Wie sicher sind jüdische Orte in Deutschland? Ein Jahr nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle haben die Länder die Mittel dafür erhöht. Der Schutz von Moscheen bleibt weiterhin aus.
Poller, Zäune, Sicherheitsschleusen – sie gehören zum Alltag vor jüdischen Einrichtungen. Oft stehen Polizisten vor den Gebäuden, Videokameras beobachten das Umfeld. Seit Jahrzehnten werden in Deutschland jüdische Einrichtungen mehr oder weniger bewacht – manchmal aber nicht, wie im Fall der Synagoge von Halle, die vor einem Jahr Ziel eines Anschlags war und in der wie durch ein Wunder mehr als 50 Juden überlebten.
Im Jahr nach dem Anschlag hat sich einer Studie zufolge die Sicherheit jüdischer Einrichtungen gebessert. Allerdings müssten sich Gemeinden noch immer selbst um bestimmte Vorkehrungen kümmern, etwa um Zäune, Poller oder Sicherheitsschleusen. Einige Gemeinde müssten zusätzlich einen Sicherheitsdienst engagieren, oft seien das ehemalige Angehörige der israelischen Armee. Das geht aus dem Bericht des Mediendienstes Integration hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die unabhängige Informations-Plattform hatte dafür bei den Innenbehörden der Länder nachgefragt.
Die Sicherheitslage jüdischer Einrichtungen sei besser als im vergangenen Jahr, aber nicht flächendeckend gut, sagte der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Jürgen Peter. „Wir können als Polizei nicht zufrieden sein mit dem „Status quo“, den wir erleben“, sagte Peter bei der Vorstellung der Umfrage. Bei den Ermittlungen über die Hintergründe des Anschlags in Halle habe die Polizei Lehren aus dem „NSU-Desaster“ gezogen. Die Ermittler seien heute offener für verschiedene Hypothesen.
Die meisten Bundesländer haben laut der Studie die Mittel für die Sicherheit etwa an Synagogen, Kindergärten und Friedhöfen erhöht. So stelle Sachsen-Anhalt 2020 und 2021 rund 2,4 Millionen Euro zur Verfügung. Vom Bund kämen in diesem Jahr 22 Millionen Euro für Baumaßnahmen zur Sicherheit jüdischer Orte.
Am 9. Oktober 2019 hatte ein rechtsextremer Attentäter am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, in die Synagoge in Halle (Saale) einzudringen und die dort betenden Juden und Jüdinnen zu töten. Als das misslang, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin. Im Anschluss tötete er in einem nahen Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann und verletzte auf seiner Flucht weitere Menschen.
Derweil fordern muslimische Vertreter mehr Schutz für Moscheen. Auf Anfrage von IslamiQ teilten die meisten Bundesländer mit, dass eine Erhöhung der Schutzmaßnahmen „nicht erforderlich“ sei. Bundesweit hatten Moscheen eine Serie von Bombendrohungen erhalten, die Zahl der tatsächlichen Moscheeangriffe war sprunghaft angestiegen.
Vertreter Muslimischer Religionsgemeinschaften begrüßen den erhöhten Schutz für Synagogen, fordern allerdings auch mehr Schutz für Moscheen. Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) erklärte auf IslamiQ-Anfrage, dass viele Moscheegemeinden sehr verunsichert seien. „Die Zahl der Muslime, die aus Angst keine Moschee mehr besuchen ist angestiegen. Das ist kein Zustand, mit der wir uns anfreunden können“.
Eine Ähnliche Position vertritt auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek. Im Kurznachrichtendienst Twitter unterstütze er den verstärkten Schutz von Synagogen und forderte ein „zügiges“ weiterarbeiten an Schutzkonzepten für Moscheen. (dpa, iQ)