MOSCHEEANSCHLÄGE - DER ALLTAG DANACH

Berlin Mevlana Moschee: „Der Anschlag hat uns tief verletzt“

Brandanschläge, Schmierereien, eingeschlagene Fensterscheiben, verwüstete Gebetsräume und Bombendrohungen. Die Angriffe auf Moscheen häufen sich – und hinterlassen Spuren. So wie in Berlin-Kreuzberg. IslamiQ hat mit der Gemeinde gesprochen.

12
08
2020
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Mevlana Moschee: Spuren des Brandes deutlich zu sehen © IFB, bearbeitet IslamiQ

Heute vor sechs Jahren wurde eine der ältesten Moscheen Deutschlands Opfer eines Brandanschlags. Der Tag ist und bleibt für die Mevlana Moschee der Islamischen Föderation in Berlin (IFB) wohl ein schwarzer Tag. Der Anschlag hat die Berliner Muslime und vor allem die Gemeinde tief getroffen.

Der Brandanschlag auf die Mevlana Moschee hatte den größten Schaden der bisherigen Anschläge auf Moscheen in Deutschland nach sich gezogen. Das Feuer breitete sich in kurzer Zeit auf nahezu alle Innenräume der Moschee aus. Dabei ist ein Sachschaden von über einer Million Euro entstanden. Zudem hatte er zur Folge, dass ein Teilabriss des erst neu entstandenen Moscheebaus vollzogen wurde. Die Polizei stellte später in den Brandresten Spuren einer brennbaren Flüssigkeit fest.

In einer Pressemitteilung hatte der IFB in aller Deutlichkeit geäußert, dass der Anschlag auf die Mevlana Moschee und weiterer Moscheen alarmierende Anzeichen einer zunehmenden Islamfeindlichkeit seien. „Die zunehmende Hetze gegen Muslime unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit hat dazu geführt, dass Anschläge auf Moscheen stattfinden. Wenn nunmehr nicht die Notbremse gezogen wird, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir Muslime um unser eigenes Wohl fürchten müssen“, hieß es in der damaligen Mitteilung. 

„Die ganze Arbeit für den Bau ist in einer Nacht zum Albtraum geworden“

Laut Untersuchungen der Polizei sei der Brand kurz nach dem Gebet gegen 23 Uhr entstanden. Unbekannte beschädigten Drähte um in die Moschee einzudringen. Dann haben sie die Baustoffe angezündet. Zu dieser Zeit befand sich ein Teil der Moschee in Renovierung. Das Feuer erfasste schnell alle Baumaterialien, wodurch die Mevlana Moschee in kurzer Zeit und großem Ausmaß brannte. „Erst nach sieben Monaten wurde ein Gutachten durchgeführt“, erklärt Abdulkadir Aktürk, Vorstandsmitglied der Mevlana Moschee, in einem exklusiven Gespräch mit IslamiQ.

„Die ganze Arbeit und die Mühe, die die Gemeinde in den Bau der Moschee gesteckt hat, ist plötzlich in einer Nacht zum Albtraum geworden. Die jahrelang erbrachten Leistungen, alles schlagartig weg!“, beschreibt Aktürk auch nach sechs Jahren völlig entsetzt. Seit 1972 bemühe sich die Gemeinde mit kleinen Spenden ihren Traum von einer eigenen und ordentlichen Moschee in Berlin-Kreuzberg zu erfüllen. „Es war ein großer Schlag und traf uns mitten im Herzen. Der Anschlag hat uns tief verletzt“, so Aktürk weiter. 

Nach den Geschehnissen habe die Gemeinde die Sicherheitsvorkehrungen eigenhändig erhöht. Nun habe man 24 Stunden durchgehend Gemeindemitglieder vor Ort, die ehrenamtlich Wache halten. Die Polizei hätte zwar ihre Kontrollen verschärft und komme öfter vorbei um sich nach der Situation zu erkundigen, jedoch sei das aus Sicht der Gemeinde als Sicherheitsmaßnahme noch unzureichend. Für Aktürk müssten vor allem Moscheen wie die Mevlana Moschee, die eine wichtige Rolle für Muslime in Berlin einnimmt, durchgehend von Sicherheitsbehörden überwacht werden. „Viele Synagogen in Deutschland werden von Sicherheitsbehörden beschützt. Warum nicht auch unsere Moschee?“, so Aktürk.

