Schweden

Rechtsextremisten verbrennen Koranausgabe bei Kundgebung

Bei einer illegalen und rechtsextremen Kundgebung in der schwedischen Stadt Malmö wurde eine Koranausgabe geschändet.

29
08
2020
Symbolfoto: Koranexemplar verbrannt, Koranverbrennungen

In Malmö wurde bei einer illegalen Kundgebung eine Koranausgabe geschändet. Anhänger des Chefs der dänischen islamfeindlichen Partei Strammer Kurs, Rasmus Paludan, hatten sich zu einer antimuslimischen Aktion versammelt. Dabei wurde eine Koranausgabe mit Füßen getreten und verbrannt. Die Videos der Aktion wurden später ins Internet gestellt.

Eigentlich wurde die Kundgebung zuvor von der Polizei verboten und das Verbot von einem Gericht bestätigt. Paludan selbst war an der Einreise nach Schweden gehindert und mit einem zweijährigen Einreiseverbot belegt worden. Die Polizei löste die Versammlung auf und nahm sechs Personen unter dem Verdacht des Unruhestiftung gegen eine ethnische Gruppe fest.

Nachdem Berichte die Runde machten, dass eine Koranausgabe verbrannt wurden, kam es zu Unruhen. Etwa 15 Personen seien bei den Protesten am späten Freitagabend vorübergehend festgenommen worden, berichtete die Polizei am Samstag.

Die Ordnung sei in den frühen Morgenstunden wieder hergestellt worden. Der Malmöer Polizeichef Stefan Sinteus erklärte, dass die Polizei die Vorfälle untersuche. Sie arbeite mit den Religionsgemeinschaften und anderen Gruppen zusammen, um sicherzustellen, dass sich jeder sicher fühlen könne. (dpa, iQ)

Leserkommentare

grege sagt:
Zur deskriptiven und nüchternen Auflistung der besagten Ereignisse sind auch die Gräueltaten der muslimischen Waffen SS eine Erwähnung wert. Diese Einheit, die auf Mitinitiative des Großmufti und glühenden Antisemiten al-Husseini ins Leben gerufen wurde, hat während des 2. Weltkrieges bei Einsätzen in der Gegend von Brcko so alles nieder gemetzelt, was keinen Fez trug. Unter allen Nationalitäten hat es in dieser Region während des 2. Weltkrieges Täter und Opfer gegeben, die in kurzfristigen Bündnissen auf lokaler Ebene mal kooperierten, mal sich gegenseitig abschlachteten. Im Rahmen des serbisch-osmanischen Krieges waren auch die osmanischen Besatzer keine Kinder von Traurigkeit, als beispielsweise Massaker an serbisch stämmige Einwohner in Kumanovo oder in Pristina verübt worden sind. Ebenso hat die mit der Knabenlese verbundenen Verschleppung und Islamisierung griechischer und serbischer Jungen bis ins 18. Jahrhundert hinein auch zur Abneigung gegen die osmanischen Besatzer geführt. Widerstand gegen Besatzung und Fremdherrschaft wird insbesondere von diversen Muslimen gerne als Grundrecht mit Blick auf den Israel-Palästina Konflikt oder den Algerienkrieg gedeutet. Wenn dieselben Muslime Serben, Griechen, Sizilianern oder Spaniern dieses Widerstandsrecht gegen ihre muslimischen Okkupanten im Nachhinein absprechen, ist das ein purer Akt von heuchelnder Doppelmoral. Als Nichtserbe und Nichtmuslim stehe ich diesem Konflikt letzten Endes eher neutral gegenüber, stelle jedoch auf Seiten diverser Muslime genau das Fehlverhalten fest, welches sie den Serben aufbürden. Wer trotz faktengerechter Schilderung die Wiedergabe und Beurteilung historischer Ereignisse ausschließlich auf die Opfer der eigenen Landsleute und Glaubensbrüder reduziert sowie deren verübte Verbrechen bzw. die Opfer der Gegenseite ausblendet, erzeugt Opfermythen par Excellence. Wenn die Geschichte des eigenen Volkes oder eigene Religion nur als Summe von Opfern und Heldentaten, aber niemals selbst begangenes Leid an anderen Religionen wahrgenommen, entsteht die perfekte Saat für Extremismus und Hass, die Massaker in Bosnien Anfang der 90er Jahre oder heute in Syrien verursacht haben. Zwischen Opfermythos und Extremismus besteht als eine enge Liaison, die nicht nur den Islamhass serbischer Nationalisten begründet, sondern auch den Hass islamischer Extremisten auf nichtmuslimische sowie abweichende Islamauslegungen.
