Schweden

Rechtsextremisten verbrennen Koranausgabe bei Kundgebung

Bei einer illegalen und rechtsextremen Kundgebung in der schwedischen Stadt Malmö wurde eine Koranausgabe geschändet.

29
08
2020
Symbolfoto: Koranexemplar verbrannt, Koranverbrennungen

In Malmö wurde bei einer illegalen Kundgebung eine Koranausgabe geschändet. Anhänger des Chefs der dänischen islamfeindlichen Partei Strammer Kurs, Rasmus Paludan, hatten sich zu einer antimuslimischen Aktion versammelt. Dabei wurde eine Koranausgabe mit Füßen getreten und verbrannt. Die Videos der Aktion wurden später ins Internet gestellt.

Eigentlich wurde die Kundgebung zuvor von der Polizei verboten und das Verbot von einem Gericht bestätigt. Paludan selbst war an der Einreise nach Schweden gehindert und mit einem zweijährigen Einreiseverbot belegt worden. Die Polizei löste die Versammlung auf und nahm sechs Personen unter dem Verdacht des Unruhestiftung gegen eine ethnische Gruppe fest.

Nachdem Berichte die Runde machten, dass eine Koranausgabe verbrannt wurden, kam es zu Unruhen. Etwa 15 Personen seien bei den Protesten am späten Freitagabend vorübergehend festgenommen worden, berichtete die Polizei am Samstag.

Die Ordnung sei in den frühen Morgenstunden wieder hergestellt worden. Der Malmöer Polizeichef Stefan Sinteus erklärte, dass die Polizei die Vorfälle untersuche. Sie arbeite mit den Religionsgemeinschaften und anderen Gruppen zusammen, um sicherzustellen, dass sich jeder sicher fühlen könne. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Tarik sagt:
@ Charley Man könnte also sagen, dass Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Sie machen also das "Fehlen der Liebe" daran aus, dass sie das entsprechende Wort zählen, wie oft es im Kor'an vorkommt. Schade, dass das "Rofl" schon hier benutzt wurde. Die gesamte Schöpfung der Welt und des Menschen ist ein einziger Akt der Liebe. Was der Bibel fehlt finden wir bsp. in der Sure Rahman, wo die wunderbare Schöpfung, ja selbst die Biene als dienstbares Werkzeug göttlicher Barmherzigkeit, gepriesen wird. Wenn Sie schon einen Unterschied ausmachen wollen, dann ist es nicht "die fehlende Liebe", denn die Liebe ist das Kernelement des Islams, sondern die der Erbsünde. Der Mensch ist frei und unschuldig geboren und verdient nicht, wie ein Augustinus etwa meinte - oder wie man hier im Mittelalter der Meinung war, dass die Taufe einen davor errettet, weil man eigentlich die Hölle verdient habe, was hießt, dass ungetaufte Neugeborene nicht errettet waren (!). Auch die Prophetie von Muhammad dient, so heißt es, nur dazu, den Charakter der Menschen zu vervollkommnen - was ein Hinweis darauf sein könnte, dass der Verstand alleine - außer vlt. bei Philosophen - nicht ausreicht. Sondern - und das ist sowohl ein koranischer als auch ein roter FAden der Sunna - das reine Herz. Man wird rein geboren, jedoch durch Ablenkung und Sünde wird das warhe göttliche Innere - jener "Ruh" von dem der Kuran spricht - überdeckt. Es geht also darum, sich selbst zu erkennen. Und das ist keine Lösung für Spirituelle, die das nicht in den Quellen finden, das sind die Quellen. Sie haben offenbar Ibn Arabis "Buch der Liebe" noch nicht gelesen? Jener Ibn Arabi - der eben kein esoterischer Spinner am Rande, sondern bedeutend in der islamischen Kultur war - hat sich nichts aus den Rippen geschnitten, sondern Exegese auf Niveau betrieben. Und all das gibt der Koran eben her. Aber eben nicht für jene, die einen Schleier vor sich haben und nur das sehen, was sie sehen wollen. Um ihren eigenen Glauben etwa in Abgrenzung vom Islam zu erhöhen. Dabei hätte es hier eine Scholastik ohne den Islam gar nicht gegeben (wörtlich "Schulung" und hieß de facto "bei den Arabern zur Schule gehen").
