Verwaltungsgerichtshof

Muslimischer Oberarzt verweigert Handschlag – keine Einbürgerung

Ein muslimischer Oberarzt wird nicht eingebürgert, weil er der Sachbearbeiterin den Handschlag verweigerte. Daraufhin klagte er – jedoch ohne Erfolg.

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2020
Praxis
Symbolbild: Arztpraxis © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Ein muslimischer Oberarzt, der sich aus religiösen Gründen weigerte, bei der Übergabe der Einbürgerungsurkunde, der zuständigen Sachbearbeiterin die Hand zu reichen, erhält nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) entschieden. Wer aufgrund einer „fundamentalistischen Kultur- und Wertevorstellung“ einen Händedruck ablehne, lehne damit eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse ab“, so die Richter in der am Freitag in Mannheim veröffentlichten Entscheidung.

Dabei mache es keinen Unterschied, dass der Mann nun angekündigt habe, auch Männern nicht mehr die Hand zu geben. Der VGH beschrieb Handschlag und Händeschütteln als gängige nonverbale Begrüßungs- und Verabschiedungsrituale, die unabhängig vom Geschlecht der Beteiligten seien und auf eine jahrhundertelange Praxis zurückgehen. Im Blick auf die Abstandsregeln in der Corona-Pandemie zeigten sich die Richter davon überzeugt, dass der Handschlag die Zeiten überdauern werde.

Der Handschlag habe auch eine rechtliche Bedeutung, indem er einen Vertragsabschluss symbolisiere. Auch könnten Personen per Handschlag auf ein öffentliches Amt verpflichtet werden. Der Handschlag habe daher im „gesellschaftlich-kulturellen und rechtlichen Leben eine das Miteinander prägende, tiefgehende Verwurzelung“. Wer ihn aus geschlechtsspezifischen Gründen verweigere, verstoße gegen die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung. Zudem habe die Weigerung im konkreten Fall das Ziel, „dem Geltungsanspruch einer salafistischen Überzeugung zum Verhältnis von Mann und Frau zu einer gesellschaftlichen Wirkung zu verhelfen“, so die Richter.

Maximale Punktzahl bei Einbürgerungstest

Das Gericht wies damit die Klage eines 2002 nach Deutschland gekommenen, heute 40-Jährigen Libanesen ab. Er studierte in Deutschland Medizin und ist inzwischen als Oberarzt in einer Klinik tätig. Für seine 2012 beantragte Einbürgerung unterschrieb er die Bekenntnis- und Loyalitätserklärung und das Merkblatt zu Verfassungstreue und gegen Extremismus. Den Einbürgerungstest bestand er mit maximaler Punktzahl. Dennoch kam es nicht zur Verleihung der Staatsbürgerschaft, weil er sich bei der Übergabe der Einbürgerungsurkunde 2015 weigerte, der zuständigen Sachbearbeiterin die Hand zu reichen. Die Frau hielt daher die Urkunde zurück. Die Klage blieben vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erfolglos. Auch der VGH wies den Mann nun ab, ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles aber eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Bodo Matthes sagt:
@Wolfgang Krabbes - "... gibt es auch Leute in Ämtern, die bei jedem Müll islamischen Terrorismus vermuten ...": Hier wird vermutlich KEIN Terrorismus vermutet, sondern VÖLLIG ZU RECHT Integrationsverweigerung durch Ablehnung einer standardmäßigen Grußform in unserer Kultur - eine Ablehnung, die darüber hinaus schlichtweg eine grobe, sexistische Unhöflichkeit darstellt! Müssen WIR als inländische Mehrheitsgesellschaft uns etwa schon fremden Gepflogenheiten beugen? Ich glaube es hackt!
19.10.20
23:16
Heinrich Meyer sagt:
Völlig in Ordnung das Urteil. Wenn's ihm nicht passt kann er sich ja ein Land aussuchen, in dem er andere Menschen respektlos behandeln kann.
20.10.20
14:58
Ilya sagt:
Obwohl ich für eine Integration von den Eingebürgerten eintrete, finde ich das Urteil sehr seltsam. Was ist, wenn ein Mensch sich vor jeder Berührung ekelt? Es gibt genug seltsame psychische Phänomene und Abweichungen, darf dieser Mensch deshalb kein Deutscher werden?
20.10.20
21:07
Ethiker sagt:
Seltsames Respektverständnis und Machtgehabe auch in den Kommentaren. Es ist seine Freiheit den Handschlag zu verweigern. Das Problem ist nicht der Handschlag, sondern die Begründung, der Vorwand einer angeblichen Etablierung salafistischer Umgangsformen. Ein einfaches Gedankenexperiment widerlegt diese Begründung. Würde ein Jude aus Gründen des Glaubens den Handschlag verweigern, hätte dies keine Konsequenzen, auch wenn dieser seine Lebensweise gerne verbereitet sehen würde. Mit der Begründung den Arzt nicht einzustellen sind Tür und Tore geöffnet für alle möglichen Restriktionen und Maßnahmen gegen Muslime, wobei Islamhass unter dem Deckmantel der "Einhaltung von Umgangsformen und Gepflogenheiten" verdeckt wird.
21.10.20
12:52
grege sagt:
Wenn man in ein andere Land einwandert, ist die Akezptanz der dortigen Lebenskultur neben Einhaltung der dortigen Gesetztes sowie der eigenen Finanzierung des Lebensunterhaltes eine pure Selbstverständlichkeit. Auch von Angehörigen anderer Kulturkreise in islamisch geprägten Ländern wird die Beachtung dortiger Gepflogenheiten erwartet. Im Iran müssen sich z.B. auch Frauen aus anderen Länder, egal welcher Religionsangehörigkeit, verschleiern. Von der Seite ist der Verhalten des Oberarztes nicht zu akzeptieren. Wenn er der Lebenskultur der Mehrheitsbevölkerung ablehnend gegenübesteht, sollte eine Rückkehr in den Libanon angestrebt werden. Nach der verheerenden Explosion kann das dortige marode Gesundheitssystem jede helfende Hand gebrauchen.
23.10.20
13:17
Bernd Fuchs sagt:
Wer ein Medizinstudium erfolgreich absolviert hat, lieferte den Beweis für Selbstbeherrschung und Intelligenz. Aber seine sozio-kulturelle Entwicklung ist wohl bei der Konzentration auf seine Ausbildung in den Jahren um 650 n.C. hängengeblieben. Wer aber die Regeln des Gastlandes bewußt ablehnt, sollte sich einen passenderen Platz für sich und seine beton-religiösen Vorstellungen suchen. Es war ein untauglicher, unverschämter Versuch!
24.10.20
12:38
Bernd Fuchs sagt:
Das trifft vorallem für Deutsche und Briten auf der ganzen Welt zu, von den USA, Brasilien, Paraguay, Südafrika, Australien und viele weiteren Länder. Hier wurden die vorhandenen Regeln einfach entsorgt und neue Regeln eingeführt. "Wer aber die Regeln des Gastlandes bewußt ablehnt, sollte sich einen passenderen Platz für sich und seine beton-religiösen Vorstellungen suchen." Nach der Regeln müssten alle Briten und Deutsche ab in ihre Heimat !
28.10.20
20:00
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