„Feldfrüchte können neu gesät, Häuser neu gebaut werden“

Ismail Sağlam ist seit vielen Jahren Gemeindemitglied und besucht häufig die Mevlana Moschee. Sie bedeute ihm viel. „Das ist ein wesentlicher Teil unserer Welt, unserer Lebensweise“, sagt er. Ihn habe der Anschlag hart getroffen. Doch der Alltag gehe weiter. Er sei weiterhin motiviert. Es habe sich nicht viel verändert und schon gar nicht ließe man sich einschüchtern. Sağlam packe in der Gemeinde mit an, helfe wo er kann, denn, so ein Sprichwort: „Feldfrüchte können neu gesät, Häuser neu gebaut werden.“ 

Doch eine Sache macht Sağlam besonders Sorgen: Die Täter wurden noch nicht gefasst. Die Ermittlungen liefen immer noch. „Die Täter sind irgendwo da draußen. Sie könnten immer wieder zuschlagen“, so Sağlam weiter. Für ihn war der Brandschlag geplant und durchdacht gewesen: „Das war nicht irgendein dummer Streich. Die Täter müssen gefasst werden.“

Die Lebensader der Muslime in Berlin

Auch Tahir Sözen ist aktives Gemeindemitglied. Für ihn ist die Moschee aufgrund ihrer Lage wie eine Zentralmoschee mitten in Berlin-Kreuzberg, eine Lebensader der Berliner Muslime. Sözen hat die Entwicklungen seit dem Brandanschlag mitverfolgt. In der Gemeinde konnte er Wut und Trauer beobachten. Auch nach sechs Jahren rede man noch über den Vorfall. Angst habe man keine, dennoch: „Wir sind vorsichtiger geworden und haben technische Ausstattungen und einen Mitarbeiter zum Einsatz gebracht.“ Jede Nacht sei jemand bei der Moschee.

Die Polizei habe „verhalten und distanziert reagiert.“ Sözen erwähnt dabei auch die schleppenden Solidaritätsbekundungen der Stadt und Politik, die verspätet kamen. Der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel besuchte eine Woche nach dem Brandanschlag die Berliner Mevlana Moschee. „Ein Anschlag auf Kirchen, Gotteshäuser und Moscheen ist ein Anschlag auf das Zentrum der Gesellschaft“, sagte Gabriel bei seinem Besuch von sechs Jahren und setzte damit ein Zeichen der Solidarität. 

Sözen erklärt, dass die Moschee aufgrund ihrer Lage wie „eine Zentralmoschee mitten in Berlin-Kreuzberg“ sei. Die Moschee fungiere als Lebensader der Berliner Muslime. Als Folgen des Anschlags sagt Sözen nur eins: „Zusammenhalt“.

