MUSLIMISCHE AKADEMIKER

Plädoyer für Islamunterricht: Erwartungen von Muslimen berücksichtigen

Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen unserer Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute mit Dr. Turunç Tufan-Destanoğlu über die Erwartungen an den islamischen Religionsunterricht.

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2020
Dr. Turunç Tufan-Destanoğlu © Privat, bearbeitet by iQ.

IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?

Dr. Turunç Tufan-Destanoğlu: Schon von klein auf wurde ich zu Hause für soziale, gesellschaftliche und religiöse Belange sensibilisiert. Jahrelang habe ich neben der Schule und dem Studium in einer Moscheegemeinde ehrenamtlich mit muslimischen Kindern, Jugendlichen und Frauen gearbeitet. Die Qualifikationen und Erfahrungen, die ich dabei sammeln konnte, sind in mein Fachstudium eingeflossen. Dieses Wissen hat mir geholfen, an die komplexen Herausforderungen, die in Deutschland mit schulischen und außerschulischen Bildungsangeboten verbunden sind, methodisch fundiert heranzutreten.

Eine Hochschulkarriere habe ich bereits während meines Zweifach-Masterstudiums Islam- und Erziehungswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum angestrebt. Während meiner Promotion im Fach Islamische Theologie konnte ich Fachkenntnisse und methodische Kompetenzen in Forschung und Lehre gewinnen.

IslamiQ: Können Sie uns Ihre Dissertation kurz vorstellen?

Tufan-Destanoğlu: Meine Dissertation trägt den Titel „Muslimische Bildungs- und Erziehungsvorstellungen – Die Erwartungen von muslimischen Eltern und islamischen Religionslehrkräften an den islamischen Religionsunterricht in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen“. Sie wurde im April 2019 am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück vom Fachbereich Erziehungs- und Kulturwissenschaften angenommen. Meine Arbeit ist quantitativ ausgerichtet. Vor dem Hintergrund religionspädagogischer und islam-theologischer Theorien untersucht sie Bildungs- und Erziehungsvorstellungen aus einer muslimischen Binnenperspektive heraus.

Der Fokus richtet sich auf die Konzeption, Inhalte und Maßnahmen der schulisch-islamischen Bildung und Erziehung im Kontext des islamischen Religionsunterrichts (IRU). Diese Thematik wird aus gesellschaftspolitischer und wissenschaftstheoretischer Perspektive reflektiert. Ich frage, welche Bedeutung die islamische Bildung und Erziehung in der Schule eines säkularen Staates für muslimische Eltern und islamische Religionslehrkräfte (IRL) hat und wie sie im Rahmen des IRU von ihnen definiert werden.

Dazu habe ich 370 Eltern und 81 Religionslehrkräfte schriftlich befragt. Dadurch konnte ich meine Hypothesen bezüglich der Erwartungen, Ziele und befürworteten Unterrichtsinhalte methodisch umfassend prüfen.

Mein wesentliches Forschungsergebnis ist ein Plädoyer für einen konfessionell-religionspädagogischen IRU. Das bedeutet, dass das Interesse der Zielgruppen an der Vermittlung islamisch-glaubensverkündender und habitualisierter Elemente dem Interesse an der Vermittlung analytisch und kritisch-reflektierter Glaubensinhalte nicht entgegenwirkt oder sie ausschließt. Ein wichtiges Ergebnis besteht auch darin, dass Eltern und Lehrkräfte einen nicht-glaubensverkündenden IRU, d. h. die Islamkunde, deutlich ablehnen.

IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?

Tufan-Destanoğlu: Meine Absicht war es, die Sichtweise der muslimischen Bevölkerung in eine empirisch-wissenschaftliche Forschung einzubeziehen. Der deutsche Staat, der sich zur Realisierung des Rechts auf religiöse Bildung unter staatlicher Aufsicht verpflichtet, bekundet beim künftigen Ausbau des IRU Interesse an den Wünschen der in Deutschland beheimateten Muslime.

Im Bereich der islamischen Religionspädagogik fehlt es in Deutschland leider immer noch an seriöser Grundlagenforschung. Vor allem quantitative Studien, die sich dem Gegenstand aus einer islamischen Binnenperspektive nähern, werden dringend benötigt. Dabei kommt es darauf an, die gewonnenen Erkenntnisse zum islamisch-religiösen Bildungs- und Erziehungsbegriff in den Konstituierungsprozess religionspädagogischer und islamisch-theologischer Theoriebildung einzubinden.

IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? Was treibt Sie an?

Tufan-Destanoğlu: Erfreulicherweise gab es eine sehr positive Resonanz auf diese Studie. In beiden Bundes­ländern war die Rücklaufquote mit Werten von 50 % bei den Eltern und 40 % bei den Lehrkräften überraschend hoch. Das verdeutlicht meines Erachtens die Bereitschaft und Motivation der Befrag­ten, an einem Etablierungsprozess des IRU mitzuwirken.

Auch wenn ich keine direkten negativen Erfahrungen gemacht habe, sind die Formalitäten eines empirischen Dissertationsprojektes mit großem Zeitaufwand verbunden. Aufgrund der Richtlinien für Erhebungen an Schulen müssen offizielle Genehmigungen von allen am IRU beteiligten Akteuren wie den IRU-Beiräten, Schulministerien, Schulbehörden, Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern eingeholt werden. Da alle Genehmigungen voneinander abhängig waren, konnten die Zuständigen nur schrittweise angefragt werden.

IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?

