Die Ermittlungen der Stuttgarter Polizei nach der Krawallnacht führen zu hitzigen Debatten. Welche Rolle spielt die Herkunft der Täter? Ist die Frage nach dem Migrationshintergrund für die Polizei reine Routine – oder steckt womöglich Rassismus dahinter?
Mit ihren Ermittlungen zum Migrationshintergrund der Täter der Stuttgarter Krawallnacht hat die Polizei bundesweit eine heftige Debatte ausgelöst. Politiker von Grünen, SPD und Linken kritisieren das Vorgehen der Stuttgarter Beamten, vor allem nachdem in Medienberichten von „Stammbaumforschung“ die Rede gewesen war. Das Bundesinnenministerium hält die Nachforschungen zur Herkunft der Tatverdächtigen dagegen für angemessen, wenn es der Verhinderung erneuter Gewaltexzesse dient.
„Der familiäre Hintergrund kann besonders bei Jugendlichen und Heranwachsenden von Relevanz sein, wenn es darum geht, Strategien für die Prävention zu entwickeln“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag. Auch der CDU-Innenexperte Armin Schuster verteidigte die Polizei. „Soziologische Täteranalysen sind nach solchen Exzessen polizeilicher Standard. Wie soll die Polizei denn sonst zielgerichtete Strategien und Präventionsmaßnahmen für kommende Lagen entwickeln?“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Vielleicht halten sich einige politische Hobby-Sicherheitsexperten einfach mal zurück. Die andauernden rhetorischen Tritte linker Politiker gegen die Polizei werden immer mehr zum eigentlichen Sicherheitsrisiko.“
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte dem MDR, die Ermittlungsmethoden der Polizei in Stuttgart seien polizeilicher Standard. „Für Jugendgerichte sind die persönlichen Lebensumstände eines Tatverdächtigen ganz besonders wichtig, beispielsweise wenn Auflagen erteilt werden sollen.“
Die Polizei bestätigte am Montag, dass sie in elf Fällen bei Standesämtern den Migrationshintergrund abgefragt habe. Die mutmaßlichen Krawallmacher hatten sich demnach in der Vernehmung nicht zu ihrer Herkunft äußern wollen. Die Information fließe in den Ermittlungsbericht ein und sei besonders für Präventionskonzepte wichtig, sagte eine Sprecherin. Es brauche andere Konzepte für „türkische Migranten“ aus sozialen Brennpunkten als etwa für Deutsche, die in der Stuttgarter Halbhöhenlage lebten. Sonstige Informationen seien nicht abgefragt worden.
Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, Martina Renner, bezeichnete die Abfrage der Herkunft der Familien als diskriminierend. „Es geht darum, dass eine solche Ermittlungspraxis a) unnötig ist und b) diskriminierend“, sagte Renner. Natürlich werde bei jugendlichen Straftätern auf das familiäre Umfeld geschaut, auf Vorstrafen und auf die Situation in der Schule.
Die Bundesregierung lehnt es ab, im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Tatverdächtigen der Stuttgarter Krawallnacht von „Stammbaumforschung“ zu sprechen. Auf die Frage eines Journalisten, ob „Stammbaumforschung“ auch zu den Aufgaben der Bundespolizei gehöre, antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin: „Wer immer den jetzt auch in die Arena geworfen hat, dieser Begriff verbietet sich in diesem Zusammenhang, das ist ein historisch belastetes und nicht angebrachtes Wort.“ (dpa/iQ)