22.09.20
21:25
Johannes Disch sagt:
@greeg (22.09.2020, 21:24, 21:25) Danke für die hervorragende Chronologie zu den Jugoslawien-Kriegen und allen anderen Ausführungen. Sehr erhellend.
23.09.20
10:31
Tarik sagt:
@ "muslimische Waffen-SS" Diese wurde 1943 ins Leben gerufen, und vorwiegend aus Ostbosnien meldeten sich Freiwillige - ab 1941 massakrierten marodierende Tschetniks dort die muslimische Bevölkerung - Draza Mihailovic, oberster Tschetnik veröffentlichte im Dezember 1941 die Direktive, dass die von Muslimen bewohnten Landstriche ethnisch gesäubert werden mussten. Trotzdem bestand die 20.000 zählende Handschar-Division nur zu 60 Prozent aus Muslimen, der Rest waren Volksdeutsche und die komplette Befehlsstruktur (Offizier) war deutsch. Interessanterweise kämpften die Handschar-Leute später zusammen mit den serbischen Tschetniks gegen Titos Partisanen. Dies nur zur Ergänzung , um Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln - nachzulesen bsp. in David Friedmans "Serbias Secret War). @ osmanische Massaker Diese seltsame serbische Version des Nationalismus, bestehend aus eigener Staatskirche, Islamhass und dem Wunsch, "alle Serben in einem Staat zu vereinen", entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der 2 serbischen Aufstände zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging sofort einher mit Massakern an Muslimen. Dass die Niederschlagung durch Osmanische Truppen entsprechend blutig war, nun, sowas war damals internationaler Standard. Aber das wissen Sie ja selbst. Was die Knabenlese angeht. l 1. Fand diese nicht alljährlich statt, sondern nach Bedarf, es konnten also auch 15 Jahre ins Land eingehen. 2. Die letzte Knabenlese fand Mitte des 17. Jahrhunderts statt. 3. Mehmed Pasa Selimovic, ein Sprössling solch einer Knabenlese, wurde oberster Wesir und investierte einiges im Aufbau seines Heimatdorfes Selimovici, das letztlich davon profitierte, dass ein Sohn des Ortes Karriere im Staat machen konnte. Übrigens waren auch Nichtmuslime von der Knabenlese betroffen, nur mit dem Unterschied dass die Janitscharen ausschließlich aus ursprünglcih Nichtmuslimen bestand, während eine Karriere im Staat oder in der Verwaltung sozusagen "allen offenstand". Die romantische und emotionale Nationalmythen hatten natürlich das Bild vom grausamen Türken, der den FAmilien ihre Kinder entreißt gezeichnet. Die Realität sah da doch etwas anders aus. 4.Widerstand gegen die Besatzung => vollständige Vernichtung. Na dann ist ja gut. Mit anderen Worten: "Man kann den Leuten nicht übelnehmen". Die Ursache lag allerdings weniger in der osmanischen Unterdrückung, sondern im Nationalismus, der vor perfekt darin ist, den Gegner zu entmenschlichen und somit zum Abschuss frei zu geben. 5. Man hätte ja annehmen können, dass ein vermeintlich bosnisch-muslimischer Opfermythos nach den 90ern zu Racheakten hätte führen können, oder? Stattdessen gab es - nichts. Keine einzige Kirche wurde während des Krieges in Sarajevo, Tuzla, Zenica oder Bihac - nicht einmal im belagerten Srebrenica selbst - angetastet. Zwischen "alle Moscheen, denen man habhaft werden konnte" und "unangetastete Kirchen" besteht nun...ein kleiner Unterschied. Und die ICTY-Urteile zeichnen ein ebenso deutliches Bild. Und was predigen die Imame alljährlich in Srebrenica - da jedes Jahr neue Leichen exhumiert werden? "Möge Srebrenica nie jemandem wieder passieren". Während auf der anderen Seite Lieder gesungen werden a la "Noz.Zica.Srebrenica." (Messer.Draht.Srebrenica!). Davor kann man natürlich die