Tufan-Destanoğlu: Mit meiner Arbeit möchte ich neben dem wissenschaftstheoretischen Beitrag auch auf die aktuellen Problem­stellungen im Zusammenhang mit der religiösen Anerkennung von Muslimen in Deutschland aufmerksam machen.

Diese Studie bietet in Anbetracht des Forschungsdesigns und -ansatzes eine Richtschnur für künftige quantitative Forschung in der IRP mit Blick auf schulische und außerschulische Bildungsangebote. Mit der Veröffentlichung erhoffe ich mir eine Stärkung der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen islamischen Religionsgemeinschaften, Schulministerien und Instituten für Islamische Theologie und darauf aufbauend eine Realisierung islamisch-theologisch und gesellschaftlich bedeutsamer Projekte für die in Deutschland beheimateten Muslime.

Um eine höhere und langfristige Akzeptanz des IRU unter den Muslimen zu gewährleisten, sollten angesichts ihres Bildungsauftrags und Erziehungsrechts die Vorstellungen der muslimischen Eltern und islamischen Religionslehrkräfte mitberücksichtigt werden.

Leserkommentare

Bettina Aliya Maier sagt:
Sehr sehr spannend. Die eigentlichen Probleme mit der Umsetzung des islamischen Unterrichts an Schulen entstehen doch durch politische Haltungen, in Fragen nach der Ausbildung und Kontrolle sowie Kosten und zusätzlich auch bei der Uneinigkeit der einzelnen islamischen Vertretungen. 😉 Das ist jetzt liberal ausgedrückt. Wenn das nämlich so gewollt wäre, könnte man das nämlich ganz pragmatisch lösen. Wenn. Schulen dürfen nämlich selbst entscheiden, welche Lehrkräfte und zwar bundesweit sie einstellen. Zudem ist die Politik auch nicht auf einem Nenner und die Konsequenz sind jahrelange Diskussionen, Tagungen und am Ende kein Ergebnis. Entscheidend ist da nämlich auch die Uneinigkeit der verschiedenen islamischen Positionen.
11.10.20
19:40
Vera Praunheim sagt:
Bei den flammenden Plädoyers für Islamunterricht auf allen Kanälen fände ich es sehr spannend, wenn sich dort der umtriebige Herr Dr. für Islamische Theologie auch konkret zu seinen Wertevorstellungen und islamischen Weltbild-Normen - auch beim islamisch festgelegten Lehrkörper - äußern würde. Wie steht es um Scharia-Justiz, Gleichberechtigung nicht-heteronormativer Lebensweisen, Akzeptanz anderer Religionen, Islam-Fundamentalismus, politischer Islamismus, muslimische Kinderehen, Konfessions-Unterricht und die komplette Islamisierungs-Problematik Europas? Wurde auch schon erforscht, wie es zu den unglaublichen Engelserscheinungen beim islamischen Religionsstifter vor 1.400 Jahren gekommen sein soll, auf denen alle späteren Projekte, Moscheen-Aktivitäten und religiös-mystischen - auch wissenschaftlichen - Gedankenspiele gründen?
13.10.20
2:59
Kritika sagt:
An Vera und mitleser. Erfreulich und professionell argumentierend, wie Sie den Finger in die Wunde legen. Wenn Engel aus Licht bestehen sollen , aber noch niemand die jemals gesehen hat, obwohl unser Auge lichtjahre entfernte Sterne, sehen kann, da kann man mit Sicherheit feststellen, dass Engel der Menschichen Fantasie entstammen, und plagiativer Weise aus der Bibel in das Plagiat "Muslim-Kroran" gewandert sind. Solcher Nonsense unseren Kindern einzustopfen finde ich geistige Vergewaltigung. Gruss,Kritika
16.10.20
2:45
Kritika sagt:
L.S. Tufan-Destanoğlu: "- - --erhoffe ich mir eine Stärkung der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen islamischen Religionsgemeinschaften, Schulministerien und Instituten für Islamische Theologie - - - " ---------- Um Himmels Willen die Ideologie der Kopftücher und des Terror soll höchstens bleiben was er ist argwöhnisch Geduldet. Besser noch auf das mindest mögliche Mass zurückgestuft. In Medien als ständig dauernde Gefahr für unsre Freiheit und unsere Demfafft gezeigt werde. okratie und unser Leben an Beispielen wach haltend. Islamische TERROR -Beispiele, beide noch keinen Monat alt: - Mordversuche an Motorrad Fahrer in Berlin - Mord in Frankreich als "Rache" für die vortrefflich gelungenen und professionell erstellten Mohammed Charikaturen. Ich habe daraufhin die orginal FR- Ch. Hb. vom 2-ten Sept. 2020 gekauft, indem Zeichnungen und Kommentar noch einmal zusammengefasst sind. Mit einer ideologie des Kopftuch und des Terror kann und darf es keine "Zusammenarbeit " irgendwelcher Art mit Deutsche Behörden geben. An Stelle sollte es Observieren, Durchsuchen, - auch ohne konkreten Anlass - geben, an Stelle von Gebäudeschutz. Dafür kann dann die Ideologie selber sorgen. Und wenn dann eine Moschee in Flammen aufgeht, dann sagen wir " Allah's Willen " und erstellen auf dem Grundstüch ein Erinnerungsmerkmal für Muslim-Terror-Opfer. Gruss, Kritika
17.10.20
14:06
Kritika sagt:
Korrectie: - - - In Medien als ständig lauernde Gefahr in Erinnerung gehalten, gegen unsere Freiheit, gegen unsere Demokratie und gegen unser Leben, an Hand konkrete Beispielen Muslemisch-Bedrohliches Handelns .
17.10.20
17:46