18.09.20
18:10
Tarik sagt:
@ Johannes Disch Leider doch, aber davon wissen sie noch weniger als von islamsicher Rechtsgeschichte. Und wer aus diesem blutigen Teil der Geschichte aus den 90ern nichts gelernt hat, hat die Neue Rechte nicht verstanden. ES ist kein Zufall, dass identitäre Organisationen europaweit serbische Fahnen mit stolz tragen und bsp. der Attentäter von Christchurch sich auf Srebrenica berief. Im Jargon der einschlägigen Kreise nannte man das Massaker als "Kebab-Remove". Denn radikale Serben nennen die muslimische Slawen "Vertürkte". Und ein Martin Sellner - führender Identiärer in Österreich - lächelt schon mal in die Kamera und sagt, "er befinde sich gerade im Kebab Remove Modus".
18.09.20
18:14
Tarik sagt:
@ Charley Ehrlich gesagt, lese ich das Magazin kaum. Ich glaube, ich blieb an irgendeinem Artikel hängen - wahrscheindlich eine Buchvorstellung von Karimi oder weiß der Geier - und mich überraschte die doch sehr heftigen Kommentare. Wenn Sie anspruchsvolles und philosophisches finden wollen, werden Sie vlt. eher auf der Homepage der "Islamischen Zeitung" fündig, dort finden sich einige philosophisch lesenswerte Essays.
18.09.20
18:21
Grege sagt:
Als Ratko Mladic mit der serbischen Soldateska in Srebrenica eindrang, wird er mit folgenden Worten zitiert. „Hier sind wir, am 11. Juli 1995, im serbischen Srebrenica. Am Vorabend eines anderen großen serbischen Festtages schenken wir dem serbischen Volk diese Stadt, denn endlich ist der Zeitpunkt gekommen, nach dem Aufstand gegen die osmanischen Tyrannen auf diesem Boden an den Türken Rache zu nehmen.“ Diese Denke ist bei nationalistisch gesinnten Serben auf fruchtbaren Boden gefallen, die die Geschichte ihres Volkes ausschließlich aus der Opferperspektive betrachten, dementsprechend die 400 Jahre andauernde osmanische Besatzung als Schmach ansahen un daher diese Rachgelüste teilten. „Hier sind wir, am 11. Juli 1995, im serbischen Srebrenica. Am Vorabend eines anderen großen serbischen Festtages schenken wir dem serbischen Volk diese Stadt, denn endlich ist der Zeitpunkt gekommen, nach dem Aufstand gegen die osmanischen Tyrannen auf diesem Boden an den Türken Rache zu nehmen.“ Genau dieser immerwährende Opfermythos das perfekte Alibi für die Schaffung eines Großserbiens dar, was nicht nicht nur die muslimischen Bosnier leiden ließ, sondern auch die katholischen Kroaten aufgrund ihrer angeblichen Liason mit den Nazis während des 2. Weltkriege. Schon allein aus dem Grunde ist die Islamophobie-These völlig deplaziert. Das aber nur am Rande. Diese einseitige Einstellung kann bei Exremisten jeglicher Couleuer festgestellt werden, wie z.B. bei hinduistischen Nationalisten in Indien , die die Massakrierung von ca. 80 Millionenen Glaubensbrüder durch muslimische Invasoren heute noch als Rechtfertigung für ihre Aversionen gegen Muslime ansehen. Die Pflege dieses Opferkultes, das die eigenen Misstände ausschließlich Fremden anlastet, schließt auch das Verleugnen und Leisetreten von dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte ein. Bestes Beispiel ist der Umgang von türkischen Nationalisten und Islamisten mit dem Genozid an den Armeniern, dessen Negierung heute noch ein Teil türkischer Staatsräson ist.. Hiesige Islamvertreter und Islamprotagonisten legen genau diese Opfermentalität an den Tag, ohnen einen Blick auf die eigene Geschichte aus der Täterperspektive heraus. Anläßlich der "Black lives Matter" Debatte hat z.B. Farid Hafez auf seiner Facebook Seite beinahe im Stundentakt Videodateien mit Rassismusvorwürfen gegen den "weißen Mann" publiziert. Aber zum gegenwärtigen Alltagsrassismus seiner Vorfahren gegen dunkelhäutige Menschen im arabisch-muslimischen Nordafrika mit ca. 1000 jähriger Tradition hat sich Hafez mit keinem Sterbenswörtchen geäußert. Dass die "Black lives Matter" Debatte in den Maghrebstaaten wenig Beachtung findet findet, ist kaum verwunderlich, stellt sie doch eine steile Antithese zur gerne empfundenen Opfermentalität dar. Entsprechende Muslime mit Glauben an diesem Opfermythos begehen hier Selbstbetrug, der die eigene Weiterentwicklung langfristig blockiert. Sie sollten sich nur bewußt sein, dass dieses Attribut von Exremismus muslimischen Minderheiten in Erdregionen mit muslimischer Kolonialvergangenheit vor die Füße fallen kann, wie die Beispiele Indien oder Bosnien doch sehr deutlich belegen.
