und werden diese auch weiterhin gerne in diesem Forum wahrnehmen. Um die Diskussion zu vertiefen, empfehleich ich Ihnen, die 1000 jährige Geschichte des arabisch-islamischen Rassismus zu studieren, dessen leidtragende die Bewohner der südlichen Sahelzone waren. Auf dieser Ebene können wir gerne eine Diskussion zum Thema Rassismus fortsetzen. Ach ja, und zum Abschluss möchten ich Ihnen nahelegen, in Ihrem Beitrag die Artikelauswahl einiger Substantive zu untersuchen.
22.08.20
14:56
Katharina sagt:
Lieber grege oder gregek, ich sehe, dass Sie versucht haben viel an Ihrer Sprache zu arbeiten. Es freut mich, dass ich dies durch einen Artikelfehler bewirken konnte. Konstruktive Kritik ist bei mir immer willkommen. Doch bei Ihnen ist eher von hasserfüllter und klischeehafter Kritik zu sprechen. Natürlich werde ich weiterhin das Grundgesetz empfehlen, da Sie ein tolles Beispiel dafür sind, wie man sogar das Grundgesetz missverstehen und missbrauchen kann. Vielleicht sollten Sie sich auch die Aufdeckung von rechtsextremistisch-rassistischen Auswüchsen zur Pflicht machen. Ich empfehle Ihnen die Geschichte des rechtsextremen Rassismus in diesem Land zu studieren und die aktuellen Rassismusdebatten und Terrorattacken gegen Muslime weltweit zu verfolgen. Ich bin mir sicher, dass ihr großes Interesse und Engagement in diesem Bereich für Sie und Ihre sozialen Kompetenzen von großem Nutzen sein werden. Zudem wünsche ich Ihnen, dass Sie in Zukunft etwas Besseres zu tun haben werden, als auf unterschiedlichen Plattformen hasserfüllte und unseriöse Kritik zu verbreiten!
27.08.20
19:41