Augen verschließen und sich auf eine nur scheinbar über alles erhabene Neutralität zurückziehen. Oder sich einreden..."nun ja, die Leute auf dem BAlkan sind halt nicht so zivilisiert wie wir. Paradoxerweise hat das (liberal) europäische Lavieren und die Hilfsverweigerung für Bosnien aufgrund der muslimischen Zugehörigkeit der Bevölkerung überhaupt es überhaupt möglich gemacht, dass so etwas wie Salafismus dort unten Fuß fassen konnte. Was natürlich serbische und kroatische Nationalisten dankend annehmen - die heute argumentieren "Sehr her, wir haben euch ja immer vor dem Islam gewarnt". Demzufolge waren die Massaker rein präventiv gewesen. Natürlich hat der islamistische Terror der vergangenen 25 Jahre wie ein Brandbeschleuniger für den heute - siehe Artikel als Beispiel - sich ausbreitenden Islamhass gewirkt. Aber den gab es unterschwellig schon vorher. Solange man "die Muslime" als etwas fremdes ansieht, wird das auch nicht verschwinden. Ist man liberaler Westeuropäer, wird man ihn "tolerieren können", in der Hoffnung, man könne ihn "aufklären". lAber wehe, Nationalisten haben das Sagen. Und der Nationalismus ist es, der in Europa Rückenwind hat. Genau darum auch der Hinweis.
23.09.20
11:21
Tarik sagt:
"Zum besseren Verständnis des Jugsoslawienkonfliktes sollte nochmal die wesentliche Chronologie in Erinnerung gerufen werden. Ursprünglich waren nationalistische Serben auf den Erhalt Gesamtjugoslawiens unter ihrer Domäne bedacht und wollten das Auseinanderbrechen dieses Vielvölkerstaates mit Gewalt verhindern. Nach der Niederlage der jugoslawischen Bundesarmee in Slowenien im Sommer 1991 musste dieses Vorhaben ad acta gelegt werden, so dass das neue Credo lautete: Überall, wo Serben leben (und sei es in noch so kleiner Minderheit), liegt Serbien" (grege) So war die offizielle Lesart. Allerdings weiß man heute, dass die serbisch-nationalistische Führung von vornherein das Zusammenbrechen Jugoslawiens aktiv betrieb. Borislav Jovic bsp. - seinerzeit das serbische Präsidiumsmitglied (jede Republik hatte einen Vertreter, das hieß 6 Republiken plus 2 Autonomiegemeinden. Nach dem serbischen Putsch in den zwei Gemeinden, während in Montenegro ein proserbischer installiert wurde) - bekannte in seinen Memoiren freimütig, dass es von Anfang an darum ging, Slowenien raus aus Jugoslawien zu haben. Das hätte Serbien eine Stimmenmehrheit garantiert. Auch mit der Unabhängigkeit von Kroatien hatte man kein Problem - sofern natürlich Kroatien auf 1/3 seines Landes verzichtet hätte. Vorher versuchte man allerdings einen Militärputsch, indem man im Präsidium den Ausnahmezustand verhängen wollte - allerdings verweigerte ein gewisser Bogicevic - damals serbisches Präsidiumsmitglied aus Bosnien, dessen Stimme man wohl gesichert glaubte - dagegen, so dass man zu Plan B überging. Rechtlich begründete die serbische Führung dies natürlich mti dem "Recht der Selbstbestimmung der Völker" - sozusagen kontra dem Recht der Republiken auf Souverenität. Dies nur zur Ergänzung. Und letztlich kam der EU auf lange Sicht ein Zusammenbrechen Jugoslawiens zu pass. Denn heute haben wir 6 (mit Kosovo 7) Staaten, die international abhängig sind, deren Banken auch nicht unter eigener Aufsicht stehen. Im Zuge der Finanzkrise zog man dann auch sämtliches Geld ab: das erklärt den Zusammenhang zwischen dem Aufstieg des Nationalismus in Europa, der EU-Feindlichkeit verbunden mit dem Gefühl, die eigene Souverenität verloren zu haben. Aber auch dies hier wieder ein anderes Thema und nur als Ergänzung zur Chronologie.