18.09.20
21:46
grege sagt:
Die Vorkommnisse in Schweden stellen beileibe kein Einzelfall dar. Auf angebliche Beleidigung der eigenen Religion haben bestimmte Muslime selbst hier in Europa schon mit Gewalt- und Terrorakten reagiert. Der Mord an den niederländischen Filmemachter Van Gogh, der Mordanschlag auf Kurt Westergaard in seinen eigenen durch einen somalischen Flüchtling (vielleicht als Dank für seine Aufnahme aus einem Krisengebiet ) sowie die Massakrierung der gesamten Redaktion von Charlie Hebdo sind ein trauriges Zeugnis dieser Realität. Dass mittlerweile französische Verlage eine Übersetzung der Veröffentlichuchungen Samads aus Furcht vor Anschlägen ablehnen, muss als Kniefall vor der islamistischen Drohkulisse sowie als Einschränkung unserer als Grundrecht verbrieften Meinungsfreiheit gedeutet werden. Mit Verweis auf den Einzelfallcharakter kann man, so geschen durch Islamprotagonisten und Vertreter von Islamverbänden, solchen Vorfällen jegliche Relevanz absprechen. Aber genau dieselben Muslime weichen urplötzlich von dieser Betrachtung ab, wenn die Täter aus rechtsradikalen / islamophoben Motiven handeln.Solche Verbrechen haben genau die gesamtgesellschaftliche Relevanz zu besitzen, die man bei islamisch motivierten Anschlägen als stigmatisierend und pauschalisierung geißelte. Diese Haltung kann man getrost als heuchlerisch bezeichnen, wie in einem Beitrag zuvor zu dieem Thema an den Tag gelegt.
18.09.20
22:14
Tarik sagt:
@grege Sie haben absolut Recht. Wer einem Opfermythos anhängt, wird schwerlich die Verantwortung bei sich selber suchen können. Allerdings. Es geht hier gar nicht darum. Dazu muss man ein wenig in die Tiefe gehen. Der bei serbischen Nationalisten vorherrschende Islamhass hat eine lange Tradition und lässt sich nicht „nur“ in Srebrenica sehen. Inwieweit die Islamophobie bei den Greueltaten eine Rolle spielte, ist tatsächlich mittlerweile sehr gut erforscht, übrigens auch von einigen intellektuellen serbischen Historikern. 98% der Menschen, die in Massengräbern in Bosnien-Herzegowina verscharrt wurden, waren bosnische Muslime. Natürlich gibt es bei serbischen Nationalisten auch einen Kroatenhass, aber der ist im Vergleich dazu geringer. Es waren bosnische Zivilisten, denen Kreuze tätowiert wurden, oder die auf dem Kur‘an urinieren mussten. In allen Orten, die von serbischen Truppen besetzt wurden, wurden sämtliche, also alle Moscheen zerstört. Wo es sich um UNESCO-Weltkulturerbe handelte, verscharrte man sogar die Steine in Minen oder versenkte sie im Fluss, um eine künftige Restaurierung zu verhindern. Es geht nicht um die „osmanische Besatzung“ allein. Sondern um die slawischen Muslime. Sie werden als Verräter am eigenen Volk angesehen. In Bulgarien nennt man sie „Pomaken“, das kommt von „Verrücken“, das serbische Äquivalent heißt „Poturica“ (Vertürkter). Hier geht es nicht, wie bereits gesagt, um einen Opfermythos, sondern um die nüchterne, rein deskriptive Aufstellung von Fakten. Um eine Wurzelanalyse. Als Serbien seine Unabhängigkeit erlangte, wurde dieses Land quasi über Nacht ethnisch gesäubert. In Uzice etwa dauerten die Progrome drei Tage, der eine Teil flüchtete nach Bosnien, der überwältigende Teil ins Osmanische Reich – wie übrigens ein Großteil des Balkans mit einigen wenigen Ausnahmen ein ähnliches Schicksal teilte. Studien in Jugoslawien (Dedijer/Miletic) zeigten auf, dass im 2.WK während der Besatzungszeit durch die Achsenmächte die Muslime – nach den Juden – prozentual am Bevölkerungsanteil die meisten Opfer zu beklagen hatten, insbesondere durch serbische Tschetniks, die ihren Islamhass freien Lauf lassen konnten. Ich erwähnte an anderer Stelle die Studie des Historikers Standford Shaw, der aufzeigte, dass mit dem Islamhass auch noch ein Antisemitismus im Allgemeinen einherging: Judenprogrome in Griechenland und Bulgarien. Das ist ja nun in der Geschichte Europas nichts neues. Ob Sizilien, Spanien, im Nordkaukausus, an der Wolga, auf dem Balkan – überall, wo früher eine signifikante muslimische Bevölkerung lebte, wurde sie ausgelöscht oder vertrieben. Doch kommen wir zurück zum Bosnien-Krieg, hier ist etwas im Zusammenhang mit dem Thema interessant und bezeichnend. Bekanntermaßen war es seinerzeit die bosnische Regierung, die im Gegensatz zu serbischen Nationalisten – die eine Aufteilung nach „homogenen Gebieten“ (die erst noch homogen gestaltet werden sollten) – ein durch und durch europäisches Programm und europäische Werte vertraten. Paradoxerweise waren die bosnischen Muslime europäischer als die EU selbst. Wie das? Indem die EU damals, die wohl hoffte, dass die von Serben dominierte Volksarmee das Referendum, das man als Bedingung zur Anerkennung forderte, verhindern würde. Lesen Sie einmal Bill Clintons Memoiren. Als er das Oval Office übernahm, tobte der Bosnienkrieg bereits seit einem Jahr. Er schreibt, dass Mitterand ihm entgegnete, wieso denn die EU letztlich die von Serben geschaffenen militärischen Fakten als Verhandlungsbasis akzeptierten: Weil, so Mitterand damals, ein von Muslimen dominierter Staat in Europa nicht erlaubt werden kann. Und genau hier liegt der Hund begraben. Solange EU-Staaten liberal sind, kann man das „Islamische Andere“, das immmer als fremd empfunden wird – und der Ursprung liegt im christlichen Mittelalter (die Sarazenen als Geißel Gottes, Muhammad als Anti-Christ – zumindest tolerieren. Aber sobald identitäre Nationalisten das Sagen haben, muss das Andere beseitigt werden. Ein Lösungsansatz liegt darin, dass man z.B. all die Einflüsse aus der Islamischen Welt für die Entwicklung Europas als solche akzeptiert und annimmt. Aber das ganze ist natürlich zweigleisig. Wenn Muslime hierzulande als Problem wahrgenommen werden, dann liegt das eben auch an jenen selbst. Auf muslimischer Seite gilt es also, sich auf seine Ursprünge zu besinnen. Wenn – Sie sprachen das Thema Wut zurecht an (siehe Anschläge oder zornige Demos) – einerseits die Kernbotschaft des Islams u.a. lautet, sich zu beherrschen statt die beleidigte Leberwurst öffentlich zu spielen, sehen wir, dass einiges faul ist im Staate...gut, Dänemark ist hier wohl falsch. Der Niedergang des Sufismus – d.h. der Technik zur Beherrschung des inneren Egos, das ist klassische islamische Ethik – ist hier ein zentraler Punkt. Der komplette orthodoxe Islam ist vom Sufismus durchsetzt. William Chittik hat dies in seinem „The Vision of Islam“ (auf deutsch ist hier Titus Burkhardt zu nennen) sehr gut dargelegt. Solange muslimische Intellektuelle – egal ob Modernisten oder Fundamentalisten – nur reaktiv agieren, statt sich aus dem eigenen reichhaltigen Fundus zu bedienen, wird sich auch wenig ändern. Insofern gibt es noch eine Menge zu tun.