Leserkommentare

Westender Yuppie sagt:
Hier sind ja einige Blindgänger unterwegs, denen ich an dieser Stelle einen wohl gemeinten Rat kostenlos zukommen lassen möchte. Solange noch die Vernunft, auch wenn im sehr kleinen Umfang vorhanden, wie hier anhand der Beiträge deutlich zu erkennen ist, funktioniert, halte ich die freiwillige Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt als das Vernünftigste überhaupt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese absolut verkorksten rechtsorientierten und völkerrechtlich mehr als fragwürdigen Einstellungen eines Tages das winzige noch als Hirnchen erkennbare Haufen voller brauner Inkompetenz und geistiger Inkontinenz zum Implodieren bringen. Ich möchte nicht soweit gehen und von menschlichem Abschaum sprechen, denn das wäre ja nicht ganz im Rahmen der Netiquette.
09.09.20
16:22
grege sagt:
@westender Yuppie kann es sein, dass Sie mit sich in der 3. Person reden? Wüste, haltose Beschimpfungen ohne Sachbezug katapultieren Sie geradewegs in die äußerste Schublade, ob rechts, links oder religiös extremistisch, ist dabei völlig wurscht.........
10.09.20
20:14
Sulaikha Ademcic sagt:
;) Applaus Westender Yuppie, und doch doch, du kannst ruhig so weit gehen, denn wir leben ja in einer Demokratie, wo die freie Meinungsäußerung auch so richtig von der Brust raus posaunt einfach gut tut. Standing Ovations 4 U!
12.09.20
20:51
Tarik sagt:
Zurück zum Thema des Artikels. Es geht um die um sich greifende Islamophobie in Europa. Der französische Schriftsteller Michel Houllebecq hat in seinem brillanten Bestseller "Unterwerfung" geradezu hellseherisch (leider) künftige Entwicklungen in Europa angerissen. Nur die auf einem Augen Blinden glauben, dass dies ein islamophobes Buch sein. Ganz im Gegenteil, es ist eine Abrechnung mit dem liberalen Säkularismus, der letztlich allen möglichen Wohlstand (auf Kosten anderer) liefern kann, jedoch keine Identität. Was soll die Menschen heute noch vereinen? Das Grundgesetz? Der Europäische Verfassungsvertrag? Sowas interessiert den Normalmenschen nicht. Studien zeigen, dass das Bedüfnis nach Spiritualität so groß ist kaum zuvor. Das keltische Heidentum ist bsp. in Großbritannien die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft. Während liberal-säkulare Fundamentalisten - mangels tatsächlicher Kernbotschaften außer den überholten Phrasen sich in Gendermainstreaming, Transhumanismus und blilnden Technikglauben verlieren. Und wer mit Spiritualtität nichts anzufanen weiß, fröhnt einem idealistischen Hedonismus. Oder - wie einige von Vorgestern - beten jahrzehntealte säkularliberale Phrasen nach. Während die Karawane weiterzieht. Und wohin zieht sie? Houllebecq zeigt es sehr gut auf. Die Identitären versuchen - da der Säkularismus letztlich zum Verlust von Identität geführt hat - wir wollen uns alle Selbst verwirklichen, aber wer sind wir eigentlich - dies mit den nationalistischen Themen. Der Nationalismus konnte immerhin für gut 150 Jahre als Identität dienen - viel weniger als bsp. das Christentum (1000 Jahre). Die Gefahr ist, dass der Liberalismus sich schlicht als zu schwach erweist, dem rechten, islamophoben Hass sich entgegenzustellen. "Vereint in Vielfalt" der EU ist letztlich nur eine weitere hohle Phrase, denn die Frage stellt sich, ob der Liberalismus etwas anderes als sich selbst tolerieren kann.
16.09.20
17:41
Johannes Disch sagt:
@Tarik (16.09.20, 17:41) Das ist eine sehr verzerrende Sicht auf den Liberalismus. Gerade der Liberalismus ist die Voraussetzung für Solidarität. Nur selbstbestimmte freie Individuen sind auch zu Solidarität fähig. Der Liberalismus ist zu schwach, sich gegen Islamfeindlichkeit zu behaupten? Hauptsache, er ist stark genug sich gegen den islamistischen Terror und gegen den politischen Islam zu behaupten. Das ist nämlich die vordringliche Herausforderung, vor der Westen steht. Die Neuen Rechten sind eine lautstarke Minderheit. Die meisten Deutschen haben nichts gegen Menschen aus anderen Kulturkreisen. -- "Was soll die Menschen heute noch vereinen?" (Tarik) Die westlichen Werte. Darauf gründen unsere Verfassung und die Europäische Einigung.
18.09.20
11:30
Tarik sagt:
1. Der Liberalismus hat ein Problem: Wie kann man liberale Werte aufrechterhalten und gleichzeitig Extremistisches Gedankengut verhindern? Was, wenn die Mehrheit der Bevölkerung etwas anderes will? Europa, wie Thomas Masaryk es mal formulierte, bleibt ein Laboratorium auf einem Massengrab. Sie erlegen scheinbar der Illusion, dass "westliche Werte" oder eine "säkulare Zukunft" zwangsläufig friedlich verlaufen muss. Mark Mazower erinnert uns in seinem "Der dunkle Kontinent", dass sowohl Faschismus als auch Kommunismus zahlreiche Anhänger in Europa hatten und der Sieg des Liberalismus quasi als logische Folge der Aufklärung schlicht nonsens ist. Auch 1918 schien die Demokratie zu triumphieren und wie sah es in Europa zwanzig Jahre später aus? Eben. Die Erfahrung zeigt uns, dass sobald der wirtschaftliche Wohlstand bergab geht, die sogenannten "westlichen Werte" - von denen übrigens, inklusive Humanismus zahlreiches auf arabische Einflüsse mit sich gründet (Empfehlung hier die Studie von George Makdisi) - eben nicht dauerhaft sind. Wie reagiert denn der Liberalismus in stressigen Zeiten? Eben mit der Aufhebung seiner eigenen ethischen Normen. Und das schon seit den Zeiten des englischen Bürgerkriegs. Denken Sie an die Bombardierung von Zivilen Einrichtungen. Vor dem Zweiten Weltkrieg empfand die Mehrheit der Briten dies als etwas ganz und gar unbritisches und unethisches. Doch mitten im Krieg unterstützte die Mehrheit der Bevölkerung Churchills "Terrorbombariderung" (so nannte man das offiziell), um die Moral der deutschen Bevölkerung zu brechen. Wenn man sich den "Ground Zero" deutscher, koreanischer und vietnamesischer Städte betrachtet, sieht man deutlich die Folgen säkularer Kriegslogik - Clausewitz lässt grüßen -, denn aus einem Krieg zwischen Königen wurde nun ein Krieg zwischen Völkern. Und wie schnell wurden im Westen Dinge wie Entfürungen, gezielte Tötungen, Foltertechniken, die schrittweise Abschaffung von eben jener liberaler Rechte Richtung Kontrolle des Bürgers wieder salonfähig? Eben. Sie können natürlich weiter von "Verfassung" und "westlichen WErten" schwadronien, oder aber, sie nehmen die andere Pille, dann heißt es allerdings: "Willkommen in der Wüste der Realität." 2. Der "Islamistische Terror" ist - Stichwort "die Geburt al-Qaidas aus dem Geist der Moderne" (Gray) - ein Spiegelbild des Westens, eine Spielart gegen-aufklärerischer Bewegungen aus der Moderne: Stichwort Anarchistenbewegung des 19. Jahrhunderts. 3. Die "Neuen Rechen" sind alles andere als eine zu unterschätzende Minderheit. Es gibt sowohl im Militär als auch in der intellektuellen Riege ein breites Netzwerk an Aktivisten und vor allem gut gebildete Autoren. Lesen sie mal den identitären Autor "Renaud Camus", der den Begriff des "Bevölkerungsaustausches" geprägt hat. Stilistisch und intellektuell ist das sehr anspruchsvoll, leider ideologisch verblendet. Eine der Wurzeln in dem ganzen ist der Ursprung des Konzepts von Europa. Europa hat sich als Gegenpol des Islams zu einer Einheit gebildet. Henri Pirenne ("Muhammad und Karl der Große") erinnert daran, dass Karl Martells Sieg zum ersten Mal so etwas wie ein europäisches Selbstbewusstsein schuf. Dabei war vorher das Mittelmeer der Kern der alten Welt. Und nicht das heutige Deutschland oder Frankreich. Als der Islam die Weltbühne betraf und schlagartig ein Großteil der alten antiken Welt sozusagen "verloren ging", betrachtete man den verbliebenen Teil des (untergegangenen) Römischen Reichs als "Rest der Antike". Der Araber galt als Schleicherbe. Und ebenfalls wichtig: Aus christlich-theologischer Sicht waren die Araber Nachfahren Ismaels, und Ismael galt als vom Heil ausgeschlossen. Es ist interessant, dass diese ursprünglich theologische Ablehnung sich weiter im Kern erhalten hat, obgleich der säkulare STreifen zwischen Skandinavien und Spanien wenig mit Religion heute zu tun hat. Aber was man als Kind nun mal gelernt hat... Drei Lesetipps von westlichen Denkern von Format: "Warum der Liberalismus gescheitert ist" (Patrick Deenen) "Willkommen in der Wüste der Realität" (Slavoj Zizek) "Raubtier Mensch: Die Illusion des Fortschritts" (John Gray)
18.09.20
17:30
Johannes Disch sagt:
@Tarik (18.09.2020) Danke für die Lektüretipps, auch wenn ich sie bereits kenne. Keines der genannten Bücher hat mich überzeugt. Es gibt eine Menge Historiker, die die Dinge anders sehen als die von Ihnen genannten. Und die haben gute Argumente dafür.
20.09.20
15:02
Johannes Disch sagt:
@Tarik (18.09.2020, 17:30) Hier mal einige Lektüretipps von mir: -- Tilmann Nagel: "Mohammed. Eine Biografie." -- Bassam Tibi: "Islamische Geschichte und deutsche Islamwissenschaft." (Mit einer ausführlichen Kritik an Thomas Bauer und seiner "Ambiguitätstoleranz", die er im Islam zu finden glaubt). -- Gilles Kepel: "Chaos. Die Krisen im Nahen Osten verstehen." -- Karl Popper: "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" (2 Bände) -- Heinrich August Winkler: "Geschichte des Westens." (5 Bände) Alle Autoren haben mindestens ebenso viel wissenschaftliches Renommee wie die von Ihnen Genannten. Und sie kommen zu völlig anderen Einschätzungen und Schlussfolgerungen.
20.09.20
18:33
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