Das muslimische Kopftuch ist ein Dauerthema in der Schule und in der Justiz. IslamiQ hat die wichtigsten Etappen der Diskussion zusammengefasst.
Seit mehr als 20 Jahren wird an deutschen Gerichten über das Kopftuch gestritten. Mit Spannung wurde in einem neuen Berliner Kopftuch-Fall die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erwartet.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt erklärte in seinem Urteil am Donnerstag, dass das pauschale Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen, wie es aus dem Neutralitätsgesetz hervorgeht, für verfassungswidrig. Das seit 2005 geltende Gesetz verbietet bestimmten staatlichen Beschäftigten im Dienst auffällige, religiöse und weltanschauliche Symbole und Kleidung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 entschieden, dass solche Verbote im Bildungsbereich nur dann zulässig sind, wenn der Schulfrieden konkret gefährdet ist. Doch das Land Berlin hielt am Kopftuchverbot fest.
Was davor und danach geschah, finden Sie hier:
Juni 1998: Fereshta Ludin erhält Berufsverbot in Stuttgart.
März 2000: Das Verwaltungsgericht Stuttgart weist die Klage von Fereshta Ludin ab.
Juni 2001: Das Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt: Das Neutralitätsgebot sei gewichtiger als Religionsfreiheit.
Juli 2002: Das Bundesverwaltungsgericht (damals in Berlin) weist die Klage ebenfalls zurück. Begründung: Neutralitätsgebot
September 2003: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet: Fereshta Ludin darf mit Kopftuch unterrichten. Bundesländer dürfen aber „religiöse Symbole“ an Schulen verbieten.
April 2004: Baden-Württemberg erlässt als erstes Bundesland ein „Kopftuchgesetz“.
April 2004: Im selben Monat erlässt Niedersachsen als zweites Bundesland ein „Kopftuchgesetz“.
Juni 2004: Saarland erlässt als drittes Bundesland ein „Kopftuchgesetz“.
Oktober 2004: Hessen führt als viertes Bundesland ein „Kopftuchgesetz“ ein.
November 2004: Bayern erlässt als fünftes Bundesland ein „Kopftuchgesetz“.
Januar 2005: Berlin führt als sechstes Bundesland ein „Kopftuchgesetz“ ein.
März 2005: In Brandenburg setzt sich ein Verbotsantrag nicht durch. Das Tragen des Kopftuchs ist weiterhin erlaubt.
Juni 2005: In Bremen wird das siebte „Kopftuchgesetz“ erlassen.
November 2005: Auch in Rheinland-Pfalz setzt sich ein Kopftuchgesetz nicht durch.
Juni 2006: Als achtes Bundesland erlässt Nordrhein-Westfalen ein „Kopftuchgesetz“.
Januar 2007: In Schleswig-Holstein kann sich ein Kopftuchverbot nicht durchsetzen.
Juni 2007: Das Arbeitsgericht Düsseldorf weist die Klage einer Lehrerin zurück. Sie hatte im Unterricht eine Baskenmütze als Ersatz für das Kopftuch getragen.
Oktober 2009: In Rheinland-Pfalz kann sich ein Kopftuchverbot auch in einem zweiten Anlauf nicht durchsetzen.
August 2011: Eine Lehrerin mit Baskenmütze klagt vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie möchte das Kopftuchverbot kippen.
März 2015: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet: Das pauschale Kopftuchverbot an Schulen ist verfassungswidrig.
März 2015: Bayern hält trotz Karlsruher Urteil am Kopftuchverbot fest.
Mai 2015: Bremen reagiert als erstes Bundesland. Muslimischen Lehrerinnen ist es fortan erlaubt ein Kopftuch zu tragen.
Juni 2015: Auch Nordrhein-Westfalen erlaubt jetzt das Kopftuch für muslimische Lehrerinnen an Schulen.
August 2015: In Niedersachsen wird ebenfalls die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt.
September 2015: Auch Hessen kippt das Kopftuchverbot
Oktober 2015: Berlin hält am Verbot fest. Das Tragen des Kopftuches im Schuldienst bleibt verboten.
November 2015: Nach dieser Entscheidung des Berliner Senats klagt eine kopftuchtragende Lehrerin.
April 2016: Die Klage der Berliner Lehrerin wird abgewiesen. Grund: Neutralitätsgesetz
Juni 2016: In Bayern wird das Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen gekippt.
Februar 2017: Die Klage einer Lehrerin ist vor dem Landesarbeitsgericht in Berlin erfolgreich. Der Muslimin wird eine Entschädigung zugesprochen.
Mai 2018: Das Berliner Arbeitsgericht weist die Klage einer Lehrerin ab. Das Neutralitätsgesetz sei nicht verfassungswidrig.
November 2018: Die Klage einer Lehrerin ist vor dem Landesarbeitsgericht erfolgreich. Das Neutralitätsgesetz in Berlin wird überprüft.
März 2019: Die Berliner Bildungsverwaltung geht in Revision. Sie will das Neutralitätsgesetz vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt überprüfen lassen.
27. August 2020: Muslimin gewinnt Rechtsstreit. Das Bundesarbeitsgericht weist die Revisionsklage zurück. Das pauschale Kopftuchverbot ist verfassungswidrig.
9. September 2020: Zum ersten Mal wurde ein Prozess angehenden muslimischen Staatsanwältinnen mit Kopftuch geführt. Die Muslimin trug während der Verhandlung keine Robe und wurde von ihrem Ausbilder begleitet.
03. März 2021: Der nordrhein-westfälische Landtag hat ein Gesetz beschlossen, das Richtern, Staatsanwälten sowie anderen Justizbeschäftigten religiöse und weltanschauliche neutrale Kleidung verbietet.
27. Mai 2021: Die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) reicht gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vo 27. August 2020 eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.
01. Februar 2023: Muslimischen Lehrerinnen in Berlin darf nicht pauschal das Tragen von Kopftüchern verboten werden. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Verfassungsbeschwerde des Landes gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Kopftuchverbot „ohne Begründung nicht zur Entscheidung an„.
27. März 2023: Das Land Berlin lenkt beim Kopftuchverbot ein. In einem Schreiben an alle Berliner Schulleitungen hat die Bildungsverwaltung mitgeteilt, dass sie von ihrer bisherigen wortgetreuen Anwendung des Neutralitätsgesetzes abrücke und künftig das Tragen eines Kopftuchs für Lehrerinnen erlaubt sei.