19.09.20
18:49
Johannes Disch sagt:
@Grege (18.09.2020, 21:46) Danke für ihre treffenden Ausführungen. Nur noch eine kurze Ergänzung: Der Bosnienkrieg (1992-1995) ereignete sich im Rahmen der Jugoslawienkriege, die ein ganzes Jahrzehnt dauerten, von 1991 bis 2001. Es handelte sich um den Verfall eines Vielvölkerstaates. Die Konflikte wurden ethnisiert und später auch religionisiert. So etwas wie die schrecklichen Jugoslawienkriege kommt dabei heraus, wenn man Identität ethnisch definiert ("Volk", "Rasse", Abstammung") und nicht durch universelle Werte, wie der Westen es tut. Natürlich wurde in diesen Kriegen auch die Religion instrumentalisiert, was häufig geschieht und es kam zu islamfeindlichen Aktionen. Aber zu behaupten, der Bosnienkrieg wäre ein Resultat von Islamophobie gewesen, ist absurd. Eines Tages wird man uns wohl auch erzählen, der Klimawandel wäre ein Resultat von Islamophobie.
20.09.20
15:33
Johannes Disch sagt:
@Tarik (18.09.2020, 18:14) -- "Leider doch, aber davon wissen sie noch weniger als von islamischer Rechtsgeschichte." (Tarik über meine Aussage, der Bosnienkrieg kein Resultat von Islamophobie war). Das ist recht unhöflich formuliert von Ihnen. Um es dezent zu sagen. Was den Bosnienkrieg betrifft, da hat "Grege" das nötige gesagt. Und keine Bange, Tarik: Ich bin in islamischer (Rechts)Geschichte und Philosophie mindestens genauso bewandert wie sie. Ich kenne auch die Namen und die Schriften der humanen islamischen Philosophen, die sie anführen. Nur sind diese weder historisch noch aktuell repräsentativ für den Islam. Sie entwerfen blumig und wortreich und rhetorisch durchaus versiert eine Kuschel-Islam-Historie, die mit der Realität wenig zu tun hat. Aber das ist hier kein theologisch-philosophisches Seminar. Und Spielchen wie "Ich-weiß-ein-wenig-mehr-als-du" oder "Ich-weiß-es-ein-bisschen-besser" sind läppisch. Ich sehe viele Dinge einfach anders als sie. Und mich überzeugen ihre Autoren nicht, sondern andere, die aber mindestens ebenso viel wissenschaftliches Renommee haben wie die ihren. That´s all. Es kann jeder, der hier reinsieht, für sich selbst entscheiden, welchen Standpunkt er überzeugender findet, Ihren oder meinen. Es mag in Oxford einige islamische Exoten geben, die an einem "Reform-Islam" arbeiten. Nur scheinen die bei den gewöhnlichen Gläubigen nicht so recht durchzudringen. Und gerade GB ist eine Hochburg islamistischer Ideologen und Organisationen. Seltsam, wo doch gleich nebenan in Oxford so fleißig der Islam reformiert wird.... Tonangebend in der Welt sind heute der orthodoxe und der fundamentalistisch-radikale Islam (Islamismus) und seine radikalen ideologischen Vordenker wie Sayyid Qutb, Al Maududi und Al-Qaradawi und keine sufistischen Mystiker oder feinsinnige Autoren aus der Hochblüte der arabischen Dichtkunst. Das ist der entscheide Punkt. Auf den Punkt bringt die Probleme der islamischen Welt der niederländische Soziologe Ruud Koopmans in seinem aktuellen Buch: "Das verfallene Haus des Islam." Die Probleme der islamischen Welt sind hausgemacht und der Kolonialismus nur eine bequeme Ausrede. Die Daten von Koopmans sind eindeutig. Das ist empirische Sozialwissenschaft der besten Sorte. Und gegen diese empirischen Befunde gibt es keine Ausflüchte. Koopmans Befunde sind eindeutig und seine Belege stichhaltig.
