Racial Profiling

Polizei wegen „Stammbaumforschung“ in Kritik

Die Ermittlungen der Stuttgarter Polizei nach der Krawallnacht führen zu hitzigen Debatten. Welche Rolle spielt die Herkunft der Täter? Ist die Frage nach dem Migrationshintergrund für die Polizei reine Routine – oder steckt womöglich Rassismus dahinter?

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07
2020
Polizeisperrung - Moschee
Symbolbild: Polizei © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Mit ihren Ermittlungen zum Migrationshintergrund der Täter der Stuttgarter Krawallnacht hat die Polizei bundesweit eine heftige Debatte ausgelöst. Politiker von Grünen, SPD und Linken kritisieren das Vorgehen der Stuttgarter Beamten, vor allem nachdem in Medienberichten von „Stammbaumforschung“ die Rede gewesen war. Das Bundesinnenministerium hält die Nachforschungen zur Herkunft der Tatverdächtigen dagegen für angemessen, wenn es der Verhinderung erneuter Gewaltexzesse dient.

„Soziologische Täteranalysen sind polizeilicher Standard“

„Der familiäre Hintergrund kann besonders bei Jugendlichen und Heranwachsenden von Relevanz sein, wenn es darum geht, Strategien für die Prävention zu entwickeln“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag. Auch der CDU-Innenexperte Armin Schuster verteidigte die Polizei. „Soziologische Täteranalysen sind nach solchen Exzessen polizeilicher Standard. Wie soll die Polizei denn sonst zielgerichtete Strategien und Präventionsmaßnahmen für kommende Lagen entwickeln?“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Vielleicht halten sich einige politische Hobby-Sicherheitsexperten einfach mal zurück. Die andauernden rhetorischen Tritte linker Politiker gegen die Polizei werden immer mehr zum eigentlichen Sicherheitsrisiko.“

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte dem MDR, die Ermittlungsmethoden der Polizei in Stuttgart seien polizeilicher Standard. „Für Jugendgerichte sind die persönlichen Lebensumstände eines Tatverdächtigen ganz besonders wichtig, beispielsweise wenn Auflagen erteilt werden sollen.“

Die Polizei bestätigte am Montag, dass sie in elf Fällen bei Standesämtern den Migrationshintergrund abgefragt habe. Die mutmaßlichen Krawallmacher hatten sich demnach in der Vernehmung nicht zu ihrer Herkunft äußern wollen. Die Information fließe in den Ermittlungsbericht ein und sei besonders für Präventionskonzepte wichtig, sagte eine Sprecherin. Es brauche andere Konzepte für „türkische Migranten“ aus sozialen Brennpunkten als etwa für Deutsche, die in der Stuttgarter Halbhöhenlage lebten. Sonstige Informationen seien nicht abgefragt worden.

„Ermittlungspraxis der Polizei ist diskriminierend“

Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, Martina Renner, bezeichnete die Abfrage der Herkunft der Familien als diskriminierend. „Es geht darum, dass eine solche Ermittlungspraxis a) unnötig ist und b) diskriminierend“, sagte Renner. Natürlich werde bei jugendlichen Straftätern auf das familiäre Umfeld geschaut, auf Vorstrafen und auf die Situation in der Schule.

Die Bundesregierung lehnt es ab, im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Tatverdächtigen der Stuttgarter Krawallnacht von „Stammbaumforschung“ zu sprechen. Auf die Frage eines Journalisten, ob „Stammbaumforschung“ auch zu den Aufgaben der Bundespolizei gehöre, antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin: „Wer immer den jetzt auch in die Arena geworfen hat, dieser Begriff verbietet sich in diesem Zusammenhang, das ist ein historisch belastetes und nicht angebrachtes Wort.“ (dpa/iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Der Begriff "Stammbaumforschung" ist natürlich völlig daneben. Den soziologischen Hintergrund von Tätern auszuleuchten ist hingegen gängige Praxis und hat nichts mit Rassismus ("Racial Profiling") zu tun. Insofern sollte sich eine gewise Klientel mit reflexartigen Reaktionen ("Rassismus", "Diskriminierung" mal ein bisschen zurückhalten und in Ruhe die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten.
14.07.20
10:53
Ethiker sagt:
"Insofern sollte sich eine gewise Klientel mit reflexartigen Reaktionen ("Rassismus", "Diskriminierung" mal ein bisschen zurückhalten und in Ruhe die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten." Das kann man sich nicht ausdenken. Jemand wird gedemüdigt, degradiert und verachtet und muss dann " mal ein bisschen zurückhalten und in Ruhe..." . Richtig, Opfer der rassistischen Gewalt sollen das machen was Unterstützer oder Täter von ihnen verlangen. Nach der Logik der NSU sich am besten erschießen lassen. Opfer von Rassismus bestimmten ganz allein was Rassismus ist und wann es Rassismus ist. Seit wann bestimmten Täter was ihre Opfer zu sagen oder zu fühlen haben ? Das muss mit aller Entschiedenheit abgelehnt werden und niemals akzeptiert werden.
15.07.20
11:07
Johannes Disch sagt:
@Ethiker @Ethiker (15.07.2020, 11:07) Die Menschen, gegen die in Stuttgart ermittelt wird, sind nicht "gedemütigt", degradiert" und "veraxchtet"(Ethiker), sondern (potentielle) Täter. Und man sollte schon den Sinn eines relativ einfachen Satzes erfassen können. Mit sich zurückhalten sind nicht die Leute gemeint, gegen die ermittelt wird, sondern eine gewisse Klientel-- nämlich Politiker der "Grünen" und der Partei "Die Linke" und gewisse NGOs--, die der Polizei reflexartig Rassismus vorwerfen, ohne erst einmal die Ermittlungsergebnisse abzuwarten. Dass bei Straftaten auch der soziologische Hintergrund der Täter mit in Betracht bezogen wird-- wozu auch die Herkunft zählt-- ist gängige Ermittlungsarbeit.
15.07.20
15:12
grege sagt:
@ Herr Disch Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Gerade bei jugendlichen Straftätern, die nach derzeitigen Erkenntnissen das Gros der Krawalltäter ausgemacht haben, ist gerade der soziologische Hintergrund für die Festlegung und Umsetzung von Resozialisierungsmaßnahmen bedeutend. Bevor die Jungs einfach weggesperrt werden,sollten zunächst andere Maßnahmen ergriffen, damit ein Abgleiten in die Schwerstkriminalität vermieden wird.
19.07.20
21:05