Griechenland

Moschee „gesteinigt“ – heftige Reaktionen wegen Hagia Sophia

Die „Blei-Moschee“ in Trikala wurde schwer beschädigt. Renovierungsarbeiten an der ältesten Moschee auf Lesbos wurden gestoppt.

07
08
2020
Moschee
Blei-Moschee in Trikala

Die Rückverwandlung des Istanbuler Hagia Sophia vom Museum zur Moschee hat in Griechenland teils heftige Aktionen gegen dort verbliebene islamische Gotteshäuser ausgelöst. So wurden im mittelgriechischen Trikala der dortigen alten „Blei-Moschee“ gesteinigt und dabei noch weiter zerstört.

Die „Kursun Camii“ gehörte bis zur Übergabe von Thessalien an die Griechen 1882 zu den schönsten muslimischen Gotteshäusern im osmanischen Südosteuropa. Sie wurde zur Mitte des 16. Jahrhunderts vom berühmten Architekten Mimar Sinan erbaut, als eine von insgesamt 79 von ihm geschaffenen Moscheen. Sie hat im modernen Griechenland als einzige fast zur Gänze überlebt, in erster Linie dank ihrer unzerstörbaren bleiernen Kuppel.

Bauherr war Osman Schah, ein Enkel von Sultan Selim I. (1512-1520), Statthalter im osmanischen Tirhala: Nach ihm wird die bleierne Moschee auch Osman-Schah-Moschee genannt. Von ihr sind heute nur das viereckige Hauptgebäude, ein Teil des Minaretts und das Grab (Türbe) von Osman Schah erhalten; Moscheeschule, Armenhaus und Karawanserei wurden abgerissen. Am Eingang fanden kürzlich wieder Reparaturarbeiten statt.

Reparatur an Moschee gestoppt

In größerem Umfang sollten Reparaturen auch an der ehemaligen „Moschee der Sultansmutter“ auf der seit 1912/13 griechischen Insel Lesbos in Angriff genommen werden. Nach der Wiederaufnahme des Moscheebetriebs in der Hagia Sophia von Istanbul trat nun der Regionalgouverneur der Nordägäis, Kostas Moutzouris, mit einem populistischen Vorschlag an die Öffentlichkeit. Er verlangt, als „Gegenmaßnahme“ die Renovierung der historischen „Valide Camii“ in Mytilini, dem Hauptort von Lesbos, zu stoppen und den Geldhahn abzudrehen.