24.09.20
11:40
Tarik sagt:
@ Frankreichs (destruktive) Rolle im Bosnienkrieg Tipp: Bernard Henri-Levys Dokumentation aus dem Jahr 1994: "Bosnia"
24.09.20
11:44
Tarik sagt:
Um auf das Kernthema zurückzukommen. Hauptursachen der großflächigen ethnischen Säuberungen auf dem gesamten Balkan im Zuge der nationalen Befreiungskriege im 19. Jahrhunderts sind vor allem zwei Punkte: 1. Das, was grege hier schon richtig ansprich, die Schaffung von Nationalen Opfermythen - Geschichtsschreibung, Gedichte etc. -, welche ein Narrativ von "fremdländischer Besatzung" schufen. Was lächerlich ist, alleine wenn wir uns den riesigen Zeitraum betrachten. Oder aber, wir akzeptieren diese Sicht - aus der Sicht eines indigenen amerikanischen Ureinwohners wären die USA demzufolge eine bis jetzt 250 Jahre andauernde Besatzung ;-) 2. Und dies ist wichtig in Verbindung mit dem aktuellen, in EU-Ländern grassierenden Islamhass. Im Kern definierte sich Europa, das Abendland, als Gegenpol des Islams. Die erste Erwähnung "Europäer" finden wir in einer Chronik aus dem Jahr 754 in Bezug zum Sieg Karl Martells. Die Christliche Theologie sah traditionell Muslime als Nachfahren von Ismael ab - der evangelische Theologe Thomas Naumann schreibt dazu "Die christlichen Chronisten begriffen diese muslimische Bewegung mit biblischen und theologischen Kategorien. Nach der Bibel gilt Ismael der erstgeborene Sohn des Patriarchen Abraham mit der ägyptischen Sklavin Hagar als Stammvater der nordarabischen Völker, die wie Wildesel in der Wüste leben (Gen 16,12), während Isaak, der Sohn Saras zum Stammvater der Juden avanciert. Und im neutestamentlichen Galaterbrief findet sich eine Interpretation dieser Geschichte durch den Apostel Paulus, in dem er feststellt, dass Gott mit seinem Segen und mit seinem Heil Erwählung allein bei den Kindern Saras bleibt, hingegen Ismael, den Sohn der Sklavin, verworfen und von Gottes Heil ausgeschlossen habe (Gal 4,21-31). Im Lichte dieser Deutungen verstand das Christentum die islamische Expansion als Sturm der Söhne Ismaels aus der Wüste auf das Bollwerk der Christenheit. In der biblischen Gestalt Ismaels und der Ismaeliten verband sich die Abscheu vor dem von Gott verworfenen Abrahamsohn mit der Angst vor dem politisch übermächtigen Gegner. Die Muslime werden Ismaeliten oder Söhne Ismaels genannt oder Hagarenen – Nachkommen der Hagar. Die gängigste mittelalterlicher Bezeichnung ist „Sarazenen“. Der Begriff ist ursprünglich eine antike arabische Stammesbezeichnung ungewisser Herkunft. Da er aber lautlich auch an AbrahamsFrau Sara erinnert, entwickelt der Kirchenvater Isidor von Sevilla gerade noch in vorislamischer Zeit den Gedanken, die Araber hätten sich diese Bezeichnung mit der Absicht zugelegt, um ihre Abstammung von Sara vorzutäuschen, wo sie doch richtiger von der Sklavin Hagar abstammen und daher Hagarenen (Agarenen) zu nennen seien." Quelle: Feindbild Islam - Historische und theologische Gründe einer europäischen Angst“ (2010) vgl. a. "God's Crucible: Islam and the making of Europe (New York: 2008) des Historikers David Levering Lewis Und in diesem genuin in der europäischen Selbstdefinition verankerten Bild liegt der Ursprung des Feindbildes, man sieht das sehr gut an den jeweiligen ideologischen Pamphleten von Neurechten Denkern - auf die sich dann Attentäter beziehen, indem sie daraus zitieren. Das Beispiel Bosnien-Herzegowina ist hierbei wichtig, weil die serbischen Intellektuellen - Nationalisten - genau die gleichen Ängste schürten wie die modernen Islamgegener. Das Betonen des "Fremden" am Islam, die Angst vor einer Unterwanderung, die Furcht vor hohen muslimischen Geburtenraten, etc. Und wie man an den Neurechten sieht, haben die sich an Serbien ein Beispiel genommen. In rechten "sozialen" Netzwerken gelten die Serben als Pioniere, denen es nachzueifern gilt.