20.09.20
19:32
Tarik sagt:
Koopmans, den Sie dankenswerterweise erwähnt haben, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was herauskommt, wenn eine Studie von jemandem durchgeführt wird, der eine bestimmte ideologische Position bereits eingenommen hat (wie übrigens Koopmanns selbst freimütig einst erklärte, als für ihn nach dem Mord an Kurt Westergaard alles feststand - quasi als "Erweckungserlebnis"). Die von der FU Berlin herausgegebene Studie " Der inspizierte Muslim: Zur Politisierung der Islamforschung in Europa", eine Studie mit mehreren Themen von mehreren Autoren." analysiert eben gerade Koopmans vor einigen Jahren durchgeführte "Datenerhebung "als Fallbeispiel heraus und dekonstruiert gründlich dessen "empirische Daten". Die Redewendung "Traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe" passt hier wie die Faust aufs Auge. Die Autorinnen Johannsen und Spielhaus zeigen in dem Kapitel „Die Vermessung der Muslime. Ein Jahrzehnt quantitativer Forschung zu Muslimen in Europa“, nach gründlicher und eingehender Analyse genau auf, wieso eben nicht von einer "Eindeutigkeit" - noch weniger von einer "Stichhaltigkeit" die Rede sein kann. Die kompletten Fragestellungen haben mit "Wissenschaft" wenig zu tun. Aber die sogenannte Macht der Zahlen kann einem so etwas leicht vorgaukelt, erst Recht, wenn man ohnehin schon zu einer gewissen Meinung tendiert. An dieser Stelle also ein absoluter Lesetipp für Sie. Was die Frage hausgemacht vs Kolonialismus angeht: Was die Forschung mittlerweile aufzeigt, ist, dass von einem Niedergang der Islamischen Welt BIS zum Kolonialismus eben keine Rede sein kann. Richtig ist, dass es ab einem gewissen Punkt - auf hohem Niveau - nur noch sehr langsamen Fortschritt gab und mit dem wirtschaftlichen allmählichen Abstieg natürlich nicht ohne Folgen bliegt. Aber die offenkundigen Verbindungen zwischen dem Aufstieg Europas UND dem Niedergang der Islamischen Welt kann man nur als ein Hardliner oder aber als jemand, der aus seiner Komfortzone nicht rauskommen will, ablehnen bzw. ignorieren. Ein Vergleich mit ostasiatischen Ländern, die ebenfalls mit Kolonialmächten zu kämpfen hatten, zeigt dies sehr gut auf, wie unterschiedlich die Kulturen damit umgingen. Die Japaner bsp. übernahmen vor allem die industriellen und technischen Innovationen, dachten aber nicht im Traum daran, ihre eigene Philosophie in Frage zu stellen. Ganz im Gegensatz zum Vorderen Orient. Dieser stand deutlich mehr und länger im Fokus der Kolonialmächte, der Einfluss ging weit tiefer. Die oft vorgeworfene "fehlende Selbstkritik bei Muslimen" ist bei genauerer Betrachtung ja nonsens. Im 19. Jahrhundert betrieben die Muslime ja de facto Selbstkritik bis hin zur Selbstaufgabe. Sowohl das traditionelle Bildungssystem, das öffentliche Versorgungssystem (Aukaf), alles wurde schrittweise oder über Nacht wie in der Türkei abgeschafft. In diesem Punkt hat Khorchide durchaus Recht, wenn er sagt, dass Reformen eben nicht von oben, sondern von unten - um dauerhaft zu sein - erfolgen müssen. Die Frage ist hatl nur, Reformen wohin? Die Aufklärung Und beim Thema Kolonialismus geht doch überhaupt nicht um eine Schuldfrage. Sondern aufzuzeigen, wann genau die Entfremdung anfing. Die Kolonialmächte förderten ja zahlreiche muslimische Sektenbewegungen, die im 19. Jahrhundert wie Pilze aus dem Boden schossen, seien es die Ahmadiyya in Indien (gesponsert von UK) oder der Ahbasch im Libanon (mit freundlicher Unterstützung von Frankreich). Übrigens: Die Ahbasch - die sich moderat geben, vertreten eine radikale Lehre: Sie sagen, man dürfe einen "Ungläubigen" bestehlen und belügen. Und gerade libanesischen Kurden stellen einen Großteil dieser radikalen Sekte - was erklärt, wieso sie ihr Unwesen als Großclans in Europa problemlos weiterführen. Payback is a bitch - oder altmodisch gesagt: Wer Wind sät, wird halt Sturm ernten. Und es geht auch gar nicht