Die Debatte um das Kopftuchverbot bei Lehrerinnen könnte am Donnerstag neu angefacht werden. Dann entscheidet das Bundesarbeitsgericht über einen Fall aus Berlin.
Im Streit um das Kopftuchverbot bei Lehrkräften in Deutschland steht ein neue Grundsatzentscheidung an. Am Donnerstag verhandelt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt über eine Revisionsklage des Landes Berlin gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg. Dabei geht es auch um das Neutralitätsgesetz des Landes Berlin.
Im vorliegenden Fall hatte das Landesarbeitsgericht am 27. November 2018 einer muslimischen Lehrerin nach dem Kopftuchverbot eine Entschädigung in Höhe von 5.160 Euro zugesprochen, die auf dem Tragen eines Kopftuches bestanden hatte und vom Land Berlin nicht eingestellt wurde. Zur Begründung erklärte das Landesarbeitsgericht, die Lehrerin sei im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes benachteiligt worden. Bei der Ablehnung habe das Land Berlin nicht mit seinem Neutralitätsgesetz argumentieren dürfen, das unter anderen staatlichen Bediensteten auch Lehrkräften das Tragen religiös motivierter Kleidung und Symbole verbietet.
Bei der Auslegung dieses Gesetzes sei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 2015 maßgeblich, so das Landesarbeitsgericht. Danach dürften religiöse Symbole wie das Kopftuchs nur dann gesetzlich verboten werden, wenn dadurch eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität entstehe. Dies sei im vorliegenden Fall nicht feststellbar gewesen.
In mehreren ähnlichen Fällen hatte das Land Berlin zuvor die gerichtlich festgelegten Entschädigungen gezahlt und die Urteile nicht angefochten. Es macht mit der Revisionsklage nun den Weg frei für eine Prüfung des Neutralitätsgesetzes, das seit Jahren auch unter den Koalitionsparteien umstritten ist. Während Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) zu den vehementesten Verteidigerinnen gehört, drängt die religionspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Bettina Jarasch, seit Jahren auf eine Klärung, ob das seit 2005 geltende Gesetz verfassungskonform ist.
Nach einem vor einem Jahr veröffentlichten Gutachten des Staatsrechtlers Wolfgang Bock sieht die Prozessbevollmächtigte des Senats, die Rechtsanwältin Seyran Ates, die Position des Landes Berlin gestärkt. Bock vertritt die Auffassung, „unabhängig von den Motiven seiner Trägerin“ fördere ein Kopftuch die aus einer „islamischen Religionskultur“ entstehenden Konflikte an einer Schule.
Indes gibt es auch andere Einschätzungen. So stellte das Berliner Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg 2017 eine Kopftuch tragende muslimische Lehrerin ein. Es diene der Persönlichkeitsentwicklung von Schülerinnen und Schülern, wenn sie sich an den religiösen Positionen ihrer Lehrkräfte reiben könnten, erklärte der damalige Rektor, Pater Tobias Zimmermann, die Entscheidung. Diese dürften die Jugendlichen mit ihren Vorstellungen aber nicht „überwältigen“, sondern müssten sich als eine Art „Sparringspartner“ verstehen, räumte er zugleich ein.
Eine grundsätzliche Entscheidung zum Neutralitätsgesetz ist auch im Interesse anderer Religionsgemeinschaften. So ging vor drei Jahren der Fall einer evangelischen Lehrerin an einer staatlichen Schule in Berlin-Wedding durch die Medien. Sie durfte demnach per Dienstanweisung keine Halskette mit Fischsymbol tragen, das nach christlicher Tradition für Jesus Christus stehen kann. Auch aus diesem Grund wandten sich die Kirchen in Berlin mehrfach gegen eine strikte Anwendung des Neutralitätsgesetzes. (KNA/iQ)