24.09.20
12:08
grege sagt:
Je nach Fixierung der Zeitscheibe kann man bei Anwendung von Ursache-Wirkungsbeziehungen zu konträren Täter-Opfer Konstellationen gelangen, so dass es sich hier um ein manipulierbares Argument handelt. Der Gründung der muslimischen Waffen SS gingen Einsätze von muslimischen Soldaten in den kroatischen Streitkräften des Ustascha Regime voraus, das die Vernichtung von Serben, Roma und Juden in ihrem Einflussgebieten vorsah und mit muslimischer Beteiligung geschah. Serbische Tschetniks haben daraufhin Widerstand geleistet, ihrerseits aber auch Verbrechen an nichtserbischen Zivilisten insbesondere im Kosovo begangen. Mit Gründung der kommunistischen Partisanen, die auch die Tschetniks bekämpften, suchten diese die Kollaboration mit den Besatzern, was die Lage nun völlig verworren machte. Die Angehörigen der muslimischen Waffen SS, die vorwiegend aus bosnischen Freiwilligen!!! bestand, haben entsprechend ihrer Indoktrination durch den Großmufti von Jerusalem auch Massaker an Juden begangen, die auf dem Balkan die meisten Opfer zu beklagen hatten. Zynisch gesprochen entsprach letzteres auch dem „internationalem Standard“ zu dieser Zeit. Des Weiteren kann die Ursache-Wirkungsbetrachtung für jeden human gesinnten Menschen kaum als Rechtfertigung für Verbrechen an unschuldige Zivilisten dienen, auch wenn deren Landsleute oder Glaubensbrüder zuvor an anderen Orten ähnliches verbrochen haben. Auch in der Logik eines Ratko Mladic ist das Massaker von Srebrenica nach der osmanischen Besatzung als Ergebnis einer Ursache-Wirkungsbeziehung zu verstehen. Mit dem perfiden Instrument der Knabenlese konnten sich die osmanischen Besatzer einerseits ihren militärischen Nachwuchs sichern, andererseits die christlichen Untertanen gezielt schwächen. Die Erinnerungen an dieses bis ins 18. Jahrhundert vollzogenen Entführungen sind bis heute bei den nichtmuslimischen Bewohnern des Balkans noch allgegenwärtig, werden aber – wie die Kolonialisierung bei diversen Muslimen –vereinzelt von Scharfmachern instrumentalisiert. Die Aussicht auf eventuelle Karrierechancen sowie die Aussetzung in manchen Jahren kann von normal veranlagten Eltern nur als Verharmlosungsversuch verstanden werden. Während der osmanischen Besatzung hat sich unter den serbischen Untertanen eine Freiheitsbewegung mit der Sehnsucht nach einem eigenen Staat entwickelt, ähnlich wie auch in muslimisch bewohnten Regionen unter Kolonialherrschaft. Dass die Serben in ihrer Religion ein weiteres Identitätsmerkmal sehen, dürfte diversen der Säkularisierung abgeneigten Muslimen wohl am wenigsten aufstoßen. Ebenso wenig verwunderlich sind Misstrauen gegenüber Religionen und die Lebenskultur von Besatzern. Die als nationalistisch verbrämten Merkmale sind daher nicht unüblich und menschlich nachvollziehbar. Höchst verwunderlich ist in dem Zusammenhang die plötzliche Solidarität von diversen Muslimen mit Besatzern fremdbeherrschter, ganz im Gegensatz zum Israel Palästina Konflikt oder Algerienkrieg…. Entgegen der Aussage meines Vorredners leben heute in Südserbien, Bulgarien, Albanien, Mazedonien und Tschetschenien sowie dem Kosovo sehr wohl Muslime, wie jeder normal gebildete Menschen schon allein den Abendnachrichten entnehmen kann. In Griechenland kam es Anfang der 1920er Jahre zu einer Ausreisewelle von Muslimen im Rahmen eines vertraglich vereinbarten „Bevölkerungstausches“ mit der Türkei, den Christen und Muslime gleichermaßen zu verantworten haben. Die komplette Auslöschung der Muslime in Europa durch nationalistische Andersgläubige ist eher das Ergebnis kruder Opfermythen. Mein Vorredner wälzt die Leiden von Massakern an Muslime auf dem Balkan in epischer Breite aus, während vergleichbare Ereignisse mit muslimischer Täterschaft und nichtmuslimischen Opfern lapidar als Folgeverbrechen relativiert oder als „internationaler Standard“ verharmlost werden. Die Beurteilung von Verbrechen u. Gräueltaten ist somit an der ethnischen bzw. religiösen Zugehörigkeit ausgerichtet und dient damit nicht ethischen, sondern rein opportunen Motiven zum trügerischen Erhalt von Wunschbildern. Hier steht mein Vorredner serbischen Nationalisten oder den von ihm gefürchteten Islamfeinden in nichts nach, die diese Ereignisse entsprechend spiegelverkehrt betrachten. Mit einem derartigen Geschichtsverständnis erzeugt man Massengeburten von Opfermythen als Brandsatz für neuen Extremismus und Rassismus. Bevor man immer nur den Rassismus und die Religionsfeindlichkeit anderer thematisiert, wäre eine kritische Selbstreflexion eher anzuraten. Es kann nicht oft genug hervorgehoben werden, dass mit der Operation Deliberate Force durch britische, amerikanische und französische Streitkräfte der bosnische-serbische Armee derart zugesetzt worden ist, dass die kroatisch muslimischen Einheiten erhebliche Geländegewinne erzielen und die Serben zu einem Waffenstillstand zwichen konnten. Damit ist eine verbesserte Verhandlungspositionen bei den dann folgenden Friedensgesprächen in Dayton erzielt werden, die ebenfalls von den „untätigen“ Europäern u. Amerikanern ausgerichtet und zu einem umgesetzten Abkommen geführt hat. Diese haben anschließend eine schlagfertige Truppe für die Friedenssicherung vor Ort zusammengestellt und die wesentliche Aufbauhilfe geleistet, so dass zumindest ein kalter Friede und materielle Versorgung mit dem notwendigsten erzielt wurde. Dass sich die Muslime als schwächste Gruppe mit Kirchenzerstörungen nicht gegen ihre Beschützer und Versorger aufbrachten, ist wohl selbsterklärend. Nebenbei sei zudem erwähnt, dass die Europäer, hier insbesondere Deutschland und Österreich, die meisten Flüchtlinge(wie auch im folgenden Kosovo Krieg) aufgenommen hat, im Gegensatz zu den muslimischen Staaten. Ohne diesen Einsatz des „islamfeindlichen Westens“ würden Muslime heute auf dem Westbalkan wenn überhaupt nur noch in Reservaten leben!!! Die Kritik von diversen Muslimen an der anfänglichen Zögerungshaltung der Europäer ist in mehrfacher Hinsicht höchst ambivalent: 1. Solche Muslime verteufeln per se Einsätze von westlichen Staaten als Einmischung in fremde Staaten. Im Bosnienkrieg wurde doch anfangs genau dieser Vorsatz eingehalten, was solch wankelmütige Muslime aber wieder zur plötzlichen Abkehr „von ihrer Kritik“ veranlasste. Die angeblichen Kritikgründe sind offensichtlich der Abneigung gegenüber dem Adressaten der Kritik untergeordnet. 2. Mein Vorredner verwünscht in diversen Beträgen liberal-säkulare Werte- und Staatssysteme, was nicht weiter thematisiert werden kann Wiese erwartet er ausgerechnet von nichtmuslimischen Staaten mit solchen Werte- und Staatssystemen Hilfe und sogar militärischen Beistand für seine eigenen Glaubensbrüder? Diese peinliche Haltung lässt jegliches Mindestmaß an Selbstachtung vermissen.