darum, zu leugnen, dass extremistisches Gedankengut heute in der muslimischen Welt sich ausgebreitet hat. Aber es geht um eine korrekte Analyse. Und nicht-muslimische Halbexperten, Soziologen oder Parteipolitiker haben eben, wie gesagt, keinen wirklichen Zugriff auf muslimisches Denken. Zu sagen, "DER Islam ist halt an sich problematisch, er muss UNSERE Werte übernehmen" zeugt allenfalls von einem Zivilisationshochmut, der vielleicht symphatisch wäre, wäre er gerechtfertigt - den Briten nimmt deren Arroganz ja auch keiner übel, die Leute auf der Insel haben ja schließlich Humor ;-)
21.09.20
18:14
grege sagt:
Zum besseren Verständnis des Jugsoslawienkonfliktes sollte nochmal die wesentliche Chronologie in Erinnerung gerufen werden. Ursprünglich waren nationalistische Serben auf den Erhalt Gesamtjugoslawiens unter ihrer Domäne bedacht und wollten das Auseinanderbrechen dieses Vielvölkerstaates mit Gewalt verhindern. Nach der Niederlage der jugoslawischen Bundesarmee in Slowenien im Sommer 1991 musste dieses Vorhaben ad acta gelegt werden, so dass das neue Credo lautete: Überall, wo Serben leben (und sei es in noch so kleiner Minderheit), liegt Serbien. Entsprechend wurde versucht diese beanspruchten Gebiete Bosniens und Kroatiens von Nichtserben zu säubern, ob das Kroaten oder Muslime betraf, spielte bei Auswahl und Intensität der Greueltaten keine Rolle. Bei der anschließenden Besetzung der Krajina und Ostslawoniens (ab Spätsommer 1991), hier insbesondere in Vukovar, sind serbische Freischärler mit Unterstützung der serbisch dominierten Bundesarmee ebenso mit unvorstellbarer Gewalt gegen Kroaten vorgegangen. Dass sich die kroatischen Opferzahlen im Vergleich zum denen des dann folgenden Konfliktes in Bosnien in Grenzen hielten, war nicht auf geringeren Hass der Serben, sondern auf den hartnäckigen Widerstand der kroatischen Territorialverteidigung zurückzuführen, an der sich die Serben aus strategischen Gründen nicht weiter aufreiben wollten und Bosnien daher als leichtere Beute erschien….. Solche Erbfolgekriege mit ähnlichen Gräueltaten und Kriegsverläfen haben sich auch auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion nach deren Zerfall in Georgien, Transnistrien oder jetzt in der Ostukraine nach vergleichbarem Muster ereignet. Hier versuchte sich eine Nationalität auf Kosten ein anderen Territorium, Macht und Einfluss mit Gewalt zu verschaffen, die Religionszugehörigkeit (mit Ausnahme von Tschetschenien bei den Konfliktparteien identisch) war wenig relevant. Diese Tatsache zeigen eindeutig, dass Religion für die Ursache dieses Erbfolgekriegs in Jugoslwien keine dominante Rolle spielte. Außerdem gab es zu der Zeit noch nicht den islamischen Extremismus in dieser heutigen global umspannenden Form , am aller wenigsten in Bosnien mit seinen damals eher säkular eingestellten Muslimen. Frankreich hat sich am Anfang dieses Konfliktes gegenüber antiserbischen Maßnahmen aufgrund seines historischen Bündnisses mit Serbien zurückhaltend gezeigt, nicht nur zu Lasten Bosniens sondern auch des politisch und wirtschaftlich isolierten Kroatiens. Letztens Endes haben aber die Franzosen, Briten und Amerikaner, also die westlichen Führungsmächte, den Bosniern durch militärische Einsatz deren Existenz gesichert, was diversen Muslimen nicht bewusst ist. Während des Konfliktes und im Anschluss an den Jugoslawienkonflikt haben extremistische Serben gerne auf den islamischen Extremismus verwiesen, um sich expost eine Legitimation für die begangenen Gräuel zu verschaffen, falls sie nicht ohnehin (analog zum Genozid an den Armeniern im 1. Weltkreig) geleugnet worden sind. Ähnlich haben sich nach Ende des 2. Weltkriegs einige Nationalsozialisten verhalten, die den Krieg mit antikommunistischen Motiven rechtfertigten und so Sympathien bei den westlichen Alliierten wecken wollten.
22.09.20
21:24
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