ISLAMISCHE BESTATTUNGSKULTUR

„Corona wird viele Muslime zum Umdenken bewegen“

Hicham El Founti leitet ein islamisches Bestattungsinstitut in der zweiten Generation. Im IslamiQ-Interview sprechen wir mit ihm über die muslimische Bestattungskultur in Deutschland und ihre Entwicklung.

23
08
2020
Islamische Bestattung
Hicham El-Founti © Privat, bearbeitet by iQ.

IslamiQ: Warum ist die islamische Bestattung in Deutschland wichtig?

Hicham El Founti: Der Islam gehört zu Deutschland, und somit auch die muslimische Bestattungskultur. Es wäre nicht richtig, die muslimische Bestattungskultur außen vor zu lassen, zumal die Anzahl der muslimischen Bestattungen in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter gestiegen ist.

IslamiQ: Welche Arbeit leistet Ihr Bestattungsinstitut?

El Founti: Als Islamisches Bestattungsinstitut in NRW besteht unsere Hauptaufgabe natürlich in der Betreuung der Angehörigen der Verstorbenen in der schweren Zeit. Unsere Leistungen reichen von der Abholung des/der Verstorbenen bis zur Beisetzung des/der Verstorbenen im In- oder Ausland. Darüber hinaus endet unsere Arbeit nicht mit der Bestattung. Auch nach der Trauerzeremonie unterstützen wir die Angehörigen bei weiteren Behördengängen, wie z. B. bei der Abwicklung der Rentenansprüche.

IslamiQ: Aktuell ist die genaue Anzahl an Grabfeldern bundesweit nicht bekannt. Sie möchten dies nun zuerst für NRW, dann bundesweit erfassen. Wie kam es dazu und wie sieht Ihre Arbeit hierzu aus?

El Founti: Viele neue Grabfelder in NRW und in Deutschland sind in der muslimischen Gemeinschaft nicht bekannt. Das möchten wir ändern. Heutzutage wird immer noch der Fokus auf die bekannten Grabfelder wie in Essen, Aachen, Köln oder Düsseldorf gelegt. Dass auch ländlichere Kommunen Grabfelder mit islamischer Bestattung anbieten ist weitestgehend unbekannt.

IslamiQ: Welche Daten werden genau erhoben?

El Founti: Die Daten, die wir erheben, sind der Name und die Adresse des Friedhofs, sowie die Anzahl der Grabfelder für Erwachsene und Kinder und die Ruhezeiten und Friedhofsgebühren für die Grabfelder. Oft wird auch von Seiten der Angehörigen der Wunsch geäußert, die Waschung am Friedhof durchzuführen und die Trauerräume am Friedhof zu nutzen. Diese Informationen möchten wir deshalb auch erfassen. Die Informationen bekommen wir meist von der Friedhofsverwaltung oder dem Friedhofsbüro. Die Zuständigkeit ist von Kommune zu Kommune anders geregelt.

IslamiQ: Wie ist der Stand ihrer Arbeit? Sind bereits erste Zahlen oder Statistiken vorhanden?

El Founti: Wir konnten mittlerweile alle Informationen für NRW und einige Bundesländer zusammentragen. Durch die Corona-Krise sind in einzelnen Kommunen noch muslimische Grabfelder hinzugekommen. Diese Informationen werden wir aber noch zeitnah ergänzen.

IslamiQ: Hat sich der Bedarf an muslimischen Grabfeldern in Deutschland aufgrund der Corona-Krise erhöht?

El Founti: Durchaus. Der Bedarf an muslimischen Grabfeldern in Deutschland steigt. Besonders in Ballungsgebieten ist ein deutlicher Anstieg muslimischer Bestattungen spürbar.

IslamiQ: Denken Sie, dass die Überführungen in die Herkunftsländer in Zukunft abnehmen könnten?