25.09.20
21:15
grege sagt:
Unter den Serben herrschten fortwährend unterschiedliche Vorstellungen über das genaue Territorium eines unabhängigen Staates. Einige wollten lediglich alle Serben in einem Staat vereinigen, andere plädierten für die Vereinigung aller Südslawen in einem Staate, wie es nach dem 1. Weltkrieg auch geschah. Genau dieses Jugoslawien mit seinem serbisch dominierten Staats- und Militärapparat gegen Ende der 90er Jahre mit einem durch die Aufhebung der Autonomie gezähmten Kosovo entsprach quasi diesem Idealbild. Eine Loslösung Kroatiens und Serbiens sollte zunächst durch zusätzliche Zentralisierung auf Betreiben von Milosevic verhindert werden, da diese wohlhabenden, mit dem Adriazugang strategisch wichtigen Teilrepubliken als Ertragsperlen das bevölkerungsreiche, aber wirtschaftliche schwache Serbien mit seiner privilegierten Funktionärskaste alimentierten. Die endgültige Loslösung Sloweniens versuchte Belgrad daher mit militärischem Einsatz der Bundesarmee zu unterbinden, der aber gegen die taktisch geschickt agierende slowenische Territorialverteidigung in der alpinen, und für Luftwaffe und schwere Waffen schwierig zugänglichen Region sowie den kroatische Verkehrsblockaden scheiterte. Ein freiwilliger Verzicht auf Slowenien sieht wohl etwas anders aus…. Erst nach dieser Niederlage „beschränkte“ sich Serbien aufgurnd fehlender militärischer Möglichkeiten auf die Vereinigung aller Bürger in einem Staat. Alles nichtserbische sollte eliminiert werden, egal ob muslimisch oder kroatisch. Kroatien durfte nur das Territorium umfassen, welches vom Turm des Zagreber Doms sichtbar war (Aussage von Seselij). Entsprechend begannen die Säuberungen in der Krajina, Ost- und Westslawonien und Bosnien. Auch in Kroatien bissen sich die Serben am zähen Widersand der Kroaten, konnten aber wegen der militärischen Übelegenheit und Unterstützung der Bundesarmee zunächst die Oberhand behalten. „Und letztlich kam der EU auf lange Sicht ein Zusammenbrechen Jugoslawiens zu pass“ Auch dieses Aussage zielt an der Realität und sollte in das Reich muslimischer Tätermythen abgeschoben worden. Die EU war an dem Erhalt des Status Quo interessiert, aus Sorge vor einer Konfliktverschärfung sowie dem Auftrieb von Separatismusbestrebungen in den eigenen Ländern. Entsprechend hat die EU äußerst zurückhaltend auf die Unabhängigkeitserklärungen von Kroatien und Slowenien reagiert. Wenn die EU auf den sofortigen Zusammenbruch bedacht gewesen wäre, hätte sich dieser durch Waffenlieferungen an die Kriegsgegner der Serben damals rasch ereignet. In der öffentlichen Meinung mag die EU wie überall auch auf dem Balkan unpopulär sein, aber als Nettoempfänger ist den dortigen EU Mitgliedern auch langfristig an einer Zugehörigkeit gelegen. Gerade die muslimischen Nachfolgestaaten Bosnien und Kosovo mit ihren kaum werthaltigen Finanzsystemen und ihrer maroden Realwirtschaft haben sich für die UNO und die EU bisher als Fass ohne Boden erwiesen. Daher stellen diese Länder auch in absehbarer Zukunft für die EU keinen Zugewinn dar, sondern einen verzichtbaren Klotz am Bein. Das nationale Identitätsbewusstsein unter den Serben war immer schon besonders ausgeprägt, wurde durch Unterdrückung fremder Großmächte, ob seitens der Osmanen oder