Auswärtiges Amt

Nurhan Soykan: „Aller Anfang ist schwer“

Das Auswärtige Amt (AA) stellt Nurhan Soykan als Beraterin ein. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Nach Kritik wird der Posten auf Eis gelegt. Was hat es damit auf sich?

10
08
2020
Nurhan Soykan über das neue Kommissionsmodell in NRW
Nurhan Soykan © ZMD

IslamiQ: Frau Soykan, wie fühlen Sich sich momentan?

Nurhan Soykan: Es sind anstrengende Zeiten. Das Wenigste, was man nach einer Chemotherapie gebrauchen kann, ist psychischer Stress. Aber ich vertraue auf Gott, und bin überzeugt davon, dass ich gestärkt aus der Sache rausgehen werde. 

IslamiQ: Wie kam es überhaupt zu der Stelle? Welche Erwartungen hat das Auswärtige Amt an Sie?

Soykan: Ich hatte die Kollegen auf verschiedenen Veranstaltungen, wo ich auch auf dem Podium saß, kennengelernt. So kam es zum Kontakt. Meine beiden Kollegen und ich sind als externe Berater eingestellt. Unsere Aufgabe sollte sein, über unsere Lebenswirklichkeit zu beraten und friedensstiftende Elemente der Religionen herauszustellen. Für mich als muslimische Beraterin geht es darum, islamische Strukturen im Ausland verständlich zu machen. Es geht auch um Netzwerkaufbau und Kooperation auf trialogischer Basis. 

IslamiQ: Für das Auswärtige Amt dürfte Ihre jahrzehntelange Erfahrung als Vertreterin der muslimischen Gemeinschaft, aber auch im Interreligiösen Dialog eine Rolle gespielt haben. Von Ihren Partnern war aber in der letzten Zeit nicht viel zu hören. 

Soykan: Sicherlich sind meine Kompetenzen und Erfahrungen, die ich als stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Muslime (ZMD) und Mitglied des Koordinationsrates der Muslime (KRM) gemacht habe, entscheidungsrelevant gewesen. Ich bin aber als Privatperson Beraterin des Auswärtigen Amtes. 

Medial waren die Gegner sicherlich lauter, ich habe aber auch viel Unterstützung erfahren.

IslamiQ: Ihnen wird u. a. Antisemitismus vorgeworfen, eine Anschuldigung, mit der Sie bisher gar nicht in Verbindung gebracht wurden. Wie kam es dazu?

Soykan: Als Quelle gibt man ein Zitat aus 2014 an, was im Gesamtzusammenhang gesehen, auf keinen Fall antisemitisch verstanden werden kann. Die Tatsache, dass wir im ZMD viele Projekte im jüdisch-muslimischen Dialog haben, dass ich an einer trialogischen Reise teilgenommen habe, die Wuppertaler Synagoge nach einem Angriff besucht habe, all das wird nicht zur Kenntnis genommen. 

IslamiQ: Es wird von einer Cancel Culture“ gesprochen. Das ist ein Prozess, der einem bestimmten Muster folgt: Es werden Zitate gesucht, die genug Interpretationsraum bieten, um sie mit etwas Bedrohlichem in Verbindung zu bringen. Dann wird, z. B. in einem öffentlichen Brief, der Rückritt gefordert und in sozialen Medien mobilisiert. Wie haben Sie diesen Prozess erlebt?

Soykan: Genau so. Zitate werden aus dem Zusammenhang gerissen, Beziehungsketten werden konstruiert, man wird beschuldigt für Dinge, die man nicht gesagt hat, aber hätte sagen sollen. Das reicht dann als Beweis für Antisemitismus und Extremismus aus. 

Eine Gesamtbeurteilung jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit für den Zusammenhalt der Gesellschaft findet nicht statt. Leider werden solche Vorverurteilungen durch Medien und Vertreter der Politik ungeprüft weitergetragen. 

IslamiQ: Was bedeutet Ihre Erfahrung für die vielbeschworene Normalität und den Pluralismus in Deutschland? 

Soykan: Ich sehe in der Entscheidung des Auswärtigen Amtes, mich als Beraterin anzustellen, einen sehr mutigen Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass das Auswärtige Amt auch den Mut und die Kraft hat, diesen Schritt weiterzugehen. Ansonsten hätte Deutschland einen erheblichen Imageschaden.

IslamiQ: Hand aufs Herz: Würden Sie, trotz Ihrer Erfahrung, einer jungen Muslimin empfehlen, politisch aktiv zu werden?

Soykan: Auf jeden Fall, aller Anfang ist schwer. Wem aber etwas daran liegt, dass Deutschland sein Bekenntnis zu Chancengleichheit, Pluralität und Religionsfreiheit erhält, der muss sich engagieren. 

Das Interview führte Ali Mete.

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
@Dilaver Celik: "Aber Gott sieht alles. Spätestens, wenn jene Verleumder zur Rechenschaft gezogen werden, werden sie es bitter bereuen, .., doch wird es zu spät für die Verleumder sein. Möge Gott all jene bestrafen, .... Es lebe das Höllenfeuer für alle Ungerechten dieser Welt." Vor wenigen Tagen erschien in IslamiQ ein Artikel mit der Überschrift "Unser Glauben spaltet nicht, sondern befreit". Schön wär´s. Ich muss dem Mitdiskutanten Dilaver Celik rechtgeben. Die zentrale Botschaft des Korans ist die Spaltung der Menschheit in erlösungswürdige Rechtgläubige und verdammungswürdige Schlechtgläubige. Sure 8-12: „In die Herzen der Ungläubigen werfe Ich Schrecken. So haut ein auf ihre Hälse und haut ihnen jeden Finger ab.“ Sure 22-19ff: „Für die Ungläubigen sind Kleider aus Feuer geschnitten, gegossen wird siedendes Wasser über ihre Häupter, das ihre Eingeweide und ihre Haut schmilzt, und eiserne Keulen sind für sie bestimmt.“
02.09.20
12:07
IslamFrei sagt:
Liebe Frau Fabel, Wer die Hass und Hetze Verse, welche Sie einmal wieder in Erinnerung gebracht haben, in seinem " Heiligen " und " Edlen " Buch stehen hat, der hat sich moralisch disqualifiziert, Islam-kritische Kommentare als Hetze zu diffamieren. Das Schlimmste an dieser Kroranischer Hetze ist, dass es gläubige Muslims gibt, welche diese Hetz-Verse als AngriffsBefehle auffassen, und entsprechend handeln.. Jüngstes von weit über 1.000 solcher Morde: Der tiefgläubige Muslim, der vor gut einer Woche in Berlin seinem Allah einen Gefallen tun wollte, indem er 6 Motorradfahrer mit seinem Auto z.T. lebensgefährlich verletzte. Danach brüllte er "Allahu Akbar und rollte sein Gebetsteppich aus. Gruss, IslamFrei
06.09.20
0:55
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