El Founti: Ich denke, Corona und ihre Folgen werden viele Muslime zum Umdenken bewegen. Dazu gehört auch die Bereitschaft zur Überführung eines/einer Verstorbenen ins Ausland. Durch die Corona-Pandemie sind viele Muslime auf die Bestattungsmöglichkeiten im Inland aufmerksam geworden. Ein Nachteil ist natürlich die begrenzte Ruhefrist für einige Grabarten auf kommunalen Friedhöfen. Hierfür sollten in naher Zukunft Lösungsansätze ausgearbeitet werden.

IslamiQ: Welche Herausforderungen sehen Sie in Zukunft hinsichtlich der Arbeit zu muslimischen Grabfeldern und Bestattungen in Deutschland?

El Founti: Meiner Meinung nach besteht die größte Herausforderung in der Debatte um die begrenzte Ruhefrist für muslimischer Grabfelder. Die Corona-Pandemie und die massive Beschränkung im Flugverkehr haben viele Muslime dazu gezwungen, auf die regionalen Bestattungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Davon profitieren in erster Linie auch die Kommunen, jedoch müssen wir uns die Frage stellen „What‘s next?“. Die Gesetzesänderungen in den Bestattungsgesetzen der Länder sind natürlich ein großer Schritt in die richtige Richtung, jedoch ist in allen Änderungen der Bestattungsgesetze der Länder die Ruhefrist völlig unberührt geblieben. Hierfür fordern wir eine Debatte.

Das Interview führte Kübra Zorlu.

Leserkommentare

Vera von Praunheim sagt:
Ein islamischer Bestattungskultur-Gewerbe-Betreibender fordert Gesetzesänderungen, weil ihm Gewerbe & Geschäft und seine Islam-Religion wichtig sind. Alle eventuellen Gesetzesänderungen gehören aber eingehend diskutiert, geprüft und überprüft. Grundsätzlich sollte die Allgemeinheit schon vor überbordenden Änderungswünschen in Richtung Islamisierung geschützt werden - so denken viele Menschen. Soll wirklich die Islam-Ideologie überall immer mehr den Ton angeben und ihren Einfluß ausbauen? Nicht zuletzt schrieb Rainer Haubrich in der 'WELT': "Wir islamisieren uns schleichend." Die beste Lösung kann nur sein, daß religiöse Aktivitäten in den privaten Raum verlegt und notfalls verbannt werden. Und private Belange müssen dann nicht ständig in die Öffentlichkeit getragen werden.
23.08.20
16:49
Dilaver Çelik sagt:
Die Ruhefrist und der sinnlose Sargzwang gehören abgeschafft und die Kosten vollständig von den Kommunen übernommen. Noch besser sind eigene Friedhöfe für Muslime. Dann sind Auslandsbeerdigungen überflüssig. Es kann nämlich nicht sein, dass trauernde Angehörige auch noch mit Kosten belastet werden, welche sie sich nicht leisten können. Diese Kosten, welche sich über Jahre hinziehen, verlängern unnötig die Trauerzeit und man kann mit der verstorbenen Person einfach nicht abschließen. Das ist eine enorme psychische Belastung, welche hinzukommt. Dabei wollen die Hinterbliebenen nach der Beerdigung nur noch eins: Grabbesuche, für den Verstorbenen beten und mit dem Verstorbenen abschließen. Mehr nicht. Auch keine Kosten. Wer es sich leisten kann, wird erdbestattet. Wer es sich nicht leisten kann oder keine Angehörigen hat, der wird eingeäschert - selbst dann, wenn er Muslim ist. Um Kosten zu sparen! Diese Zwei-Klassen-Bestattung muss abgeschafft werden. Sie ist mit der Lebenswelt der Hinterbliebenen nicht vereinbar, sondern unnötige Bürokratie. Andernfalls wird selbst die Corona-Krise keine Auslandsbeerdigungen aufhalten können. Wenn hier ein Umdenken stattfinden soll, dann bei den Friedhofsverwaltungen.
24.08.20
19:09
Houcine El Malqui sagt:
Hallo zusammen, hier wäre ein Kauf privater Friedhöfe vom Vorteil um die Ruhrfrist zu deaktivieren bzw. selbst zu bestimmen.
25.08.20
23:23