Der 1. Juli wird seit Jahren als Tag des antimuslimischen Rassismus begangen. Auch Politiker beteiligen sich an dieser Aktion. Warum das im Kampf gegen den Hass nicht ausreicht, erklärt die Vorsitzende der IGMG-Frauenorganisation Aynur Handan Yazıcı.
1. Juli 2009. Der Tag, an dem Marwa al-Sherbini mit 16 Messerstichen im Dresdner Gerichtssaal ermordet wurde. Am 1. Juli stirbt auch ihr ungeborenes Baby, denn Marwa war im dritten Monat schwanger. Am selben Tag wurde auch ihr Ehemann von der Polizei angeschossen, als er ihr zu Hilfe eilte. Das alles vor den Augen ihres 3-jährigen Sohn Mustafa. Ein großes Trauma.
Rassismus, insbesondere antimuslimischer Rassismus, ist kein neues Phänomen. Islamfeindliche Ressentiments reichen Jahrhunderte zurück. Manche Politiker, Medien und anderen Akteure greifen gerne darauf zurück. Und genau aus diesem Grund sollte der 1. Juli, nicht nur ein Gedenktag sein, sondern der Tag, an dem aufs Neue antimuslimischer Rassismus hinterfragt wird. Denn auch elf Jahre nach dem Mord an Marwa El-Sherbini hat Deutschland weiterhin ein Problem mit antimuslimischem Rassismus.
Seit Jahren wird der 1. Juli als Tag gegen antimuslimischen Rassismus begangen. In diesem Jahr wurde aus dem Tag die Woche gegen antimuslimischen Rassismus. Durch Aktionen, Podiumsdiskussionen und unterschiedliche Veranstaltung wurde auf den steigenden antimuslimischen Rassismus aufmerksam gemacht. Ziel ist es, die Mehrheitsgesellschaft zu sensibilisieren. Denn während die Aktionen zum 1. Juli nicht in der Mehrheitsgesellschaft angekommen sind, ist der antimuslimischer Rassismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Zahlen sprechen für sich.
So wichtig die Sensibilisierung und das Sichtbarmachen von antimuslimischem Rassismus auch ist: Der Tag bzw. die Woche gegen antimuslimischen Rassismus darf zu keiner Social-Media-Show ausarten. Wir leben in einer Zeit, in der Politiker ihre Wähler mit islamfeindlicher Stimmungsmache beeindrucken, sich aber am 1. Juli mit ihren muslimischen Mitbürgern solidarisieren und glauben, somit antimuslimischen Rassismus bekämpft zu haben.
Wir leben in einer Zeit, in der Menschen, die rassistisch angegriffen werden, nicht gehört werden. Viele rassistische Angriffe werden der Polizei nicht gemeldet, und die gemeldeten Fälle werden nicht effektiv verfolgt. Die niedrige Aufklärungsrate motiviert die Täter geradezu.
Es ist erforderlich, seine Stimme gegen den zunehmenden Hass zu erheben, sowohl als Opfer, als auch als Außenstehender – und zwar das ganze Jahr über. Wer die steigende Islamfeindlichkeit bekämpfen möchte, muss das Problem konsequent hinterfragen: Wie viele und welche Politiker verbreiten rassistische Ressentiments? Warum wird diesen Politikern eine Plattform angeboten? Warum wird dieser Tag instrumentalisiert? Politiker, die sich das Jahr über für ein Kopftuchverbot aussprechen oder Muslime als Problem darstellen, erhalten ein geeignetes Podium, um sich am 1. Juli reinzuwaschen.