Die 1615 erstmals erbaute Moschee im Viertel Epano Skala ist die älteste auf Lesbos. Seit einem Umbau 1791 trägt sie auch den Namen Neue Moschee (Yeni Camii). Sie befindet in der Mitte des ehemaligen Basars im alten türkischen Viertel nördlich des modernen Stadtzentrums. Lesbos (türkisch Midilli) war zwischen 1462 und 1912 unter osmanischer Herrschaft und hatte eine beträchtliche muslimische Bevölkerung. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Obelix würde wohl dazu sagen: Die spinnen, die Griechen. Die unterdrückte muslimische Minderheit im angeblichen Ursprungsland der Demokratie traut sich nicht einmal, gegen den Vandalismus an den muslimisch geprägten Denkmälern zu protestieren und den Staat nach juristischen Konsequenzen zu fordern. Nur eines sei gesagt: Die Hagia Sophia ist und bleibt eine Moschee und nichts mehr anderes. Sie ist die Ehre der Muslime in der Türkei und niemandes sonst. Die Hagia Sophia ist dafür da, dass dort fünfmal am Tag gebetet wird, und nicht zur Beglotzung für Geld. Ihre vier Minarette sind dafür da, dass dort fünfmal am Tag zum Gebet gerufen wird, und nicht als dekorative Ergänzung. Das steht nicht zur Diskussion. Wer das nicht verdauen kann oder gar in Abrede stellt oder dagegen irgendwelche Ansprüche erhebt, der ist nicht nur nicht ernst zu nehmen, sondern der sollte auch mal zum Arzt gehen.
07.08.20
20:04
Vera von Praunheim sagt:
Da könnte doch der streng gläubige Polit-Herrscher Erdogan seinen Geldhahn wieder aufdrehen und die Reparaturarbeiten bezahlen. Ansonsten finden doch immer nur Steinigungen im Namen des Islam statt. Die "Steinigung" einer Moschee erscheint ungewöhnlich. Oder wird hier eventuell nur irgendwie "zurückgesteinigt", weil die nicht-islamische Welt Steinigungen ablehnt und ungöttlich findet?
08.08.20
0:03
Dilaver Çelik sagt:
Um hier auch mal der "anderen Seite" auf die Finger zu klopfen: Nein, das Osmanische Reich ist nicht wieder auferstanden. Nein, Byzanz ist nicht erneut untergegangen. Nein, es wurde und wird kein Kalifat ausgerufen. Nein, das ist auch kein Sieg des Islam über das Christentum. Nein, die Hagia Sophia ist politisch nicht und von niemandem ausschlachtbar, reklamierbar oder instrumentalisierbar, weil es ihrem Geist nicht entspricht und sie davon erhaben ist. Da wurde lediglich die wichtigste Moschee des Landes nach 86 Jahren wieder ihrer Bestimmung übergeben. Und das ist auch gut und richtig so. Nicht mehr und nicht weniger. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass dies Demokraten gelungen wäre, aber besser jetzt als später oder nie.
09.08.20
19:10
Johannes Disch sagt:
@Dilaver (07.08.20, 20:04) Von wegen, die Hagia Sophia wäre nichts anderes als eine Moschee. Das ist ein fundamentalistischer und extremistischer Standpunkt. Ganz abgesehen, dass er ahistorisch ist. Die Hagia Sophia war ursprünglich christlich. Die Hagia Sophia ist seit 1985 offiziell Weltkulturerbe und gehört damit allen Menschen und nicht nur Angehörigen einer bestimmten Religion. Atatürk hat sie in ein Museum umgewandelt. Ein wichtiger Schritt zur Säkularisierung der Türkei. Dieses Erbe von Atatürk wird vom Möchtegern-Sultan Erdowahn seit Jahren Stück für Stück abgebaut. Die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee ist ein weiterer Schritt Richtung Re-Islamisierung der Türkei, die sich damit erneut ein Stück weiter vom Westen entfernt. Ein vor allem innenpolitisch motiviertes Manöver, das von der desaströsen wirtschftlichen Lage der Türkei ablenken soll. Nützen wird Erdogan das nichts. Er wird dadurch einige durchgeknallte nationalistische Jubel-Türken in Verzückung bringen. Mehr aber auch nicht.
12.08.20
13:20
Dilaver Çelik sagt:
@Johannes Disch Die Hagia Sophia ist kein Thema, das ich hier diskutieren werde.
13.08.20
17:47
Dilaver Çelik sagt:
"Das ist ein fundamentalistischer und extremistischer Standpunkt." Geht's noch?! Was soll dieser verbale Amoklauf? Lassen Sie mal die Kirche im Dorf!
13.08.20
19:26
Johannes Disch sagt:
Die Aktion ist auch aus ökonomischer Sicht töricht. Vergangenes Jahr kamen in die Hagia Sophia noch ca. 4 Millionen Touristen. Eine erquickliche Einnahmequelle, die nun versiegt. Etwas, das sich die Türkei bei ihrer derzeitigen ökonomischen Lage-- die türkische Lira ist im freien Fall-- eigentlich gar nicht leisten kann. Immer mehr junge Türken verlassen das Land. Sie haben mit Erdogans folkloristischer Islam-Nostalgie nichts am Hut. Die türkische Lira im freien Fall. Die wirtschaftlichen Rahmendaten (Inflation, Arbeitslosigkeit, etc.) desaströs. Der Möchtegern-Sultan Erdowahn bei seinem letzten Gefecht.
20.08.20
20:23
Jamila sagt:
Die Hagia Sophia war christlich und bleibt in ihren Grundzügen auch christlich Und darüber hinaus noch viel mehr, nämlich muslimisch. Sie ist im Laufe der Jahre zu einer Sehenswürdigkeit für knippssüchtige Touristen geworden, ohne jeglichen Sinn für die historisch, politisch als auch sakrale Relevanz Dieses Bauwerks. Hier trafen sich einsT Orient und Occident und hier geht das Christentum in den Islam über. Ein Momentum voller Romantik. Wenn man bedenkt wie viele Moscheen in Spanien zerstört und überbaut worden sind, dann sollte man diese eine Kirche nicht als Anlass für das Ende der Welt nehmen. Die Kirche ist nun in guten Händen hoffentlich. Bleibt abzuwarten, ob die Wandmalereien weiterhin bestehen bleiben oder übermalt werden. Das wäre wirklich ein Jammer. Die ganzen Jahrhunderte haben sichtürkische Organisationen und Regierung vorbildlich um diese Kirche gesorgt ohne jegliche Anerkennung auf der westlichen Seite. Allein hier im Forum wurde bei verschiedensten Anlässen immer wieder über die Christenverfolgung und Zerstörung christlicher Bauten in islamischgeprägten Ländern gejammert. Ich kann mich über keinen positiven Beitrag über die Hagia Sophia erinnern. Plötzlich ist das Jammern wieder ganz groß. Euch kann man wohl nichts recht machen ihr notorischen Nörgler. Wie viele Moscheen, Tempel und weitere Kultstätten wurden durch die Christen seit dem christlichen Missionierungswahn im letzten Jahrtausend allein zerstört? Wieso schreibt ihr nicht mal darüber?
09.09.20
21:11