Habsburgs, zusätzlich verstärkt. Während der osmanischen Besatzung garantierte die orthodoxe Kirche für den Erhalt der serbischen Sprache und Kultur, was die Osmanen trotz ihrer langen Besatzungsdauer auch nicht ausmerzen konnten. Ein ähnliches Nationalbewusstsein bestand ebenso im osmanisch besetzen Griechenland, Bulgarien oder Rumänien, so dass diese Länder das Joch der Fremdherrschaft mit Beginn des 19. Jahrhunderts mit militärischen Mitteln abschütteln konnten. Die von den Osmanen begangenen Massaker zur Unterdrückung griechischer, serbischer oder bulgarischer Aufbegehrens haben den Widerstandswillen und das Identitätsbewußtsein dieser Völker erst recht gestärkt, ähnlich wie es Muslime / Araber heute den Palästinensern zuschreiben. Dass im Zuge des Algerienkrieges Angehörige und Sympathisanten des Besatzervolkes nach Verlust ihrer Herrschaft in die Flucht geschlagen oder massakriet wurden, hat bei Arabern /Muslimen im Unterschied zu den Unabhängigkeitsbestrebungen auf dem Balkan ebenso wenig Anteilnahme ausgelöst. Im Gegenteil, der Sieg der FLN ist als heroische Tat glorifiziert worden. Die jetzt einseitigen Schuldzuweisungen gegenüber den einst unterdrückten Balkanvölkern sind daher weniger sachlich als vielmehr ethnisch / religiös motiviert und somit schlichtweg unglaubwürdig. Wenn Unabhängigkeitsansprüche fremdbeherrschter Völker mit Verweis auf mehrere Jahrhundert Besatzungsdauer pauschal verwehrt werden dürfen, hätte Portugal seine seit dem 15. Jahrhundert beherrschten Kolonien in Angola und Mozambik ebenso behalten dürfen als „rechtmäßiger Besitzer“. Dieses vorgetragene Argument für die Rechtfertigung von Fremdherrschaft und Verharmlosung der Unterdrückung als Opfermythos könnte sich somit im Falle anderer Konflikte als Bumerang erweisen….
27.09.20
12:37
Johannes Disch sagt:
@grege (25.09.2020, 21:50) Chapeau. Den Nagel auf den Kopf getroffen.
27.09.20
14:33
Johannes Disch sagt:
@grege (25.09.2020, 21:15) --"2. Mein Vorredner verwünscht in diversen Beiträgen liberal-säkulare Werte und Staatssysteme..." (grege) Wie ich bereits an anderer Stelle sagte, ist seine Darstellung des Liberalismus einseitig, selektiv und verzerrend. Völlig absurd wird es, wenn die Aufklärung zur "Erleuchtung" umgedeutet wird. Da soll durch die Hintertür wieder die Religion eingeführt werden. Nicht durch den Gebrauch seines Verstandes kann der Mensch zur Erkenntnis gelangen, sondern durch religiöse "Erleuchtung." Wohl am besten noch durch "islamische Erleuchtung." Gott bewahre uns davor! Der Prozess der Bildung von Nationalstatten wird einseitig aus der Sicht der Robbespiereschen Exzesse betrachtet (Der Nationalstaat als "Frankreichs Monster"). Tatsache bleibt: Menschenrechte, die Autonomie des Subjekts, Demokratie und Rechtsstattlichkeit, der Vorrang des vernunftorientierten Wissens vor religiösem Offenbarungswissen sind Errungenschaften des Westens. Daran ändert auch nichts, dass der Westen oft gegen diese Werte verstoßen hat und es auch weiterhin tut. Der Westen hat dem Islam allerdings eine entscheidende Eigenschaft voraus: Er ist fähig zur Selbstkritik und zur Korrektur seiner Fehler, während die islamische Welt weiterhin im Opferstatus verharrt.
27.09.20
14:57
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